Was wäre, wenn es etwas gäbe, das es uns ermöglichen würde, die wahre Essenz unserer Realität so zu erfahren, wie wir wirklich sind?

13 Antworten

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Eine sehr interessante Frage.

Diese Frage kann man auf 2 Ebenen verstehen.

Die Erste wäre, wie die Welt ohne unsere Sinnesverzerrung aussieht. Also bevor "Welt" in menschliche "Sinneseindrücke" umgewandelt wird.

Die Zweite wäre, wie die Welt wie wir sie als Menschen wahrnehmen ohne jegliche interpretation aussehen würde. Natürlich trotzdem noch durch unsere begrenzten Sinne verzerrt, aber davon abgesehen dann 100% rein und ohne jegliche interpretation.

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Wenn du das Erste meintest:

Das ist zwar nur eine Idee, aber ich denke nicht, dass unsere Existenz eine von Organismen unabhängige, absolute Erscheinung besitzt. Denn was du hiermit fragst ist: "Wie sieht der Baum aus, bevor wir ihn in eine visuelle Repräsentation umwandeln?". Das Bild des Baumes entsteht erst im Kopf des jeweiligen Organismus. Doch für uns sieht der Baum anders aus als für eine Fliege oder gar einer Fledermaus.

Macht ein fallender Baum auch ein Geräusch, wenn keiner hinhört?

Das Phänomen Klang ist hier genauso das Produkt von Welt und Organismus. Klang entsteht im Gehirn. Ohne Gehirn existiert nur unbestimmte Energie.

Ich denke daher dass es keine absolute Realität gibt und dementsprechend jede Wahrnehmung von welchem Organismus auch immer korrekt ist.

Ich denke mit der Realität verhält es sich ähnlich wie mit einem Klavier. Alle Töne stehen potentiell zur Verfügung, doch um eine Melodie zu spielen, benötigt es einen Pianisten und ein ganz spezielles Muster. Jeder Organismus steht hierbei für eine bestimmte Melodie, und das spielen der Melodie entspricht dann der endgültigen Konstruktion als wahrnehmbare Realität.

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Wenn du das Zweite meintest:

Hier müssen wir tatsächlich nicht mehr philosophieren. Es gibt Bewusstseinszustände, in welchen man genau das erfahren kann. Denn womit genau interpretieren, analysieren, kategorisieren und verstehen wir denn unsere Umwelt? Genau, mit Sprache.

Wenn wir es also schaffen sollten in einen Zustand zu kommen, in welchem das sprachliche Erfassen der Umwelt für kurze Zeit deaktiviert wird, dann würde pure sinnliche Wahrnehmung nicht mehr durch den Filter der Sprache und Persönlichkeit eingefärbt und reduziert, sondern reine Welt absolut rein wahrgenommen werden. Dafür gibt es auch einen Begriff - "Thatness", bzw auf deutsch "Istigkeit".

Und wie sie dann aussieht? Tatsächlich immernoch ganz genauso wie davor. Allerdings lässt sich nicht sagen, wie sie aussieht. Sie hat dann nämlich kein bestimmtes, definiertes bzw. beschreibbares Aussehen mehr. Was du hier jetzt versuchst ist, etwas auf sprachlicher und intellektueller Ebene zu erfassen, dass sich erst zeigt, wenn genau diese Funktion des Erfassens außer Kraft gesetzt wurde.

Jetzt möchtest du etwas, das nicht mehr kategorisiert oder definiert wird, wieder kategorisieren und definieren. Auf diese Weise würdest du nur eine weitere Verzerrung verursachen und Welt wieder nicht mehr rein wahrnehmen, sondern nur durch eine Interpretation dieser.

Auf die Frage: "Wie würde Welt ohne unsere persönlichen und sprachlichen Verzerrungen aussehen?", müsste man daher antworten: "Sie würde nicht mehr auf eine bestimmte Weise aussehen. Sie sieht aus wie sie aussieht. Allerdings wäre jeder verständnisversuch nur eine weitere Verzerrung, ein konstruiertes Abbild der Wirklichkeit."

Wenn wir die gesamte Realität des Universums wahrnehmen würden, würden wir gar nichts wahrnehmen. Das Universum als Ganzes enthält null Information. Nur weil wir einen Teil des Universums nicht sehen, scheint uns, als wäre da etwas.

Siehe dazu: Philipp Wehrli, 'Das Universum, das Ich und der liebe Gott'.

Gäbe es denn ein "wir"? Wenn wir völlig objektiv sind fehlen uns ja die Gefühle un zu beschreiben was wir fühlen, denn die machen unsere Persönlichkeit aus.

„Noch etwas habe ich unter der Sonne gesehen: dass nicht immer die Schnellen das Rennen gewinnen noch die Starken die Schlacht noch dass die Weisen immer zu essen haben noch die Klugen immer Reichtum noch die mit viel Wissen immer Erfolg – denn Zeit und unerwartete Ereignisse treffen sie alle.“ (Prediger 9:11)

Auch dann würde ein Baum für uns wohl immer noch wie ein Baum aussehen.