Was bedeutet es, wenn jemand ein erhaltenes Kompliment relativiert und abschwächt?
Beispiel 1: jemand leistet im Beruf extrem viel, macht Überstunden und liefert die allerbeste Arbeit ab. Die Person wird vom Chef gelobt und antwortet "ach, ich habe doch nur meine Pflicht erfüllt." Und nimmt dadurch das berechtigt erhaltene Lob nicht an.
Beispiel 2: ein Mann sagt zu einer Frau, dass sie hübsch aussieht. Die Frau antwortet "es gibt doch viel hübschere Frauen als mich".
Warum nehmen Menschen manchmal Komplimente nicht an und lenken von dem, was an ihnen gelobt wurde, drastisch ab?
5 Antworten
Meiner Erfahrung nach gibt es dafür vor allem drei Gründe:
- Ehrliche Bescheidenheit: der / die Betroffene sieht seine Leistung wirklich als nichts Besonderes an und kann das Kompliment nicht nachvollziehen.
- Selbstzweifel: manche Menschen haben ein geringes Selbstwertgefühl bzw. sind generell sehr unsicher. Komplimente wirken auf sie irritierend, weil sie positive Aspekte an ihnen selbst aufzeigen, die sie häufig gar nicht wahrnehmen können / wollen.
- Manipulation / Heuchelei: manche Menschen tun bewusst auf bescheiden, um zusätzliche "Sympathiepunkte" zu sammeln. Insgeheim geht ihnen aber bei jedem Lob / Kompliment "einer ab", wie man zu sagen pflegt.
Wenn es bei dir um einen konkreten Fall geht, denke darüber nach, wie die betreffende Person charakterlich tickt und ob eine dieser drei Möglichkeiten besonders gut passen würde.
Ich bin so eine Person wie du hier beschreibst manchmal. Nicht immer, aber manchmal.
Ich weiß auch nicht warum, aber in manchen Situationen mag ich es auch nicht gelobt zu werden. Ich denke das liegt auch eng mit dem Charakterzug, dass ich es nicht mag mich selbst zu loben. Wenn ich zum Beispiel etwas meiner Meinung nach gutes und richtiges gemacht habe erzähle ich das auch niemanden. Ich behalte meine guten Taten etc. für mich.
Nun wird der gemeine Deutsche oft unter dem Aspekt erzogen, dass er bitte ja nicht aus der Reihe tanzen soll, weder negativ noch positiv - und dass man sich gefälligst auch nichts auf Lob aller Art einbilden soll bzw. jedes Lob falsch ist und eigentlich gelogen von dem, der es sagt. Das frisst sich einfach rein und ist ein Beispiel für eine falsche Erziehung.
Noch ein Beispiel: Einer, der mit mir in der Ausbildung war, hat in der Mittagspause einen Autounfall beobachtet und half den unter Schock stehenden Leuten, die er kannte, irgendwelche gekauften Waren und private Gegenstände aus dem Unfallwagen zu ziehen und rief die Polizei und den Abschlepper an, nachdem er erste Hilfe geleistet hatte. Dafür hat er von den Leuten einen Tag später 100 Euro zum Dank bekommen. Die 100 Euro waren ehrlich gemeint (ich kannte das Ehepaar auch); mein Kollege war halt eine gute Seele und konnte nicht wegschauen, sondern packte an. Er freute sich sehr, aber als er das seiner Mutter erklärte, die auch in der Firma arbeitete, sagte diese nur ganz kühl zu ihm: "Des Geld haste doch nur bekommen, damit du nix sagst und du still bist, hättest die doch in Ruhe gelassen und dich nicht eingemischt". Kein Lob für die Hilfe, kein gutes Wort; die Frau nahm ihrem Sohn nur die Freude und es ist kein Einzelfall, ich kann noch mehr berichten. Da war ich 17 oder 18 und habe die "deutsche Kälte" zum ersten Mal so richtig erlebt - und genau deswegen weigern sich die Leute dann, Komplimente ernstzunehmen oder anzunehmen: Sie bekamen ja tradiert, dass es entweder gelogen sei oder jemand das ihnen sagt, weil sie was von ihm wollen und deswegen nett sein müssen oder bekamen sie eingeredet, dass Lob jeder Art nicht gut ist und man davon nur überheblich werde.
Bei (jüngeren) Frauen ist es oft so, dass sie ein falsches Bild von sich haben, weil sie vielleicht nicht jedes Schönheitsideal der Gesellschaft erfüllen. Meine Freundin hält sich auch für dick, obwohl sie das ganz sicher nicht ist bzw. obwohl sie weiß, eine total hübsche und vor allem super liebe Frau und bestimmt die perfekte Schwiegertochter für meine Mam zu sein ;)
allgemein würde ich sowas als Bescheidenheit deuten.
Im Einzelfall kann aber sicher auch ne Taktik dahinterstecken, sich einfach nur beliebt machen zu wollen.
Im Fall der Frau mag es evtl mangelndes Selbstbewusstsein sein oder ebenfalls die Taktik, dem Mann was harmloses vorspielen zu wollen
Ich war, lange her, in der Tat einmal Trainer und Choreograf für Laufsteg-Models. Und ich habe im theoretischen Teil der Ausbildung immer erklärt, wie man auf Komplimente antworten soll, nämlich mit "danke" - ohne weiteren Kommentar.
Gleiches galt für mögliche Kritik: "Danke für den Hinweis" und höchstens noch "ich werde das mit meinem Trainer besprechen" - auch hier kein weiterer Kommentar.