Wie sehen LGS in Realität aus?

5 Antworten

Von Experte tunik123 bestätigt

So große lineare Gleichungssysteme gibt es tatsächlich. Gelöst werden sie mit ausgeklügelten Computerprogrammen.

Das Aufstellen so großer Gleichungssysteme ist ein Spezialgebiet für sich - genauer gesagt, sind es verschiedene Spezialgebiete. Oft ist die ursprüngliche Aufgabe einem Gebiet der Physik oder der Ingenieurwissenschaften entnommen - da arbeiten dann Mathematiker mit den Spezialisten der jeweiligen Fachgebiete zusammen. Die ursprüngliche Aufgabe ist oft eine partielle Differentialgleichung, für die eine Näherungslösung gebraucht wird. Dabei ist es unter gewissen Umständen so, dass die Näherungslösung um so besser wird, je mehr Unbekannte man in ds Gleichungssystem hineinnimmt. Daher die oft große Zahl der Unbekannten - man macht das nicht zum Spaß, sondern weil es eine Anforderung der Aufgabe ist.

Die Gleichungssysteme, mit denen man Näherungslösungen für gewisse Differentialgleichungen erhalten kann, haben oft sehr spezielle Eigenschaften. Diese speziellen Eigenschaften werden nach Möglichkeit genutzt - vor allem natürlich dann, wenn ihre Nutzung entweder Rechenzeit oder Speicherplatz spart. Eine Folge der Berücksichtigung spezieller Eigenschaften mancher Gleichungssysteme ist aber, dass es nicht den einen, allgemein anwendbaren Algorithmus für die Lösung großer Gleichungssysteme gibt. Es gibt statt dessen eine große Zahl spezieller Rechenverfahren für die Lösung spezieller Aufgaben, aus denen der Fachmann das jeweils geeignetste auswählt.

Anwendungen ziehen sich durch fast alle Bereiche der Ingenieurwissenschaften: Baustatik, Flugzeugbau, Untersuchung der Fließeigenschaften von Flüssigkeiten und Gasen und vieles mehr. Das ist alles wirklich sehr interessant, aber mit weniger als 5 Jahren Studium ist auf diesem Gebiet der praktischen Mathematik nicht viel zu reißen. Dafür haben die Leute, die es können, in der Regel krisensichere Jobs.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studium der Mathematik
tunik123  16.08.2022, 19:21
Diese speziellen Eigenschaften werden nach Möglichkeit genutzt - vor allem natürlich dann, wenn ihre Nutzung entweder Rechenzeit oder Speicherplatz spart.

Gerade in der Schaltungsberechnung in der Elektrotechnik hat man Matritzen, wo die allermeisten Werte 0 sind. Da kann man wirklich Speicherplatz sparen.

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tunik123  16.08.2022, 19:43
@Halbrecht

Ja, ich kenne das auch als dünnbesetzt (oder "Sparse Matrix").

Wenn ich eine Schaltung mit z.B. 1000 elektrischen Knoten habe, ist bei weitem nicht jeder Knoten mit jedem anderen irgendwie verbunden. Wenn jeder Knoten mit nur drei anderen verbunden ist, sind von der 1 Mio Elementen der Matrix nur 3000 von 0 verschieden.

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sonnenhimmel93 
Fragesteller
 16.08.2022, 19:28

Krass, mega interessant!

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tunik123  16.08.2022, 22:17
@sonnenhimmel93

Mathematik hier draußen (außerhalb des Klassenzimmers) ist wesentlich krasser, als es sich Euer Mathelehrer in seinen wildesten Träumen vorstellen kann.

😉 😉 😉

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Die Lösung wird mit Matritzenlösung durchgeführt.

Stichwort Matrix.

Darauf bezieht sich auch der Film.

Praktische Anwendung findet bei Baunigenieuren zur Berechnung von Spannbetonbrücken statt. Gab es schon in den 60er Jahren Uni Stuttgart - Erfindung des Betonfernsehturms - 1. weltweit.

Gleichungssysteme dieser Größe und noch größer kommen z.B. in der Meteorologie vor. Was die für Algorithmen verwenden, weiß ich nicht.

Ein mir selbst bekannter Anwendungsfall sind Schaltungsberechnungen in der Elektronik. Die Algorithmen stammen meist vom Jacobi-Verfahren ab, weil der klassische Gaußsche Algorithmus bei diesen großen Gleichungssystemen numerisch "gammelt".

Im meiner täglichen Arbeit (es geht um Algorithmenentwicklung für Sensoren) habe ich es meist mit Gleichungssystemen mit etwa 100 bis 1000 Gleichungen und 20 Variablen zu tun. Da es viel mehr Gleichungen als Variablen sind, bietet sich der Householder-Algorithmus an, der eine Lösung nach der Gaußschen Methode der kleinsten Quadratsummen liefert.

sonnenhimmel93 
Fragesteller
 16.08.2022, 19:25

Ohaaaa, ich komme da gar nicht drauf klar. Man kann ja ein LGS geometrisch interpretieren und bei drei Variablen, wären wir ja im R3, aber was ist das denn eine Dimension mit 20 Variablen??????? Das passt doch in kein Koordinatensystem. Ich finde das voll spannend

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Halbrecht  16.08.2022, 19:30
@sonnenhimmel93

Das Problem ist anders : Dimension darf man nicht mit Raum ( R3 ) gleichsetzen . Da funktionieren LGS auch , mehr nicht

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tunik123  16.08.2022, 19:37
@sonnenhimmel93

Lineare Algebra ist so abstrakt, dass man sich das geometrisch nicht mehr vorstellen kann, muss oder will.

Noch gruseliger ist der Simplex-Algorithmus zum Lösen linearer Optimierungsprobleme. Da bewegt man sich auf der Suche nach der Lösung auf den Kanten eines n-dimensionalen Simplex. Ein n-dimensionaler Simplex zeichnet sich dadurch aus, dass er n+1 Ecken hat.

Ein 1-dimensionaler Simplex ist eine Strecke, sie wird durch 2 Punkte begrenzt.

Ein 2-dimensionaler Simplex ist ein Dreieck, das 3 Ecken hat.

Ein 3-dimensionaler Simplex ist ein Tetreader, das 4 Ecken hat.

Und jetzt hört es auch bei mir auf 😉

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Halbrecht  16.08.2022, 19:31

er "gammelt" ............? nicht schnell oder nicht genau genug ?

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tunik123  16.08.2022, 19:38
@Halbrecht

Durch die vielen Rechenschritte wird er ungenau. Die Jacobi-Verfahren sind da gutmütiger.

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Diese finden in der lineraren Algebra bei Matrizen statt. Hier werden eigentlich einfache Algorithmen verwendet, um Gleichungssysteme bzw andere Eigenschaften einer Matrix zu berechnen

solche großen Gleichungssytem werden von einem Computer gelöst

bei Linearen gleichungssytem verwendet man zB:

Gauß Algorithmus, QR Zerlegung, LR Zerlegung