Warum wird die Diagnose "Asperger Autismus" von der Gesellschaft nicht so wirklich ernst genommen?

4 Antworten

Der Gedanke ist leider nicht aus der Luft gegriffen, aber da ist der teilweise arg leichtfertige Umgang mit der Diagnose dran schuld: Asperger ist gegenwärtig leider immer mehr so eine "Pseudo-Diagnose", die nicht ganz der Norm entsprechende Kinder und Jugendliche "erteilt" bekommen, damit man etwas auf dem Zettel stehen hat und alle Eltern und Lehrer beruhigt sind und eine "Erklärung" vorhanden ist, wenn jemand nicht alles nach Schema F macht oder etwas ruhiger usw. ist als die breite Masse. Und darunter leidet dann die Akzeptanz - zumal viele gar nicht wissen dürften, um was es dabei geht. Es gibt inzwischen so viele "Syndrome", dass man sie gar nicht mehr untereinander zuordnen kann.

Ich kenne einige Diagnosen, die auf diese Weise bei Zehn- bis Zwölfjährigen im Bereich 5./6. Klasse später revidiert wurden oder wo später durch andere Ärzte u.a. Depressionen erkannt und diagnostiziert worden sind. Alle diese Kinder waren schon im Grundschulalter eher still, was dann auffiel, als in der weiterführenden Schule die Frühpubertät einsetzte, die Jungs klatschten und johlten, Sex-Witze rissen und Schüler XYZ daran kein Interesse hatte - was dann die ganzen Lehrer auf den Plan rief: Der Kleine ist anders, der ist nicht normal, der muss auf "Schwachsinnigkeit" getestet werden und am besten auf eine Hilfsschule!

Aus dieser Reihe kenne ich mindestens drei Fälle, wo das Asperger-Syndrom zwischen 2002 und 2007, als die Kinder zwischen elf und 14 Jahre zählten zwar "diagnostiziert", nach einigen Jahren bzw. meist kurz vor oder nach dem Ende der Pubertät durch andere Ärzte aberkannt worden ist. Bei einem kam raus, dass er eigentlich depressiv ist (was der Kinderarzt Jahre zuvor schon angesprochen hatte) der andere war einfach nur das menschliche Ergebnis eines in jeder Hinsicht total merkwürdigen Elternhauses und entwickelte sich im Gymnasium durch gute Gesellschaft Gleichaltriger und gewachsenes Selbstbewusstsein sowie die Abnabelung von den Eltern auf einmal sehr positiv, ein anderer war extrem introvertiert.

Man sollte in vielen Fällen einfach mal schauen, ob nicht der behandelnde Arzt aus lauter Hilflosigkeit und dem "Druck" anderer Instanzen (Schule, Eltern) gesagt hat ... dann ist es halt Asperger, das ist zwar ein geflügeltes Wort, aber rechte Nachteile dürfte er/sie davon auch nicht haben, dann schreiben wir's halt mal auf. Leider kommt das so selten nicht vor - eine schallende Watsche an die ach so tolerante Gesellschaft, die offenbar "Abweichungen von der Norm" trotz allem Gerede nicht aushält.

Das ist oft eine Verlegenheitsdiagnose für eher ruhige und vielleicht ungesellige Kinder, die erteilt wird, "damit was auf dem Papier steht", alle Eltern, Lehrer usw. erstmal schön beruhigt sind, es im Sinne des Normendenkens endlich eine Erklärung gibt, ordentlich Tabletten verabreicht werden können und man gemeinsam versuchen kann, das Kind unter dem "Deckmantel" der Wohltätigkeit "normal zu machen". Und deswegen wird so was dann nicht ernst genommen, weil es zu inflationär anmutet.

Meine Mutter ist selbst Lehrerin mit fast 30 Jahren im Dienst und sagte mir vor einiger Zeit zu dem Thema, dass oft auch junge, ehrgeizige Kolleginnen vor der Verbeamtung sich profilieren wollen, indem sie solche Fälle "aufdecken" und alle Alarmglocken schrillen lassen - ähnliches habe sie auch bei jungen Erzieherinnen beobachtet.

XXX

In den 90ern bzw. unmittelbar vor dieser "Welle" war mal ADS/ADHS eine Art Diagnose für jedes Kind, das nicht permanent stillsitzen konnte und etwas lebhafter war, den Lehrer überforderte und in Richtung "quirliger Pfiffikus" ging - oft mit guten Noten, so dass man anders als mit einer Diagnose nicht habhaft werden konnte. Da heute aber eher die extrovertierten und selbstbewussten Kinder gefragt zu sein scheinen, hat man sich nun auf die Gegenseite fixiert.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Von Experte rotesand bestätigt

"Asperger" ist das neue ADHS: Jedes 2. Kind hat es und keinen juckts aber damit kann man die Macken erklären. Das ist genauso inflationär wie Depression, wer dann wirklich dran leidet wird ausgelacht und in den Topf der Laberköppe geworfen.

Ist mir neu. Aber es gibt leider noch immer Menschen die psychische Krankheiten etc nicht als real ansehen.

Harald2000  07.06.2022, 22:14

Besonders, wenn man nur Vorteile dadurch erlangen will …

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Wird sie das denn nicht? Wie äussert sich das?

Ad Hoc fallen mir 2 möglichkeiten ein warum das sein könnte.

Erstens: ein eventueller ruf als mode Diagnose. Ähnlich wie ADHS ja auch diesen Ruf weg hat.

Zweitens: Nicht unabhängig von erstens. Ein zu geringes verständniss von Autismus. Gerade Aspies verhalten sich ja relativ normal und sind auch recht gut im maskieren was bedeutet das man es gar nicht wirklich bemerkt.

Was wiederum aber dazu führt das die Diagnose unglaubwürdig wirkt weil man eben nicht das "hoch begabte genie" vor sich hat welches aber ansonsten kaum lebensfähig ist. Das gegenüber wirkt ggf. ein wenig komisch. Aber eben nicht wirklich anders als es andere menschen sind.