was erfährt man in genesis 1 über den mensch?

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In Gen. 1.26 steht als Verb ,,asah", ein Allerweltswort, welches ganz allgemein die fortlaufende, allmähliche Zubereitung bestehenden Materials ausdrückt. Im Schöpfungsbericht wird es desweiteren bei der Weiterentwicklung der Landtiere verwendet (Gen. 1.25), nachdem diese bereits auf das Festland gekommen waren (1.24). Auch hier haben wir wieder zwei verschiedene Aussagen und Vorgänge. Asah kann sich auch auf die Zubereitung eines Gerichts (aus vorhandenen Zutaten) beziehen und wird sogar für Pflanzen verwendet. Bei der Verheißung für Abraham heißt es: ,,Ich werde eine große Nation aus dir machen." Auch hier wieder kein Schöpfungswunder, sondern allmähliche Werdung. Die vielzitierte ,,Erschaffung" (bara) des Menschen in Gen. 1.27 ist nur der zweite Teil der Menschwerdung und bezieht sich somit nicht auf den menschlichen Körper, welcher ja schon zuvor zubereitet worden war, sondern auf die spezifischen geistigen wie personellen Fähigkeiten des Menschen (Gottebenbildlichkeit), welche wie zuvor die Materie (Gen. 1.1) und die Tier,,seelen" (Gen. 1.21) einzigartige Neuerscheinungen darstellen. Wir reden auch gar nicht von nur einem einzelnen Menschen oder zwei, sondern von einer ganzen Gruppe unbestimmter Stärke. Ādām ist hier kein Personenname, sondern kollektiver Artbegriff für den Menschen schlechthin. Nachdem die fraglichen Begriffe geklärt sind, kann man sich den geschilderten Ablauf wie folgt vorstellen:

Eine Gruppe gewisser Landtiere wird nach und nach zu einer menschlichen Gestalt modifiziert und mit kognitiven Fähigkeiten in einzigartiger Konzentration ausgestattet, die ihr zu einer einzigartigen Sonderstellung auf Erden verhelfen. Daraufhin breitet sie sich kraft ihres Fortpflanzungstriebes über die ganze Erde aus. Dies wird bestätigt durch den zusammenfassenden Abschlusssatz (Kolophon) in Gen. 2.4, welcher einer heutigen Überschrift entspricht. Das oft nichtssagend mit Geschichte oder Werdegang übersetzte Wort ,,toledot" ist der hebräische Inbegriff für Abstammung und bezeichnet ausschließlich Stammregister und die damit verbundene Familiengeschichte.

Analog zur paläoanthropologischen Ebene, wo es keine scharfe Grenze gibt zwischen ,,Mensch" und ,,Tier", lässt sich auch auf exegetischer Ebene keine scharfe Grenze ziehen zwischen dem Zubereitungsprozess (Gen. 1.26) und der ,,Erschaffung" (Gen. 1.27). Der österreichische Bibelexperte Paul Hengge versteht Gen. 1.28 als den Wechsel zum aufrechten Gang: ,,Nehmt die Erde unter eure Füße!" - und setzt die Erschaffung somit bereits im frühesten Entwicklungsstadium der Menschheit an. Der belgische Bibelexperte Karel Claeys hingegen lässt die Gottebenbildlichkeit erst mit dem Auftreten des Homo Sapiens (,,wissender" Mensch) gelten. Fest steht nur, dass die Genesisautoren nicht nur sesshafte, Ackerbau betreibende ,,Kulturmenschen" wie Adam und Eva als vollwertige Menschen betrachteten (dazu gleich mehr). Außerdem ist der Mensch immer ein Tier (hebr. behema) geblieben, wie Pred. 3.18-20 nochmal betont.

Auch die Lebensweise dieser frühen Menschheit ist von Interesse. Traditionell wird das ,,Dominum terrae" (Gen. 1.28-29) mit Adams Auftrag, den Garten Eden zu bebauen und zu bewahren, gleichgesetzt. Es ist aber nicht dasselbe. Die Erde, die sich der Mensch im Sechstagewerk untertan macht, heißt im Hebräischen ,,arets". Dieses Wort hat mehrere Bedeutungen, vom ganzen Erdkörper über das Festland bis hin zum Volk. Bereits im ersten Text wird es unterschiedlich verwendet: Zuerst ist die ganze Erde im Blick (Gen. 1.1-2), danach verengt sich der Fokus auf das Festland im Gegensatz zum Meer (Gen. 1.10). In Gen. 1.28-29 meint es zumindest die gesamte Erdoberfläche, wobei dem Menschen ja auch die Fische im Meer unterstellt werden. Dann heißt es: "Seht, ich habe euch alles samentragende Kraut gegeben, das auf der Fläche der ganzen Erde ist, und jeden Baum, an dem samentragende Baumfrucht ist..." (Elberfelder). Noch gibt es keine eingezäunten Felder und Acker, kein Eigentum, stattdessen sammeln die Menschen von der freien Fläche Früchte, Kraut, Samen, Nüsse, Pilze etc., was sie zum (Über-)Leben eben brauchen. Analog dazu bedeutet das für die Tiere verwendete "radah", wenn auch sanfter als kabesch, weder Fürsorge noch liebevolles Hüten im Sinne von Viehzucht, sondern schlicht und ergreifend Jagd auf freilebende Tiere zu Verwertungszwecken, außerdem Fischerei.

Der aggressive Unterton von ,,Kabesch" ist nicht von der Hand zu weisen. Bildlich bedeutet es, den Fuß auf den Kopf des besiegten Gegners zu stellen. In Bezug auf das Verhältnis zwischen Mensch und Erde muss der Mensch seinem Lebensraum die benötigten Ressourcen, ob Nahrung oder auch Feuer, mühsam abringen. Die Tradition zeichnet das liebenswürdige Bild eines gütigen Gottvaters, der seine Günstlinge reich beschenkt. Hintergrund dabei ist vor allem die Doktrin von der makellosen Schöpfung, die erst durch den menschlichen ,,Sündenfall" verdorben worden sein soll. Aber das Gesamtzeugnis spricht eine ganz andere Sprache. Der inhaltliche Kontext legt zudem nahe, dass das Sechstagewerk als tatsächliche Schöpfungsgeschichte den globalen Gesamtschauplatz im Blick hat.

Ganz anders in der darauffolgenden Paradiesgeschichte, wo sich das Geschehen geografisch eingrenzt, und das bereits im ersten Vers (Gen. 2.5). Es folgt eine klare Beschreibung des betreffenden Gebietes (Gen. 2.8-14), umliegende Orte und Länder sowie ihre Bodenschätze werden genannt. Die Gegend liegt zweifellos im Fruchtbaren Halbmond des Nahen Ostens, die beiden großen Flüsse existieren bis heute nahezu unverändert. Im Gegensatz zu den nahrungsaneignenden ,,Präadamiten" geht Adam zur Nahrungsproduktion in Form von Ackerbau über. Der landwirtschaftlich nutzbare Erdboden heißt nicht arets, sondern adamah. Paradies bedeutet ,,Einfriedung", was per Definition nicht die ganze Erde, sondern nur einen winzigen Ausschnitt derselben beinhalten kann.

Buchtipps: ,,Die Bibel bestätigt das Weltbild der Naturwissenschaft" von Karel Claeys

,,Auch Adam hatte eine Mutter" von Paul Hengge

Woher ich das weiß:Recherche

Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Genesis 1,27