Wie werden Schiffe vor Rost geschützt?

4 Antworten

Von Experte ponter bestätigt

Naja, das mit Bleimennige war mal vor vielen, vielen Jahren. Schon längst geächtet, weil Bleioxyd enthalten war, was nicht nur Pilzen, Schwämmen, Algen und Co was anhaben konnte, sondern auch dem Verarbeiter, vulgo: Matrose.

Unterwasserfarbe war genauso problematisch, die sogenannte "Antifouling" wurde im Unterwasserschiff als letzter Anstrich früher aufgetragen. Aber nicht nur die 'schlechten' Tierchen, sondern auch alle guten wurden durch die Gifte, i. d. R. Kupferverbindungen u.ä. in der Farbe geschädigt. Man hatte dann zwar ein fein glattes Unterwasserschiff, was der Spritersparnis diente´, aber auch eine Giftspur hinterlassen. Das alles ist perdu mittlerweile.

Die heutigen Farben sind so gestrickt, dass sie keine Gifte enthalten und deshalb auch keine abgeben. Meistens handelt es sich um Alkydfarben und Epoxy-Farben, die mit ihren Komponenten (2-Komponenten) schnell aushärten, hoch belastbar und sehr elastisch sind - im Vergleich zu herkömmlichen Ölfarben. Auch die Deckkraft ist oft so hoch, dass ein Anstrich ausreicht, wo früher 2, wenn nicht gar 3 Anstriche notwendig waren.

In der sogenannten Farbenlast eines Schiffes werden die an Bord zu verwendeten Farben gelagert und vorbereitet. Eine eigene Feuerlöschanlage muss hier vorhanden sein. Mitnichten werden hier 'tonnenweise' Farbe gelagert. Das hält sich in Grenzen, wenns hoch kommt ist vielleicht eine Tonne Farbe vorhanden. Dann wird nachgekauft. Mit ein Grund dafür ist, dass Farben heute deutlich länger den Witterungsbilden ausgesetzt werden können, ohne zu schnell zu altern (Salz, Wasser, UV-Strahlung) und der weit wichtigere Aspekt: Es fehlt schlichtweg die Zeit zu umfangreichen Farbarbeiten.

Für das Unterwasserschiff natürlich auch Zinkanoden, die eine galvanische Beschädigung weitgehend verhindern. Aber auch nur dort, wo eben die Farbe beschädigt worden ist. Ist die OK, bräuchte es auch keine Opferanoden. Auch sind Systeme bereits installiert, die auf die Menge an Anoden verzichten kann, weil im Vor- und Achterschiff Messeinrichtungen installiert worden sind, die den Spannungsunterschied zwischen den beiden Enden eines Schiffes messen, daraus einen computergesteuert einen Gegenstrom berechnen, der über Kontaktflächen an das Wasser abgegeben wird, der den natürlichen Strom, der durch die Fahrt durch das Salzwasser erzeugt wird, aufhebt, annulliert. Zumindest spart das Zink, ist aber in der Gesamtanschaffung sicherlich teurer.

In fast allen Häfen weltweit ist das Entrosten und Malen der Außenhaut strikt verboten. Auf See verboten ist das Außenbordsmalen sowieso, das wurde und wird nie gemacht. Und binnenbords könnte - wenn man auch dort immer rankäme, wo man es dringendst müsste. Aber dort steht meist Ladung oder/und ist es meist auch feucht. Daher also nicht 'tonnenweise' die Farbe lagern, die nur altert.

Tatsächlich mehrere Tonnen werden an Bord gelagert (dann auch anderswo und nicht in der Farbenlast wg. Raumkapazitäten), WENN es dann in die Werft geht und man die vertraglich vereinbarten/gewünschten Farben der Werft zur Verarbeitung übergibt. Denn dort, und nur dort kann alles gemalt werden.

Übrigens gibt es mittlerweile für den Unterwasserbereich Farben, die eigentlich gar keine mehr sind, sondern eher mit Folien zu vergleichen sind. Das sind SP-Farben. SP steht für 'self polishing'. Algen, Seepocken und anderes Getier, was sich dort in Häfen, Reeden oder während des ' slow steaming' (extra langsame Fahrt) ansiedeln möchten, können das, werden aber, sowie die Schiffsgeschwindigkeit ausreichend hoch ist, vom Druck des vorbeiströmenden Wassers (20 Knoten = 37kmh) quasi weggespühlt, weil dieses Biester auf dieser hochglatten Oberfläche nicht richtig andocken können. Und kein Gift wurde benötigt . . .

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
blaubeer  14.03.2022, 13:25

Ergänzung: Schiffe werden nie gänzlich von der Farbe befreit. Aus ökonomischen und Zeitgründen wird immer auf den Frachtschiff "ausgefleckt". D. h. Nur die Roststellen werden entrostet und die Farbe drumrum bis "in's Gesunde" mit entfernt - zwangsläufig. Nach gewisser Zeit wird dann mal ein gesamter Abschnitt gesamt gemalt, weil sonst zu fleckig. Nur im Unterwasserschiff wird wegen des Widerstands gesamt gestrahlt und ganzflächig gemalt, also höchstens alle 5Jahre, wenn notwendig (Klasseerneuerung, die meist 5Jahre dauert.

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Salue

Natürlich hat man heute Lacke, die ganz gut vor Salzwasser schützen. Auf den Frachtschiffen, auch denen ich mitgefahren bin, war aber das neu streichen eine stetige Tätigkeit auf hoher See. Immer wurde irgendwo am Schiff die alte Lackierung entfernt, grundiert und neu gestrichen. Dies auch auf der Aussenseite des Schiffs, wenn der Seegang ruhig war.

Irgendwo im Rumpf ist auch ein Raum, in dem Tonnen von Farben gelagert sind, sodass man immer dort genug hat. Dieser ständige Kampf gegen Rostflecken am Schiff hört nie auf. Würde man je pausieren, hat man den Kampf verloren.

Dann verkauft man das Schiff an eine Reederei in einer Billigflagge. Dort dient der Rosthaufen als Seelenverkäufer noch einige Zeit, bis es in Indien an Land gesetzt und der Schrott verkauft wird. Damit baut man dann neue Schiffe.

Tellensohn

UnderworldStar 
Fragesteller
 12.03.2022, 19:53

Vielen dank für deine sehr ausführliche Antwort. Lg 😄

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Oberflächenbehandlung. Früher oftmals Bleimennige, heute nimmt man andere Materialien, z.B. 2-Komponenten Epoxydharz.

UnderworldStar 
Fragesteller
 12.03.2022, 17:53

Dankeschön😃 lg

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