Warum wird in Zeitungsartikeln die "Rückkehr in tradierte Rollenbilder" immer so hervorgehoben - als würde sie Angst und Trauer auslösen?

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Der Punkt ist wohl, dass es zumeist unfreiwillig geschieht. Die Pandemie-Situation hat es ja deutlich vor Augen geführt, als die Schulen und Kitas schlossen und Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen mussten, an wem es hängen blieb. Auch zu dem Preis hin, das Jobs gekündigt wurden, weil es anders nicht vereinbar war. Und in der Regel eher von den Frauen als von den Vätern.

Es hat auch gesellschaftliche Nachteile. Ein Punkt ist in diesem System immer noch das Thema Rente und Altersarmut, das vorallem Frauen betrifft, weil ihre Erwerbsbiografie lückenhafter ist mit Kindern. Das ist auch der nächste Punkt, dass wenn Frauen in "tradierte Rollenbilder" zurückfallen ,eben auch 50 Prozent weniger Arbeitnehmer verfügbar sind. Und zum Teil muss man auch sagen, verschenkt man damit nicht nur eine einfache Arbeitskraft, sondern auch Experten, Fachwissen, Geschick usw. Und Gesellschaftlich macht es sicherlich auc hetwas. Was will man Kindern, insbesondere Mädchen vorleben?

Ja, der Satz ist auch etwas manipulativ formuliert. Jeder sollte die Wahl haben. Wer sich ein Allinversorgermodell leisten kann und es sich wünscht, die Rollen so zu verteilen, soll frei sein das zu tun, ohne dafür verurteilt zu werden. Ich denke, der Hauptpunkt ist und bleibt hier die freiwilligkeit und die ist oft nicht gegeben, wenn man die Rollen so auslost. Da wird eher gefragt: Wie funktioniert es am besten für da System Familie und oftmals stecken die Frauen in der Hinsicht zurück, dass sie beruflich kürzer treten, manchmal stecken die Männer noch dahingehend zurück, dass sie sich das kürzertreten ihrer Partnerinnen wieder draufladen.

Die Menschen, wenn unverheiratet, führen ein selbstbestimmtes freies Leben. Keine Verantwortung dritter oder füreinander. Willst du selbstbestimmt in einer Ehe sein, dann muss man anders leben und das fängt bei der Wohnsituation an und endet bei Hobbys und Kindererziehung.

Das alte Rollenbild ist Vater Mutter Kind Hund Katze, er geht arbeiten, sie gibt alles auf und opfert sich für die Kindererziehung.

Früher mochte das noch gehen, der Mittelstand war wohlhabend. Es reichte wenn der Vater arbeitete. Die Mutter konnte daheim bleiben, sich um Haus und Kind kümmern und das Geld reichte trotzdem. Man konnte sich ein Haus leisten und auch über die Jahre abbezahlen.

Der Gedanke das das heute noch so geht erweckt romantische Gefühle. Es ist erstrebenswert das es funktioniert und wird immer noch als Sinn des Lebens verstanden.

Die Wahrheit sieht jedoch anders aus. Und daher auch hineinschlittern. Die Menschen wissen das es heute anders läuft. Wenn du sowas aufbauen willst, dann brauchst du heutzutage mindestens eine Person die im Monat um die 5000 Netto hat. Sie muss 40 Stunden die Woche, oder mehr arbeiten. Die andere Person muss sich so weit einschränken das mit einem Halbtagsjob von 4-6 Stunden ein kleineres Zubrot rein kommt und diese Person hat sich dann um Heim Herd und Kind zu kümmern. Oder sie muss gar ganz auf einen Job verzichten.

Wir alle haben als Kinder Vater Mutter Kind gespielt. Die Mädchen mit ihren Puppenwagen die Jungs waren dann immer die Bestimmer. Auch in der Kita Pädagogik gab es Jungenspiele und Mädchenspiele. Es wurde auf die Zukunft vorbereitet.

Die heutige, und die zukünftige Zeit sehen allerdings anders aus. Der Mittelstand ist weitestgehend runter gestuft vom Gehalt. Es müssen mehr Stunden Arbeit geschafft werden. Vom Geld heute kannst du kaum noch leben. Die Menschen müssen teilweise 2 oder 3 Berufe annehmen um über die Runden zu kommen.

Da kann ich dir ein schönes Beispiel aus meiner Arbeit geben. Ich bin Erzieherin. Früher hatte eine Erzieherin an ihrer Seite eine Kinderpflegerin oder eine Sozialassistentin die die Zuarbeit machte. Das Gehalt war zu DM Zeiten hoch. Es war 2 mal ein Urlaub drin, die Arbeit war weniger Stressig, du konntest dir Führerschein und ein neues Auto Leisten. Einige hatten sogar ihre eigenen kleinen Häuser und waren da schon recht modern, weil sie vom Gehalt her Alleinverdiener waren.
Heute sind die Kinderpfleger und Sozialassistenten weitestgehend abgeschafft und die Erzieher haben alle Arbeit zu leisten, bei dem Gehalt der Kinderpflegerin. Mit der Wende von DM zu Euro verschwand das Geld. Ich selber ging in DM Zeiten in die Ausbildung, weil mir gesagt wurde da hast du keine Geldsorgen mehr. Fertig wurde ich mit der Ausbildung zu Euro Zeiten. Danach war ich arbeitslos und in Maßnahmen, war 4 Jahre im Hartz 4. Seit 15 Jahren arbeite ich in einer Kita. Mein Startgehalt lag bei 785 Euro netto. Heute, 15 Jahre später verdiene ich knapp 1500 Euro. Führerschein? Urlaub? Haus? Was ist das? Ich besitze noch Möbel, die teilweise zur Erstausstattung gehörten, die ich von Zuhause mitnahm und die meine Eltern davor schon 20 Jahre lang hatten. Den Beerdigungskredit meines Vaters den Zahle ich noch ab. Große Sprünge gibts nicht.

Eine Familie gründen? Bloß nicht. Wenn was passiert kann man das Kind nicht adäquat schulen. Durch meine Arbeit in einer Kita am sozialen Randgebiet weiß ich seit 15 Jahren was mit diesen Kindern passiert wenn sie in Armut hineingeboren werden. Ich habe von meinen ersten Kitakindern schon die Gewissheit was passiert ist, weil sie auch schon ihre Kinder bringen. Es ist ein Kreislauf aus Armut aus der man nimmer raus kommt.

Damit man da nicht "hinein schlittert" muss man sich genau überlegen wie man sein Leben gestaltet. Ich habe ein Auskommen. Es ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Einem Kind würde ich das nicht zumuten wollen. Mein Bild entspricht also nicht der Rolle. Ich habe auch meine Freiheiten, die ich nicht einschränken würde wollen. Vor 15 Jahren noch gab es einen Mann für den ich das alles hätte aufgeben können, wo es egal gewesen wäre. Aber er selber war schon in diesem Rollenbild und ist über religiöse Wege in diese Situation gelangt. Irgendwann kam die Scheidung, weil das religiöse Konzept zu sehr einschränkte und er die Religionsgemeinschaft mit sektenähnlichen Zügen das Leben zu sehr einschnürte. Er wollte dieses Rollenbild nicht mehr haben und einen anderen hätte es für mich aber nicht gegeben. Er hatte halt die Sicherheiten die ich für Heim Herd Kind gehabt hätte. Heute bin ich froh das es nicht so gekommen ist.

Familienplanung und Lebensplanung sollte man so früh wie möglich beginnen. Damit hinterher kein böses Erwachen kommt.

Es kommt immer auf die Situation und den persönlichen Umständen an

Wenn man gerne Hausfrau ist und der Mann gerne arbeitet und für die ganze Familie sorgt - dann ist das komplett in Ordnung

Viele Frauen wollen aber nicht mehr so abhängig von ihrem Mann sein. Sie wollen auch arbeiten, ihr eigenes Geld verdienen. im Falle einer Trennung vom Partner (was heutzutage öfters geschieht als früher - früher ist man zusammen geblieben, egal was passiert ist. Einfach weil man als geschiedene Frau in der Gesellschaft unten durch war) bzw. in der Pension (ohne Job nur Mindestpension) finanziell sehr schlecht aufgestellt.

Bei Corona sind aber auch solche Frauen teilweise wieder in diese tradioniellen Rollenbilder rein geschlittert.

in vielen Fällen hat die Frau zurück gesteckt, wenn die Kinder mal wieder wegen Lockdown zu Hause waren - weil man ja als Teilzeit Kraft (wo es DEUTLICH mehr Frauen als Männer gibt) man ja leichter mal es sich freischaufeln kann, sich um die Kinder zu kümmern). Kenne auch Mütter welche ihren Job verloren haben da ihr Chef nicht erfreut war, dass sie andauernd weg sind oder andauern Homeoffice wollten.

Ein "hineinschlittern" bedeutet, dass es nicht gewollt ist. Das man nachgibt, sich einer Situation ergibt, obwohl es einen frustriert und Probleme mit sich bringt.

Wenn man sich vollkommen freiwillig, ohne Not, dazu entscheidet als Frau Zuhause zu bleiben, den Haushalt zu machen, die Kinder zu hüten, und der Mann ebenso bereitwillig Versorger ist und die Verantwortung trägt, ist das in Ordnung.

Wenn man es aber nicht möchte ... Wenn man als Frau gerne den Verstand gefordert haben möchte, es für den Selbstwert oder für die Sicherheit braucht eine gewisse Unabhängigkeit zu bewahren oder wenn man sich wie eine Dienstmagd fühlt ...Wenn man als Mann die Kinder vermisst oder der Druck einem zu viel ist oder man sich ausgenutzt fühlt ... Dann ist es schlimm gefangen zu sein in den traditionellen Rollen.