Was ist der Unterschied zwischen Grundherrschaft/Herrschaftsstruktur und Lehenswesen?

2 Antworten

bei der Grundherrschaft geben reiche Grundherren den Bauern Land zum bewirtschaften. Die Bauern müssen regelmäßig Abgaben und Frondienste leisten und kriegen auch nur einen kleinen Teil des erwirtschafteten. Außerdem dürfen sie sich unter keinen Schutz eines anderen Grundherren stellen.

hstar 
Fragesteller
 06.02.2011, 13:51

aber ist nicht genau das das System von den Lehenswesen?

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Silalein  06.02.2011, 13:54
@hstar

Die Herrscher stützten sich im Mittelalter nicht auf öffentliche Einrichtungen, sondern auf Personen (Personenverbandsstaat). Die ganze Ordnung von Staat und Gesellschaft ruhte auf dem Lehnsverhältnis. Der Vasall erhielt ursprünglich ein Lehen für Dienste und Treue. Allmählich drehte sich das Verhältnis um: Dienste wurden geleistet wegen des Lehens. Ein Lehen mußte nicht immer ein Landgut sein; auch ein Amt war begehrt, etwa ein Richteramt, aus dem der Vasall einträgliche Einkünfte (Gerichtsbußen) bezog, oder das Recht, Münzen zu prägen, Zölle zu erheben, Erz- und Salzbergwerke zu nutzen.

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Silalein  06.02.2011, 13:54
@hstar

Ein Lehnsmann verlor seinen Besitz und seine Stellung, wenn er die Treue brach, d.h. wenn er den Gehorsam verweigerte. Das Lehnsverhältnis endete gewöhnlich durch den Tod des Lehnsherrn oder des Lehnsmannes. Der neue bzw. alte Herr konnte den Lehnsvertrag erneuern, er mußte nicht. Seit den letzten Karolingern waren die königlichen Lehen im ostfränkischen Reich erblich, so daß der deutsche König gezwungen war, sie an den jeweils Erstgeborenen weiterzugeben (Leihezwang). So verlor der Herrscher viele Königsgüter und die Verfügungsgewalt über manche königlichen Ämter.

Am liebsten verlieh er deshalb seine Lehen an die Kirche. Da die hohen Geistlichen nicht verheiratet waren und keine Erben hatten, konnte der König nach ihrem Tode immer wieder neue Männer seines Vertrauens in hohe Reichsämter bringen. Die riesigen Kirchengüter, die den Klöstern und Bistümern gehörten, galten als Reichsgut, und der König übertrug sie den geistlichen Reichsfürsten auch als Lehen. Dafür mußten diese dem König helfen, Soldaten stellen und den königlichen Hof auf seinen Reisen durchs Land versorgen. Mehr als die Hälfte aller Leistungen für das Reich erhielt der König von der Reichskirche.

Bischöfe, Äbte, Grafen und Herzöge waren häufig Lehnsherr und Lehnsmann zugleich, weil sie das eigene Gut oder das vom König erhaltene Lehen an kleinere Vasallen weiterverliehen. Sie alle bildeten eine Lehnspyramide mit festgelegter Rangfolge (Heerschildornung), an deren Spitze der König stand, darunter seine Vasallen und deren Unter (After-)Vasallen. Die Königs- oder Kronvasallen waren dem König allezeit zu "Rat und Hilfe" verpflichtet. Als Reichsfürsten wirkten sie an der Ausübung der Hoheitsgewalt mit.

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Grundherrschaft ist eine moderne Bezeichnung für die grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Organisationsform. Ein (adliger) Grundherr übt Herrschaft über Land und Leute (der Personenverband, der auf seinem Grundbesitz lebt und arbeitet) aus. Zum Grundbesitz kamen ursprüngliche adlige Herrschaftsrechte hinzu (vor allem die Gerichtsbarkeit über die von ihm abhängigen Leute). Zu den adligen Grundherren gehörten auch der König, die Bischöfe und Äbte.

Das Lehnswesen ist eine Ausprägung des Feudalismus (eine lateinische Bezeichnung für Lehen heißt „feudum“) im mittelalterlichen Europa. Land und Rechte (Ämter/Titel) werden für Dienste und Treue gegeben und dabei entsteht eine Beziehung zwischen Lehensherrn und Lehensmann. Das Lehenswesen hat sich als Verbindung von römischem Klientelwesen und germanischem Gefolgschaftswesen herausgebildet. Es kann auch als Gesamtheit von Einrichtungen (Institutionen) betrachtet werden. Diese Einrichtungen regeln wechselseitige Verbindlichkeiten zwischen Freien (einer wird in diesem Verhältnis „Herr“, der andere „Vasall“ genannt). Der Vasall ist zu Gehorsam und Dienst verpflichtet, der Herr zu Schutz und Unterhalt. Geschichtlich hat es neben Lehen in gewissem Ausmaß auch freien Eigenbesitz gegeben (z. B. das Allod bzw. Allodium).

Grundherrschaft und Lehnswesen gehörten eng zusammen. Allerdings war ein Lehen nicht immer Land (konnte auch nur ein Amt/Rechtstitel sein). Das Lehenswesen unterscheidet sich von der Grundherrschaft darin, welche Personen es betrifft. Auf der unteren Ebene ist bei der Grundherrschaft das Überlassen von Land zur Bewirtschaftung und eigenen Nutzung nicht eine Treuebindung im Rahmen des Lehnswesens. Die vom Grundherrn abhängigen Unfreien (z. B. Hörige) sind nicht seine Lehensleute. Die Bauern, die Abgaben und Frondienste leisten müssen, sind also keine Vasallen.

Bücher in Bibliotheken enthalten Informationen, z. B.:

Peter Hilsch, Das Mittelalter - die Epoche. 2., durchgesehene Auflage. Konstanz : UVK-Verlags-Gesellschaft, 2006 (UTB : UTB basics ; 2576). S. 50 – 61 (2.3. Grundstrukturen der mittelalterlichen Gesellschaft, Die Grundherrschaft - Das Lehenswesen; mit Literaturhinweisen)