Was genau ist Zeit?

CatsEyes  01.02.2024, 18:54

Wie soll man drei Fragen in einem Satz beantworten... ;-)

Finja002002 
Fragesteller
 01.02.2024, 18:55

Das erste sollte nur eine kurze Definition sein für die anderen beiden Sachen kannst du gerne mehr schreiben

5 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Finja002002,

Zeit in einem Satz zu definieren ist schwierig. EINSTEINs Bonmot "Zeit ist das, was man von einer Uhr abliest" ist genau genommen keine Definition, sondern die Verweigerung einer solchen.

Auf jedenfall ist "Zeit" eigentlich ein Teekesselchen: Eine Zeit im Sinne von Zeitpunkt entspricht räumlich einem Ort, Zeit im Sinne einer Zeitspanne entspricht einer Entfernung.

Kann man Zeit von Raumzeit-Kontinuum trennen oder einzelne betrachten ?

Nicht generell. In der NEWTONschen Mechanik (NM) ist Zeit vom Raum unabhängig.

Umgekehrt übrigens nicht, weil dank GALILEIs Relativitätsprinzip (RP) Fortbewegung relativ ist (bewegt sich relativ zu einem als ruhend angesehenen Körper B ein zweiter Körper B' mit konstanter Geschwindigkeit v›, so kann man genausogut B' als ruhend und B als mit −v› (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegt ansehen. Ein von B aus definiertes (raumzeitliches) Koordinatensystem Σ und ein von B' aus definiertes, Σ', sind physikalisch gleichwertig.

Daher ist auch die Gleichortigkeit zeitlich aufeinander folgender Ereignisse relativ: Zwei bei B' stattfindenden Ereignisse E₁ und E₂ haben in Σ den räumlichen Abstand Δs = v∙Δt = v∙(t₂ − t₁), in Σ' jedoch den Abstand Δs' = 0. Dabei sind t₁ und t₂ die von B aus ermittelten Zeiten und Δt die von B aus ermittelte Zeitspanne, die B- Koordinatenzeit, die wir begrifflich von der von der Uhr Ώ eines Beobachters bei B' direkt gemessenen Zeitspanne (Eigenzeit) Δτ unterscheiden, obwohl sie laut NM gleich sind. Natürlich ist Δτ mit der B'- Koordinatenzeit Δt' identisch.

Wir verallgemeinern daher den Begriff der Gleichortigkeit: Ereignisse, für die es überhaupt ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichortig sind, heißen zeitartig getrennt.

In der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) ist zusätzlich auch die Gleichzeitigkeit räumlich getrennter Ereignisse relativ (s. Abb. 1). Deshalb müssen wir den Begriff der Gleichzeitigkeit ebenfalls verallgemeinern: Ereignisse, für die es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie gleichzeitig sind, heißen raumartig getrennt.

Bild zum Beitrag

Abb.1: Schematische Raumzeit- Darstellung der Begegnung von B und B', die zum Beispiel Raumfahrzeuge sind. Neben B gibt es noch 2 weitere Raumfahrzeuge A bei x = −d und C bei x = d. E₁ ist die Begegnung von B' und A, E₂ die von B' und B. In Grün sind die Signale von A und C eingezeichnet, die B und B' im Augenblick ihrer Begegnung erreichen. In Σ sind die Emissionen der Signale, EA und EC, gleichzeitig, denn sie haben die gleiche Strecke zurückgelegt und daher dieselbe Zeit gebraucht. In Σ', wo A, B und C als Konvoy beschrieben werden, der an B' vorbeizieht, war C zur Zeit t'C um den Faktor K² = (1 + v⁄c)/(1 − v⁄c) weiter entfernt als A zur Zeit t'A. Daher muss das Signal entsprechend länger unterwegs gewesen sein, und deshalb ist es entsprechend "älter".

Auch die die Dauer eines Vorgangs, der mit E₁ beginnt und mit E₂ endet, ist relativ: Es gilt Δτ = Δt' < Δt.

Habt ihr Vermutungen wie die Zeit entstanden ist ?

Nach der klassischen Urknall- Theorie beim Urknall selbst.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Physik, Zeit, Naturwissenschaft)
Finja002002 
Fragesteller
 02.02.2024, 20:54

Ich habe noch nie etwas so kompliziertes und gleichzeitig interessantes gehört. Danke.

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SlowPhil  03.02.2024, 08:30
@Finja002002

Hört sich nur auf den ersten Blick kompliziert an. Man muss sich nur daran gewöhnen.

Gerade mathematische Formeln machen Dinge eigentlich einfacher und kürzer.

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SlowPhil  04.02.2024, 12:02
@Finja002002

Aber eigentlich ist Mathe echt geil. Ich sage immer, der Unterschied zwischen Mathematik und Rechnen geht so: Wenn der Lehrer aufgibt, alle Natürlichen Zahlen von 1 bis 100 zu addieren, bedeutet

  • Rechnen, dass man brav von unten anfängt: 1+2=3, 1+2+3=6, 1+2+3+4=10 usw., während
  • Mathematik bedeutet, dass man sich einen schlaueren Weg sucht: 1+100 =2+99 =3+98 =... =50+51 =101. Wir haben also 50 Summanden, die alle gleich 101 sind, und das ergibt 5050.
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SlowPhil  03.02.2024, 08:30

Vielen Dank für den Stern!

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Die Zeit ist als 4. Dimension (neben 3 räumlichen Dimensionen) Bestandteil des 4-dimensionalen Raumzeitgefüges und zusammen mit dem Raum entstanden. Ohne das eine kann das andere nicht existieren. Durch Masse wird die Raumzeit gekrümmt, was als Gravitation wirksam wird. Abläufe wie beispielsweise Beschleunigung sind an Raum (Distanz) und Zeit (Ablauf) gebunden, auch die absolute Lichtgeschwindigkeit (eine Naturkonstante) ergibt sich aus Weg durch Zeit, wäre also ohne Zeit unmöglich.

Laut Einsteins Relativitätstheorie (Raum und Zeit sind relativ) ist der Ablauf der Zeit nicht absolut, sondern verändert sich unter dem Einfluss von Geschwindigkeit (bzw. Beschleunigung) und Gravitation.

Auch subjektiv kann der Ablauf der Zeit sehr unterschiedlich empfunden werden, je nachdem, ob wir auf etwas warten oder im Stress sind und noch vieles erledigen sollten.

https://www.spektrum.de/lexikon/astronomie/raumzeit/393

Woher ich das weiß:Recherche
SlowPhil  02.02.2024, 17:14
Die Zeit ist als 4. Dimension (neben 3 räumlichen Dimensionen) Bestandteil des 4-dimensionalen Raumzeitgefüges und zusammen mit dem Raum entstanden.

Wir haben die Zeit eher als "nullte Dimension" behandelt; die Sonderrolle der Null drückt die Sonderrolle der Zeit innerhalb der Raumzeit aus.

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Ralph1952  02.02.2024, 21:10
@SlowPhil

Nullte Dimension kann aber auch als keine Ausdehnung (Punkt) verstanden werden, obwohl der Zeitverlauf sich zumindest in eine (zeitliche) Richtung (Dimension) ausdehnt.

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Zeit ist die aus unserer Sicht stetig und unumkehrbare Zunahme der Entropie, die zunehmende Anzahl der Kombinationen.

Weil die Zeit definiert ist durch eben diese Zunahme, macht es keinen Sinn, sie loslösen zu wollen, wie soll sich Zeit darstellen ohne jeglichen Raum, ohne jegliche Materie, Energie.

Wenn wir winzige Teilmengen des Universums sind, können wir niemals das Universum als Ganzes erkennen, vielmehr erkennen wir immer neue Konstellationen der Materie, Energie, so dass man vermuten könnte, das Universum als Ganzes ist statisch, deterministisch, nur werden wir das als eben Teilmenge niemals belegen können. Anders gesagt, Zeit "entsteht" aus Wahrnehmen können plus Erinnerung in uns. Kann ich natürlich auch nicht belegen als winzige Teilmenge... ;-)

Nur eines weiß ich sicher: Mein ich lebt immer, stets und ausnahmslos im Jetzt, in der Gegenwart, unabhängig von dem was Uhren und Kalender anzeigen.

Schwierig, selbst wenn man Relativitätstheorie usw. ganz beiseite lässt.

Ein Versuch, ohne zu googeln: Zeit ist die Bezugsgröße eines Änderungsvorgangs relativ zu einem anderen Änderungsvorgang.

Wenn sich nichts verändert (und keiner da ist, der das gelangweilt beobachtet), verliert der Begriff seinen Sinn. Nur das ist der Grund, warum man sagt, dass die Zeit erst mit dem Urknall entstanden ist.

Kann ich dir nicht beantworten. Aber diese "Illusion", dass es Zeit gibt, hängt damit zusammen, dass die Lichtgeschwindigkeit eigentlich instantan ist und wir nur 1 Mia. km/h messen.

Für das "Warum" bin ich zu blöde ;-)

Meine bescheidene Meinung.

SlowPhil  02.02.2024, 15:23

Wie kommst Du darauf, die Lichtgeschwindigkeit sei unendlich ("instantan") und wir messen nur was anderes?

Gut, Eigenzeit braucht Licht nicht, aber Koordinatenzeit in einem beliebigen Koordinatensystem.

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boris45zgt44zut  02.02.2024, 15:41
@SlowPhil

Einerseits aus der Quantenmechanik, z.B. die Lichtbrechung. Woher "weiß" das Licht bei Auftreffen auf bspw. eine optische Linse, welchen Winkel es einschlagen muss?

Zweitens aus der logischen Überlegung, dass es nicht sein kann, dass hier jemand willkürlich ein Speed-Limit festgelegt hat.

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SlowPhil  02.02.2024, 16:24
@boris45zgt44zut

Niemand hat willkürlich ein Speedlimit festgelegt, sondern dieses Tempo wurde gemessen. Wir können selbst mit Licht/ Radiowellen über größere Entfernungen nicht ohne Verzögerung kommunizieren.

Warum c ≈ 3×10⁸ m⁄s ist, wissen wir nicht. Aber die ganzen Naturkonstanten der Elektrodynamik fallen ja auch quasi vom Himmel.

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