Welche altertümliche und reliktartige Merkmale besitzt der Tapir?

3 Antworten

Ach, ich wusste es und Wiki hat mir Recht gegeben, es ist die Zahnformel! Ich zitiere:

"Das Gebiss der Tapire ist kaum reduziert und ähnelt dem der frühen Säugetiere. Erwachsene Tiere weisen folgende Zahnformel auf: 3.1.4.3 (Bruchstrich) 3.1.3 ( 4 ) .3 , insgesamt sind also 42 bis 44 Zähne vorhanden."

Und dann steht da auch noch folgendes:

"Stammesgeschichtlich sind die Tapire im Vergleich zu anderen Säugern eine durchaus alte Familie. Ein früher Vorläufer tapirartiger Tiere könnte sich in der Gattung Hyrachyus aus dem Frühen und Mittleren Eozän finden. Vor allem in der Grube Messel ist ein vollständiges Skelett aus der Zeit von vor rund 44 Millionen Jahren überliefert, Fossilreste wurden aber sowohl in Europa als auch in Nordamerika gefunden. Aufgrund der sehr ursprünglichen Gestaltung des Skelettbaus wird die Gattung von einigen Experten je nach Auffassung an die Basis einerseits der Überfamilie der Tapiroidea, andererseits der Überfamilie der Rhinocerotoidea gestellt."

bandarine 
Fragesteller
 26.01.2021, 22:34

DANKE

ist es jetzt auf den Tapir bezogen nur die Zahnform? Was ist mit dem Rüssel und dem Gehirn?

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Kokossnoss  26.01.2021, 23:01
@bandarine

Zahnformel, nicht Zahnform. Siehe oben.

Der Rüssel ist eine Entwicklung *in progress* mit *new feature* Drehfunktion, wobei der Tapir den Gesichtsschädel umgebaut/ reduziert hat, um der ganzen Rüssel-Muskelgeschichte im Gesicht Raum zu schaffen, aber fossile Tapire hatten auch schon Rüssel und reduzierte Gesichtsschädel. Da hat also schon Evolution stattgefunden in den letzten 44 Mio Jahren, weil der Rüssel verbessert wurde.

ABER: Was dann aber wieder für das lebende Fossil spricht, ist, dass andere Rüsselbesitzer ihren Schädel viel stärker umgebaut haben, zum Beispiel Elefanten und Elefantentanten und Verwandten (mit denen keinerlei Tapir-Verwandschaft besteht. Tapir = laurasiatheria/ elefant = afrotheria)

Also ist der Tapir da ein bisschen langsam, aber dafür kann sein Rüssel sich auch seitlich drehen. Er hat sehr viel Leidenschaft in die Perfektionierung des Rüssels gesteckt und sonst in nichts. Ein Rüssel ist nur kein ursprüngliches Säugetiermerkmal. Außerdem, wenn man andere lebende Fossilien wie Quastenflosser betrachtet, ist der Tapir ein junger Hüpfer.

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bandarine 
Fragesteller
 27.01.2021, 00:19
@Kokossnoss

Warum soll das :

"ABER: Was dann aber wieder für das lebende Fossil spricht, ist, dass andere Rüsselbesitzer ihren Schädel viel stärker umgebaut haben, zum Beispiel Elefanten und Elefantentanten und Verwandten (mit denen keinerlei Tapir-Verwandschaft besteht. Tapir = laurasiatheria/ elefant = afrotheria)"

dafür sprechen, dass der Tapir ein lebendes Fossil ist?

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Kokossnoss  27.01.2021, 00:43
@bandarine

Er ist eben langsamer. Wie definieren wir "lebendes Fossil"?

Kein "lebendes Fossil" hört auf, sich zu entwickeln. Die entwickeln sich nur langsamer oder sind in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal perfekt angepasst. Aber selbst wenn sich der Schädel 50 Millionen Jahre lang gar nicht ändert oder wenn sich überhaupt nichts anatomisches ändert (das passiert so nicht, es ändern sich immer Details) dann haben die vielleicht eine völlig andere Art von Hämoglobin oder Fortpflanzungsapparat oder Sozialverhalten, was wir nicht im Fossilbericht sehen. Das Genom mutiert trotzdem.

Wenn ich einen Tapir mit einer Zeitmaschine 2 Millionen Jahre in die Vergangenheit schicke, kann der sich nicht mehr mit einem anderen Tapir paaren, die sind schon genetisch zu verschieden, auch wenn man es nicht sieht. "Lebendes Fossil" ist ein polulärwissenschaftlicher Begriff. Das sagen Wissenschaftler so nicht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Lebendes_Fossil

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Tapire gehören, zusammen mit den Nashörnern und den Pferden, zu der heute sehr artenarmen Säugetiergruppe der Unpaarhufer (Perissodactyla, oft auch Mesaxonia genannt). Die Unpaarhufer waren früher einmal eine sehr viel artenreichere und sehr erfolgreiche Säugetiergruppe. Heute gibt es nur noch vier (eventuell fünf) Tapirarten, fünf Nashornarten und sieben Arten der Pferde (zum Vergleich: es gibt etwas über 200 verschiedene Paarhuferarten, die Wale (Cetacea) nicht mitgerechnet), von denen fast alle gefährdet, bedroht oder sogar vom Aussterben bedroht sind. Viele bezeichnen die Unpaarhufer deshalb als eine "aussterbende Tiergruppe".

Als "lebende Fossilien" bezeichnet man heute lebende Arten, die eine Reihe ursprünglicher (plesiomorpher) Merkmale aufweisen und daher mit ihren längst ausgestorbenen Vorfahren viele Gemeinsamkeiten haben. Haie z. B. gibt es seit dem Devon, seit fast 400 Mio. Jahren! Während dieser Zeitspanne hat sich der Körperbau der Haie fast nicht verändert. Obwohl selbstverständlich keine der heutigen Haiarten schon im Devon existiert hat, weist ihr Körperbau große Ähnlichkeit mit den frühen devonischen Haiformen auf. Auch Tapire besitzen eine Reihe von Merkmalen, die sehr ursprünglich sind:

  • die Zahnformel ist die ursprüngliche Zahnformel der Placentalia: I3/3, C1/1, P4/3(4), M3/3 = 42 bis 44 Zähne. Die Gebisse der anderen Unpaarhufergruppen sind hingegen reduziert. Den meisten weiblichen Pferden fehlen z. B. die Eckzähne (Hengstzähne), etwa einem Drittel der Pferde fehlen auch die ersten Prämolaren. Sumatra-Nashörner haben nur 34, Breitmaulnashörner sogar nur 26 Zähne.
  • die frühesten bekannten Vertreter der Tapire sind rund 50 bis 44 Mio. Jahre alt (frühes Eozän). Abgesehen davon, dass die ersten Tapire deutlich kleiner waren (die Gattung Homogalax wog nur etwa 10 kg), sehen die heute lebenden Arten fast genauso aus wie diese frühen Formen.
  • Das Gebiss der Tapire besteht aus niederkronigen Zähnen, die zum Zerkauen weicher Pflanzennahrung (Blätter, Folivorie) gut geeignet ist. Bereits die frühen Tapirvertreter waren folivor. Bei Pferden hat sich hingegen aus dem ursprünglichen niedrigkronigen Gebiss bei den heute lebenden Arten ein hochkroniges Gebiss entwickelt, das zum Zermahlen der silikatreichen Gräser geeignet ist).
  • Tapire haben vorn vier, hinten drei Zehen, Nasörner vorn drei bis vier und hinten drei Zehen, Pferde vorn wie hinten nur noch je eine Zehe.
  • Tapire zeigen darüber hinaus eine reine Gondwana-Verbreitung: man findet sie nur auf Landteilen des ursprünglichen südlichen Urkontinents Gondwana im heutigen Südamerika und in Südostasien. Allerdings sind fossile Tapirvertreter auch aus anderen Erdteilen (z. B. auch der Grube Messel in Deutschland) bekannt und der Ursprung der Unpaarhufer liegt auch nicht auf Gondwana, sondern dem früheren Nordkontinent Laurasia (das heutige Nordamerika und Eurasien).
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Mir ist weder die Tatsache, dass sie als lebende Fossil gelten, bekannt, noch sehe ich Gründe, warum sie solche sein sollten.

Kokossnoss  27.01.2021, 00:51

Die Zahnformel ist sehr ursprünglich und wenn ich jetzt ein Paläontologe wäre, dann würde ich vielleicht auch noch mit Fußwurzelknochen aufrocken oder was es da so gibt, aber das ist einfach nicht mein Gebiet. Sie gelten als lebende Fossilien, aber das ist kein klar definierter Begriff.

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ThomasJNewton  27.01.2021, 01:00
@Kokossnoss

Tapire sind Unpaarhufer und haben sich vor vielleicht 60 Mio Jahren von den Pferden abgespalten, vor vielleicht 50 Mio Jahren von den Nashörnern. Anpassungen von Pferden und Nashörnern macht ursprüngliche Merkmale der Tapire nicht zu Relikten. Man sollte solche Begriffe, so spanned sie sein mögen, nicht inflationär verwenden.

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Kokossnoss  27.01.2021, 01:07
@ThomasJNewton

Ich glaube, es geht darum, dass die Pferde und Nashörner damals Tapir-artig aussahen und sich stärker verändert haben und wir Kladen ohne nennenswerte anatomische Veränderungen eben so bezeichnen.

Vermutlich geht es um eine Hausaufgabe hier und nicht um eine Doktorarbeit, darum lasse ich mal fünfe grade sein. Der Tapir ist ein "Relikt" und die Zahnformel ist ein sehr ursprüngliches Säuger-Merkmal.

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ThomasJNewton  27.01.2021, 01:17
@Kokossnoss

Ich bin da eher auf dem Trip, den Schülern unterzujubeln, dass in der Schule oft über das erträgliche Maß hinaus vereinfacht wird. Ich würde solche ursprünglichen Merkmale einfach als ursprünglich bezeichnen. Ein Flusspferd ist ja auch kein Relikt, nur weil die Verwandten inzwischen die Ozeane bevölkern.

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Kokossnoss  27.01.2021, 01:40
@ThomasJNewton

Es ist nun mal so, dass neueste wissenschaftliche Erkenntnisse nur sehr langsam in die Schulbücher Einzug halten. Und in die Lehrpläne. Vermutlich sind die Bio-Bücher der Realschulen von 1990. Sogar in der Wissenschafts-Community sprechen sich Neuigkeiten nur langsam herum. Ewiggestrige halten sich ewig. Wichtig ist doch eigentlich nur, dass junge Menschen sich für all die faszinierenden Tiere begeistern, die es ja bald nicht mehr gibt, wenn wir so weiter machen. Relikt hin oder her, die Hauptsache ist, dass es in 30 Jahren noch Flusspferde gibt. :)

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Darwinist  27.01.2021, 17:13

Deine Kritik ist sicher nicht ganz unberechtigt, würde aber den Begriff "lebendes Fossil" ad absurdum führen. Streng genommen ist ja kein heute lebendes Geschöpf wirklich ein lebendes Fossil. Selbst die klassisch als "lebendes Fossil" bezeichneten Haie sind allesamt vergleichsweise junge Arten. Keine einzige der heute lebenden Haiarten hat schon im Devon existiert, als die Haie erstmals auftraten.
Ihr Körperbau hat sich aber seitdem nur wenig verändert und weist noch viele plesiomorßhe Merkmale auf. Diese Ähnlichkeit macht Haie zu "lebenden Fossilien". Und genau das trifft auf den Tapir ebenfalls zu. Tapire weisen unter allen Unpaarhufern, also neben Tapiren auch die Pferde und die Nashörner, die ursprünglichsten Merkmale der frühen Mesaxonia auf, z. B. das sehr ursprüngliche Gebiss oder den Bau die Fuß- und Handwurzelgelenke etc. Darüber hinaus zeigen die Tapire auch eine Lehrbuch-artige typische Gondwana-Verbreitung, denn es gibt sie nur in Asien und Süd- und Mittelamerika.

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