Was meint Kant mit ,,Nötigung des Willens'' im Bezug auf den kategorischen Imperativ? Danke im Voraus :)?

3 Antworten

N´Abend,-

ganz einfach: Quintessenz der "dicken Bücher" ist bei Kant, dass diesem neben den vernunfts- / begriffslogisch definierten Ebene, also den kategorisch-logischen Grundlagen der Ethik als prinzipielles System zur Formulierung von Rechtsgrundsätzen (Kategorischer Imperativ, Zweckfreiheit des Menschen, etc. - in Ableitung: Erklärung der Menschenrechte, etc.) auch eine un-vernünftige Ebene menschlichen Handelns als "empirischer Alltag" durchaus bekannt und bewußt war.

Kant benutzt den Begriff der "Neigungen". Damit formuliert er neben der philosophischen Sphäre des Vernünftigen auch die Kenntnisnahme einer psychologischen Sphäre des "objektgeleiteten Wollens" , die Einfluß auf menschliches Denken und Handeln nimmt,- allerdings ohne die Gültigkeit ethisch-rationaler Vernunft außer Kraft zu setzen. - Nur weil etwas geschieht heißt es eben nicht, dass es notwendig oder unabwendbar-naturgesetzlich geschehen muß. Allerdings entsteht genau an dieser philosophisch-psychologischen Schnittstelle auch die Unterscheidung zwischen >Ethik< als rationale "Metaphysik" zur Ausformulierung des Gerechtigkeitsbegriffes einerseits und >Moral< als erzieherisch erlerntes Alltagsempfinden des "Sollens und Nichtsollens" bzw. "Ge- und Verbotenen". Da die psychologische Sphäre i. d. R. neigungsorientiertes Verhalten bedeutet bleibt also die Frage, wie der Mensch ohne reine, hierarchisch agierende Gewalt >genötigt< sein könnte, vernünftig zu handeln und damit Prinzip und Pragmatik in Übereinstimmung zu bringen?.

Ich habe dir hierzu mal eine interessante Kommentierung zu Kant herauskopiert:

Kants Antwort lautet:
Da ein kategorischer Imperativ keinen inhaltlich bestimmten Zweck enthält, auf den man sich berufen könnte (wie z. B. bei den Imperativen der Klugheit das Ziel, glücklich zu werden),
bleibt nur noch die Form des Gesetzes, seine Allgemeinheit übrig. Der Allgemeinheit des Gesetzes muss die Maxime, die sich ein Individuum für sein eigenes Handeln setzt, entsprechen.
Das heißt: Ein Mensch muss die Maximen seines Handelns - d. h. die
selbstgesetzten Regeln seines Handelns - auch dann noch wollen können, wenn sie allgemein - also von jedermann - angewendet werden. Oder, um einen modernen Ausdruck zu verwenden: Die Maxime des Handelns muss "verallgemeinerbar" sein.
Nur dann ist sie moralisch zulässig.
Mit den Worten von Kant heißt das: Da ein kategorischer Imperativ "außer dem Gesetze nur die Notwendigkeit der Maxime enthält, diesem Gesetz gemäß zu sein, das Gesetz aber keine Bedingung enthält, auf die es eingeschränkt war, so bleibt [als Grund für die Nötigung, dem Imperativ Folge zu leisten] nichts, als die Allgemeinheit eines Gesetzes überhaupt übrig, welchem die Maxime der Handlung gemäß sein soll und welche Gemäßheit allein den Imperativ eigentlich als notwendig vorstellt" .

Die Nötigung ist also die Unterwerfung unter die Vernunft "durch die Hintertür" solange es sich dabei um Gesetze handelt, die ihre Allgemeingültigkeit zurecht, also auf der Grundlage von gerecht darstellen können. Inwieweit dies gilt kann in der weiteren Ableitung ethisch-moralischer Systeme und ihrer Behauptungen nur Gegenstand eines gesamtheitlichen, rationalen und emanzipatorischen Diskurses sein.

Kant versteht also unter >Nötigung< nicht den bloßen, faktisch-gesellschaftsstrukturellen Zwang zu einem systemkonformen Handeln sondern den Zwang des Gewissens, sich einem System, das ethisch-logische Allgemeingültigkeit beanspruchen kann und auch realisiert zu unterwerfen - sozusagen Selbst-Nötigung aufgrund eines vernunftbasierten Gewissens. Allerdings muß damit auch jedes Gesellschaftssystem, welches von sich behauptet, "gerecht" zu sein nachweisen, dass es diese Selbstunterwerfung des Individuums unter eine kollektive Ordnung, quasi als Zustimmung der Vernunft zur Vernunft auch erwarten und einfordern kann. Und hier ist ausdrücklich von Vernunft im Sinne von Rationalität als Prinzip und nicht im Sinne einer pragmatisch-utilitaristischen Rationalität die Rede wie der Begriff des "Rationalen" heute gerne zweckentfremdet in der politischen Agenda benutzt wird. - Diese Art von "Nötigung" ist bei Kant ausdrücklich nicht gemeint! ;-)

Gruß

Ich werde im Folgenden einfach mal eine Vermutung aufstellen, der natürlich gerne konstruktiv widersprochen werden darf:

Nun, der kategorische Imperativ meint ja, man sollte nur nach den Maximen handeln, von denen man auch möchte, dass sie Gesetz werden. Könnte auch heißen, was du nicht willst, dass man dir tu bzw. dass die Welt dir tu...

Das schlösse dann schonmal einen Großteil von ethisch 'falschen' Handlungen aus zb. wenn du stiehlst, dann tust du das ja weil du etwas haben willst und wärst etzt nicht ganz so begeistert, wenn dir das was du gestohlen hast wieder wegnehmen würde.

Problem dabei ist: Der Mensch verhält sich ja so. D.h. Gewissens und vernunftswiedrig. Kant fragt sich wie das sein kann und findet daraufhin die Lösung:

Der Wille ist so konstruiert, dass er nicht allein von der Vernunft regiert werden kann. Der Mensch ist also kein reines Vernunftswesen, sondern nur ein partielles Vernunftswesen. Das, was den Willen außer der Vernunft bestimmt wären


Neigungen, Komponenten unserer sinnlichen Veranlagung, die auf dem Gefühl der Lust und Unlust beruhen

Zwischen diesen beiden Mächten gibt es aber eine Diskrepanz, weswegen der Mensch quasi dazu genötigt werden muss die Vernunft den Trieben vorzuziehen. Diese Nötigung wird durch den Begriff des 'Imperativ' deutlich



TahaZinaoui 
Fragesteller
 05.11.2017, 13:24

Was meint er mit Materie der Handlung ?

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BeviBaby  05.11.2017, 13:30
@TahaZinaoui

Da ist der hypothetische Imperativ entscheidend. Im Gegensatz zum kathegorischen kann man den nicht allgemein anwenden. Beispiel: Wenn ich gute Noten haben will muss ich jeden Tag mindestens eine Stunde lernen

Dabei muss die voraussetzung gegeben sein, dass der betreffende Mensch überhaupt gute Noten möchte, was man also nicht als allgemeingültige Maxime setzen könnte.

Die Materie der Handlung wird also durch einen Zweck oder eine Absicht geboten

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Ich kenne Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten zwar ganz gut, kann mich an dieses Stichwort aber nicht erinnern. Darum muss ich auch spekulieren.

Wenn ich mich richtig erinnere, lässt Kant in seinen Antinomien die beiden Aussagen, "Der Mensch hat einen freien Willen" und "Der Mensch hat keinen freien Willen" als gleichwertig gelten. Insofern als der Wille genötigt werden kann, ist er offenbar unfrei.

BeviBaby ist darauf eingegangen, dass die Vernunft den Willen nötigen kann, etwas zu wollen, das er eigentlich nicht möchte. Aber es muss gesagt werden, dass ja auch der umgekehrte  Fall nicht nur möglich, sondern auch häufig ist, nämlich dass eine heftige Abneigung, ein Ekel den Menschen zu einem bestimmten Wollen nötigen gegen den Rat der Vernunft und ihn dadurch abhalten, einen  Guten Willen hervorbringen zu können.