Was sagt die letze Strophe des Gedichts ,,Am 31sten März 1815" aus?

4 Antworten

Hallo Beppo001!

Was meint Deine Lehrerin mit "neue Liebe"? Eine Erneuerung der Liebe? Dem könnte man zustimmen. Aber in dem ganzen Gedicht ist nie die Rede von einer weiteren Person, sondern nur von der Sehnsucht nach der einen Person und der (vergangenen) Liebe.

Dass es nicht um eine neue Liebe geht (im Sinne einer anderen Person), macht die dritte Strophe ganz deutlich:

"Nicht alle Blüthen sind mir gleich,

Am liebsten pflückt' ich von dem Zweig,

Von welchem sie gepflückt."

Der Konjunktiv in der letzten Strophe drückt genau dieses Sehnen aus, das so typisch für die Romantik ist.

Ich würde also eher Deiner Lesart zustimmen und hoffe, Dir ein paar Argumente geliefert zu haben.

Gruß Friedemann

Natürlich muss man sich den Kontext ansehen. Die beiden letzten Strophen lauten:

Es wandeln nur sich Will' und Wahn,

"Es wechseln Lust und Streit;

Vorüber flieht der Liebe Glück,

Und nur die Liebe bleibt zurück,

Die Lieb' und ach, das Leid!"

O wär' ich doch das Vöglein nur

Dort an dem Wiesenhang,

Dann blieb' ich auf den Zweigen hier

Und säng' ein süßes Lied von ihr

Den ganzen Sommer lang.

Das lyrische Ich teilt mit, dass das Glück der Liebe verschwunden ist.

Jetzt wünscht es sich, es wäre ein Vogel. Das ist aber ein unerfüllbarer Wunsch. Deshalb steht Konjunktiv II, der Irrealis.

Weil es kein Vogel ist, bleibt es nicht auf den Zweigen und singt kein süßes Lied mehr.

Prinzipiell darf jeder Leser von Dichtung einen Text so verstehen, wie er will. Nur in der Schule, wo man das Verstehen noch übt, muss man nachweisen, dass man einen Konjunktiv erkennen kann. Und wenn man ihn erkannt hat, ist es sehr schwer, bei deiner Meinung zu bleiben.

Das ist das Ärgerliche am Lernen in der Schule. Aber aus Erfahrung lernen kann noch viel schmerzhafter sein. So, wenn man sich verliebt hat und die Liebe vergeht.

Dann geht es einem wie dem Paar bei Kästner, denen die Liebe abhanden gekommen ist wie Stock und Hut.

Dann lebt man entweder ohne Liebe zusammen oder sucht für die Liebe ein neues Objekt. - Besser aber ist es, wenn beide sie wieder finden. Leicht ist das aber nicht, sondern viel schwerer als Gedichte zu interpretieren.

Als sie einander acht Jahre kannten

(und man darf sagen: sie kannten sich gut),

kam ihre Liebe plötzlich abhanden.

Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,

versuchten Küsse, als ob nichts sei,

und sahen sich an und wußten nicht weiter.

Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.

Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier

und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.

Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort

und rührten in ihren Tassen.

Am Abend saßen sie immer noch dort.

Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort

und konnten es einfach nicht fassen.

Beppo001 
Fragesteller
 09.05.2018, 22:19

Kannst du mir bitte erklären, aus welchem Grund es sehr schwer ist bei meiner Meinung zu bleiben? Dass es im zweiten Konjunktiv steht ist mir klar, jedoch verstehe ich nicht, wieso diese Tatsache das Verstehen meiner Meinung so erschwert

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Fontanefan  10.05.2018, 08:42
@Beppo001

Ich verstehe deine Meinung, denn jeder Leser schafft sich seinen Text selbst. Aber ich verstehe weit besser, weshalb man als Schüler einen Irrealis bei einer Interpretation beachten sollte.

Wer "Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein weiser Mann geblieben" für ein Lob hält, hat in der Schule nicht genug gelernt.

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Mhm, ich würde ehrlich gesagt eher dir zustimmen.

Ich studiere selbst Lehramt/Germanistik, nur als Nebeninformation.

Die Quintessenz vom Gedicht würde ich eher so interpretieren: Eine Vergänglichkeit der Liebe und der Existenz, alles ist im Fluge. Das was verbleibt ist die Trauer über das längst Verlorene und die Unmöglichkeit des Entkommens, weil nur der Gedanke an das Verlorene den so benötigten Trost spendet im Leid.

Ich würde dir da zustimmen. Die Lehrerin scheint nicht zu bedenken, dass das Gedicht aus einer Zeit ist, in der man nicht eine Liebe mit der anderen austauschte, sondern noch der Idee der lebenslangen einzigen Liebe anhing.