Was wollte Ringelnatz (1883- 1934) mit seinen Versen ausdrücken? "Ein Rauch verweht, ein Wasser verrinnt, eine Zeit vergeht, eine neue beginnt"?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Plawöpfchen!
Das ist eine für mich recht schwierige Frage! Ich habe mich über Ringelnatz erst etwas kundiger machen müssen. Nach meinem ersten, oberflächlichen Eindruck schrieb er sog. "groteske Unsinnpoesie", was mir der Zweifel aufkommen lässt, dass das obige Zitat exakt den Inhalt hat, den man aus den Worten schliessen kann, nämlich:

"Ein Rauch verweht, ein Wasser verrinnt, eine Zeit vergeht, eine neue beginnt"

Rauch ist vergänglich. Wasser, welches verrinnt, ist ebenfalls unwiederruflich weg, eben so die Zeit, die vergeht. - Aber eine neue Zeit beginnt.

Diese neue Zeit ist in dieser Aufzählung das einzige, was stets von neuem entstehen kann.

Es wäre interessant zu wissen, zu welcher Zeit er die Zeilen schrieb und ob man sie ihn allenfalls eine Hoffnung auf eine neue Zeit nach der nationalsozialistischen hoffen lies. Wenn er die Zeilen zwischen 1933 und seinem Tod schrieb, wäre exakt das wohl der Kern er Aussage. Ist aber meinerseits spekulativ.

Liebe Grüsse, M.

PS: Am Samstag habe ich mir "das Blaue Buch" von Erich Kästner gekauft! Konnte es erst gestern in ein paar Seiten überfliegen, aber ich schätze mal, dass dieses Buch auch zu jenen gehört, die man unbedingt gelesen haben sollte!

iQPlawopf 
Fragesteller
 17.04.2018, 07:59

Lieber tenno,

Ringelnatz hat diese Verse 1933 geschrieben unter der Überschrift Mißmut.

https://de.wikisource.org/wiki/Mi%C3%9Fmut

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tenno5034  17.04.2018, 08:29
@iQPlawopf

Hallo und guten Morgen!
Ja, dann schrieb er es gewiss in der Hoffnung, dass es eine Zeit nach der Braunen geben möge. Er war schon ein präziser Denker aber musste halt leider seine Gedanken verklausulieren. Das macht es aber um so schöner, ihn zu lesen. Man muss mitdenken - wann schrieb er es, in welcher Verfassung und unter dem Druck welchen Zeitgeistes?
Liebe Grüsse, M.

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Ich sehe es so, er will damit sagen, alles ist vergänglich, was auch passiert, nach einer Zeit wird etwas Neues kommen, und das gibt dann wieder Hoffnung auch wenn es traurige Momente gegeben hat. Sie sind also im Rauch verweht, im Wasser verrinnt und diese Zeit ist vergangen.

Mißmut

Joachim Ringelnatz

Ein Rauch verweht.

Ein Wasser verrinnt.

Eine Zeit vergeht.

Eine neue beginnt.

Warum? Wozu?

Denk' ich dein Fleisch hinweg, so bist

Du ein dünntrauriges Knochengerüst,

Allerschönstes Mädchen du.

Wer hat das Fragen aufgebracht?

Unsere Not.

Wer niemals fragte, wäre tot.

Doch kommt's drauf an, wie jemand lacht.

Bist du aus schlimmem Traum erwacht,

Ist eine Postanweisung da,

Ein Telegramm, ein guter Brief, -

Du atmest tief

Wie eine Ziehharmonika.

Du meinst einzig mit den ersten 4 Versen?
Würde sagen,
"Alles ist im Fluss"
oder auch
wie es Heraklit (Ovid) sagte: "panta rhei" (alles fließt).

Heraklit vergleicht das Leben (Werden, Sein und Vergehen) mit einem Fluss bzw. erklärt es anhand eines Flusses und dessen Art und Weise.
Und Ringelnatz beschreibt auch so eine Art Stirb-und-Werde-Prinzip bzw. spricht von der Einheit aller Dinge anhand von Beobachtungen, die er aufzählt, eben ähnlich wie Heraklit, also zumindest meiner Ansicht nach.

Ringelnatz wollte seiner schwindenden Hoffnung Ausdruck verleihen, weil ihm am frühen Montagmorgen schlagartig bewusst wurde dass er seine Hausaufgaben doch besser schon am Wochenende erledigen hätte können.

Gleichzeitig nahm er sich für die Zukunft vor, es anders zu machen, wohlwissend dass es am kommenden Wochenende erneut so laufen würde wie all die Jahre zuvor.

Es ist also letztendlich eine Oder an die Prokrastination.

Ich interpretiere es so, dass du alles (soweit) halten oder erhalten kannst. Verpasst du die Chance, ist es ein Ende. Jedoch jedes Ende hat einen neuen Anfang. Aus den Fehlern von damals lernen und künftig besser machen. Somit hättest du statt Rauch Feuer, aus einem Rinnsal ein Fuß und die Zeit wurde nicht verschwendet.