Wer ist der "Ober-Gott"

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In der ägyptischen Religion und Mythologie gibt es nicht völlig klar und durchgehend einen Obergott.

Das Göttliche bzw. göttliche Macht bekundet sich nach ägyptischer Vorstellung in einer großen Vielzahl. Die einzelnen Götter mit ihren Namen sind eine Manifestation eines Aspekts. Es gibt Aufspaltungen, z. B. von Re zu einer Morgengestalt Chepre, einer Tagesgestalt Re-Harachte und einer Abendgestalt Atum, und Verschmelzungen.

Einige Götter sind besonders mächtig und hochgestellt. Die Texte sind in ihren Aussagen und Bezeichnungen aber nicht einheitlich darin, wer der Höchste und am Ursprung stehende ist. Es gibt keine deutliche Überordnung (mit einem allgemein als obersten Gott geltenden Gott wie z. B. Zeus in der griechischen Mythologie [bzw. seiner römischen Entsprechung Jupiter] oder Odin in der nordischen Mythologie), die über die ganze Dauer der antiken ägyptischen Religion und allgemein vertreten wird. Je nachdem, von welcher Priesterschaft Texte stammen, können Abweichungen in Rang und Ursprünglichkeit vorkommen.

Zu unterschiedlichen Zeiten hatten nacheinander verschiedene Götter eine herausragende Stellung. Sehr kurzzeitig (Amarnazeit) war dies offiziell Aton, womit eine monotheistische bzw., henotheistische Tendenz auftrat.

In der Frühzeit war vielleicht Horus als falkengestaltiger Himmelsgott ein Hauptgott, seit der 4. Dynastie der Sonnengott Re (bzw. in anderer Transkription Ra), dann im Mittleren Reich Amun, später die Verbindung Amun-Re.

Insgesamt war wohl nach Zeitdauer und Ausmaß der Verehrung Re der bedeutendste ägyptische Gott. Es gibt mehrere Götter, die als selbsterschaffen bzw. aus sich selbst entstanden bezeichnet werden.

Es gibt mehrere Schöpfungslehren (Theogonie und Kosmogonien), z. B. eine verbreitete von einem Urgewässer und einem Urhügel, die Achtheit von Hermopolis, die Neunheit von Hieropolis, die Theologie von Memphis.

Es gibt mehr als einen Urgott (Gott einer Urzeit, bevor die Welt geschaffen ist) und einen Schöpfergott.

Zu Amun hat es eine Vorstellung als Schöpfergott gegeben. Griechen galt er als Zeus (Herodot 2. 42; Plutarch Πεϱὶ Ἴσιδος καὶ Ὀσίϱιδος [Peri isidos kai osiridos; Über Isis und Osiris: lateinischer Titel: De Iside et Osiride] 9 [Ἠθικά/Moralia 354 c- d]).

Zu Re hat es auch eine Vorstellung als Schöpfergott gegeben, besonders durch eine Gleichsetzung mit dem Urgott Atum. Re ist teils der von selbst entstandene Gott, teils gilt das Urgewässer Nun als sein Vater. Re ist Allgott, Urgott, Schöpfergott, Götterkönig, Rechtsgott, Königsgott und Totengott.

Albrecht  13.03.2015, 09:58

Wolfgang Helck/Eberhard Otto, Kleines Lexikon der Ägyptologie. Bearbeitet von Rosemarie Drenkhahn. 4., überarbeitete Auflage. Wiesbaden : Harrassowitz, 1999, S. 104 – 106 (Gott)

S. 105 – 106: „Neben der Variabilität der Gestalt als Erinnerung der Vorzeit haftet den Göttern eine ebenso große Variabilität des Wesens an, ein denkbar geringer Persönlichkeitswert. Die Mächtigkeit, die in einem G. wohnt, kann auch in anderen Gestalten einwohnen und die Gestalt, die Hülle der Mächtigkeit ist, kann auch, sofern für den Ägypter eine innere Verwandtschaft besteht, eine andere Mächtigkeit aufnehmen. Der stiergestaltige Fruchtbarkeitsgott kann alle Fruchtbarkeitsmächtigkeit auf sich ziehen. In einem Götterkönig wie *Amun beispielsweise kann schlechthin alle herrscherliche und schöpferische Gewalt einziehen und schafft dem Gott auch neue, z. T. tierische Erscheinungsformen. Im Schaffen solcher Erweiterungen und Angleichungen liegt das grenzenlose Wirkungsfeld der Theologie. Außer *Osiris hat kaum ein äg. Gott ein ihm eigentümliches, persönlichkeitsprägendes Schicksal.

Die Austauschbarkeit der Gestalt und die Konturlosigkeit des Wesens bestimmen den Gottesbegriff als historische Erscheinung und nötigen uns, die jeweils vorherrschende Seite mit Vorsicht zu kennzeichnen. Für das AR wird man den Begriff des Welt-Herrscher-Gottes als dominierend anerkennen, des G., der die Welt geschaffen hat und regiert und als dessen Verkörperung (seit der 5. Dyn. als dessen Sohn) der König gilt. Hier sind vor allem die Götter *Horus, *Re, am Ende auch *Ptah zu nennen, die diesen Typ am reinsten darstellen. Zwischen AR und MR schob sich die Gestalt des uralten, heliopolitanischen Schöpfergottes *Atum in den Vordergrund, auch er ein Schöpfergott, aber sein Wirken liegt vor dem Beginn der Welt, seine Gestalt steht hinter den Erscheinungen (nicht mehr mitten unter ihnen) und seine Schöpfung trägt menschheitsbezogenen Charakter (*Schöpfung). *Amun-Re, der Götterkönig des NR, ist von seinem Ursprung bis zu seinem Ende der Gott des Weltreiches gewesen, mit dem er steht und fällt. Aton, den AMENOPHIS IV. als einzigen Gott gegen ihn zu stellen suchte, repräsentierte zwar einen uns mächtig erscheinenden Schritt in Richtung auf einen monotheistischen Gottesbegriff, krankte aber gerade deshalb an den Ägyptern unerträglichen Einseitigkeiten.“  

AR = Altes Reich, Alte Reich  

MR = Mittleres Reich  

NR = Neues Reich, Neuen Reiches  

G. = Gott, Gottes  

Dyn. = Dynastie

S. 244 – 245 (Re)

S. 244: „So sehr auch die Sonne in den meisten theologischen Systemen eine beherrschende Rolle spielt, scheint Re als Gott verhältnismäßig spät (Beginn des AR) und allmählich in seine späterhin universale Rolle als Götterkönig hineinzuwachsen (*Gott).“

„Erst in der 5. Dyn. hat er die unumschränkte Herrschaft als Königs- und Weltgott erreicht: Ihre Könige stammen von ihm ab und ehrten ihn durch die Erbauung von Sonnenheiligtümern.“

S. 245: „Mit Re und seinem Namen verbinden sich zahlreiche Götter des Landes. Aber die durch die Namensverbindung ausgedrückte Angleichung (Month-Re, Sobek-Re, Chnum-Re) bedeutet in der Sprache der äg. Theologie, daß alle diese Götter unbeschadet der ihnen eigentümlichen Gestalt und Geltung auch als Erscheinungen des allmächtigen Sonnengottes zu gelten habe. Wenig Götter besaßen Eigenständigkeit genug, um der Anziehungskraft des Re zu entgehen; so vor allem *Osiris, der sich stets in offenem oder verborgene, Gegensatz zu Re befand und der memphitische Hauptgott Ptah. Am mächtigsten zog die gesamte religiöse und theologische Wertigkeit des Re der spätere Reichsgott *Amun auf sich (seit MR).“

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Albrecht  13.03.2015, 10:02

Ian Shaw/Paul Nicholson, Lexikon des alten Ägypten. Aus dem Englischen Übersetzt von Ingrid Rein und Marianne Schnittger. Stuttgart : Reclam, 2010, S. 50 – 52 (Amun, Amun-Re)

S. 50: „Amun, Amun-Ra. Einer der bedeutendsten Götter des äg. Pantheons, dessen Tempel in KARNAK die am besten erhaltene Kultanlage des NR ist. Eine erste Erwähnung findet der Gott (zusammen mit seiner Gemahlin Amaunet) in den PYRAMIDENTEXTEN der 5. Dyn., doch die frühesten ihm allein geweihten Tempel scheinen sich im Gebiet von THEBEN befunden zu haben, wo er spätestens ab der 11. Dyn. Als Ortsgottheit verehrt wurde. A.s Aufstieg zu seiner Vorrangstellung war eine direkte Folge der Vorherrschaft der theb. Fürsten seit Mentuhotep II. (2055 – 2004 v. Chr.), da Politik und Religion im alten Ägypten sehr eng verbunden waren. In de Sedfest-Kapelle SENWESERETS I. (1965 – 1920 v. Chr.) wird er in einer Inschrift als «der König der Götter») bezeichnet, und unter den Ptolemäern galt er als äg. Entsprechung des Zeus.“

S. 50 – 51: „A. Kematef («der seinen Augenblick vollendet hat») war ein Schöpfergott, der sich in Gestalt einer sich häutenden Schlange selbst zu neuem Leben erwecken konnte.“ S. 51 – 52: „Der große Einfluß A.s auf die äg. Religion während fast der gesamten dyn. Zeit erklärt sich z. T. aus seiner Verbindung mit anderen mächtigen Gottheiten wie RA, dem Sonnengott, der im Pantheon des AR die beherrschende Figur gewesen war. Unter der Schirmherrschaft des A-RA, der theb. Manifestanten des Sonnengottes, dehnte sich das äg. Reich bis nach Afrika und in die Levnate aus.“  

äg. = ägyptische(ns)  

NR = Neues Reich, Neuen Reiches  

theb. = thebanischen  

A. = Amunz. T. = zum Teil  

Ar = Altes Reich, Alten Reiches  

dyn. = dynastischen

S. 364 – 365 (Ra)S. 365: „In seiner Manifestation als Schöpfergott nannte man den Sonnengott Atum-Ra;“

Eberhard Otto, Amun. In: Lexikon der Ägyptologie. Begründet von Wolfgang Helck und Eberhard Otto. Herausgegeben von Wolfgang Helck und Wolfhart Westendorf. Redaktion: Erika Feucht. Band 1: A - Ernte. Wiesbaden : Harrassowitz, 1975, Spalte 237 – 248

Spalte 243: „Bereits seit der 12. Dyn. trägt A. die entscheidenden Titel, die ihn als Königsgott auszeichnen: „A. an der Spitze von Karnak, Herr der Throne der beiden Länder“, „A.-Re, König der Götter“ […], „Oberhaupt der Götter“ […], oder „König“ (*König als Göttertitel) […].“  

Dyn. = Dynastie  

A. = Amun

Spalte 243 – 244: „Das theologische Denken hat sich natürlich mit diesem bedeutenden Gott, dessen Name zudem zu Spekulationen einlud, vielfach beschäftigt, einmal in der Richtung, daß es seine Mächtigkeit als Herrscher und *Schöpfergott immer weiter ausbaute, sodann in dem Sinne, daß die in der Zeit wechselnden Formen des Glaubensdenkens besonders in der Theologie dieses Gottes sich ausdrückten. Seit dem MR wurde A. mit zwei Göttern in enge Beziehung gesetzt: Mit dem Gott *Min als Fruchtbarkeitsgott (*Götter, Fruchtbarkeits-) teilte er die äußere Erscheinungsform; es entstand aus der Verbindung eine besondere Gottesform A.-Min-Kamutef, das Prinzip des sich selbst und alle Wesen erzeugenden Schöpfers; ebenso alt ist die Verbindung A.-Re, d. h. A., der zugleich die Mächtigkeit des Sonnengottes in sich aufgenommen hat (z. B. Kairo, CG 2035, 207544).“  

MR. = Mittleres Reich, Mittlerem Reich  

d. h. = das heißt

László Kákosy, Atum. In: Lexikon der Ägyptologie. Begründet von Wolfgang Helck und Eberhard Otto. Herausgegeben von Wolfgang Helck und Wolfhart Westendorf. Redaktion: Erika Feucht. Band 1: A - Ernte. Wiesbaden : Harrassowitz, 1975, Spalte 550 – 552

Spalte 550: „Er wird „Vater der Götter“ genannt. Er war allein im *Urgewässer.“

Spalte 551: „Seit den *Pyramidentexten wird A. mit *Re identifiziert. Später wird der Gott auch A. (Herr der beiden Länder und Heliopolis)-Re-*Harachte genannt.“  

A. = Atum

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Albrecht  13.03.2015, 10:04

Wolfgang Barta, Re. In: Lexikon der Ägyptologie. Begründet von Wolfgang Helck und Eberhard Otto. Herausgegeben von Wolfgang Helck und Wolfhart Westendorf. Band 4: Pyramidenbau - Steingefäße. Redaktion: Christine Meyer. Redaktionsassistenz: Robert Schlichting. Wiesbaden : Harrassowitz, 1984, Spalte 156 – 180

Spalte 158: „Nach Dauer und Intensität seiner Geltung ist R. wohl der bedeutendste Gott Ägyptens gewesen.“

Spalte 158 – 159: „Ebenfalls über seine Verbindung mit Atum wurde R. zu einem Gott, der die Urschöpfung beim Weltbeginn vollbracht hat. Er gilt sowohl als Schöpfer Himmels und der Erde[…] wie auch als derjenige, der die Götter bzw. die Großen schuf. Er wird auch Vater der Götter genannt.“  

R. = Re

Jan Assmann, Schöpfergott. In: Lexikon der Ägyptologie. Begründet von Wolfgang Helck und Eberhard Otto. Herausgegeben von Wolfgang Helck und Wolfhart Westendorf. Band 4: Pyramidenbau - Steingefäße. Redaktion: Christine Meyer. Redaktionsassistenz: Robert Schlichting. Wiesbaden : Harrassowitz, 1984, Spalte 676 – 677

Spalte 676: „Schöpfergott ist eine Rolle, die in der äg. Theologie von mehreren Göttern gespielt werden kann, allen voran von *Re, *Ptah und *Chnum.“

Hermann A. Schlögl, Das alte Ägypten : Geschichte und Kultur von der Frühzeit bis zu Kleopatra. Mit Photographien von Regine Buxtorf und Michael Reichelt. München : Beck, 2006, S. 37:  

„Neben diesem Polytheismus, der später zu einem Kosmotheismus (Vergottung der Welt) führte, wie Jan Assmann es formulierte, bestand schon früh auch die Vorstellung von einem großen einzigartigen Gott, mit welchem meist der Sonnengott Re identifiziert wurde. Allerdings konnte diese Einzigartigkeit auch auf andere göttliche Wesen übertragen werden, etwa auf den Gott Ptah (Name nicht deutbar), auf Thot («der Bote»), den Aktuar der Götter und Herrn der Wissenschaft, oder auf Amun («der Verborgene»), welcher seit dem Beginn des 2. Jahrtausends an der Spitze des ägyptischen Pantheons stand.“

S. 43: „Aus diesem wichtigen religiösen Text, dem sogenannten Denkmal memphitischer Theologie, erfahren wir, daß Ptah durch Gedanken und Worte nicht nur die Götter und die Welt, sondern auch die Menschen erschaffen habe.“

S. 44: „Zu den höchsten Göttern des Landes gehörte der Sonnengott Re, und zwar zweifelsfrei bereits seit der zweiten Hälfte des 3. vorchristlichen Jahrtausends. Seine Bedeutung wird dadurch unterstrichen, daß sich jeder König seit der 4. Dynastie in seiner Titulatur als «Sohn des Re» bezeichnete. Re war der Schöpfergott schlechthin, der Erhalter der Welt, und eine der bedeutendsten religiösen Vorstellungen im Alten Ägypten besagte, daß der Sonnengott mit seiner Begleitung den Himmel am Tage in einer Barke durchfahre.“

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ich glaube das war der sonnengott ra, oder?