Warum war Schiller so bedeutend für die Weimarer Klassik?

5 Antworten

N´Abend. Das liegt daran, daß Schiller in seinen Inszenierungen die Gedanken der Aufklärung, denen er sich verbunden gesehen hat, in emotional erlebbare Form gebracht hat. Während Goethe der "bürgerlich-distanziert reflektierende Pragmatiker" war und blieb war Schiller der "selbstverschwendende, revolutionäre Himmelsstürmer". Und genau das macht den Reiz und die Wahrnehmung der beiden auch heute noch aus. Sie wirken wie Antipoden in ein und derselben Sache und stehen für, auch heute noch wirksame "Typologien" zu Einstellungen innerhalb des Bildungsbürgertums. (Andere kennen die beiden ja bedauerlicherweise gar nicht mehr). ;-)

Gruß

Lessing ist der Aufklärung, nicht der Weimarer Klassik zuzurechnen. Goethe begann nach seiner italienischen Reise (1786–1788), den klassischen Autoren nachzueifern.

Unter allen Völkerschaften haben die Griechen den Traum des Lebens am schönsten geträumt.

(Maximen und Reflexionen)

Schillers Don Carlos (1787) ist noch vom Sturm und Drang geprägt. 1794 begann die Freundschaft zwischen Schiller und Goethe. Schiller konnte Goethe als Mitautor für seine Zeitschrift Die Horen (Horen = Jahreszeitgöttinen der griechischen Mythologie) gewinnen.

Hier hat es jemand ganz gut formuliert:

"Dichtung und klassische Kunst nicht als Kissen, das vor der rauhen Wirklichkeit schützt, sondern als der Weg, wie der Mensch wirklich und in der Realität frei wird, das war Schillers Idee.

Die durchschnittliche Frau und der durchschnittliche Mann, der ins Theater geht und auf der Bühne das große Schicksal der Menschheit dargestellt sieht, wird aus der engen Begrenztheit des Alltagslebens emporgehoben.

Wenn das historische Drama den klassischen Standard Schillers erfüllt, dann identifizieren sich die Zuschauer im Publikum mit den Helden auf der Bühne, von deren Handeln das Schicksal ihrer Nation und das Glück oder Unglück ihres Volkes oftmals auf zukünftige Generationen hinaus abhängen, und sie lernen so gleichsam spielerisch, großer [sic!] und erhabener zu denken."

http://www.schiller-institut.de/seiten/journal/archiv/zepp-lar-03-39.htm

Schiller hat zum einen die wichtigsten Dramen der Klassik geschrieben, zum Beispiel Don Carlos, außerdem hat er viele theoretische Beiträge zum Literaturverständnis der Klassik beigetragen, besonders im Hinblick auf das Theater. Außerdem hat er mit Goethe zusammen viele Dinge entwickelt, unter anderem auch im so genannten Balladen ja viele entsprechende Gedichte geschrieben. Die Klassik ist ohne Schiller nicht denkbar. Auch Goethe hätte vieles nicht geschafft, wenn er sich nicht mit Schiller hätte austauschen können. Nicht von ungefähr stehen sie beide zusammen in einem Denkmal mitten in Weimar.

Deine Fragestellung geht von einem völlig falschen (meist schulischen) Verständnis aus!

Namen der Literaturbewegungen oder -Epochen sind doch die wissenschaftliche Bemühung, kategorisierende "Schubladen" für die entstandenen Werke in einer bestimmten Zeit und in möglichst kulturell zusammengehörigen Gebieten der Erde zu finden.

Also sind nicht manche Werke und Ideen Schillers wichtig für die "Weimarer Klassik", sondern bestimmte Werke und Ideen Schillers und in ganz bestimmter Zeit anderer Weimarer Literaten schufen im historisch-literaturwissenschaftlichen Sinne eine "Weimarer Klassik".

Bitte, falls Deine Denkweise in Deiner Schule so für gute Bewertungen erforderlich ist, dann denke weiterhin so, aber, wenn Du eines Tages die Schule verlassen darfst, dann vergiss diese vollkommen falsche Denkweise!

PS: Ich musste auch nach dem Abitur erstmal ein Jahr lang die blödsinnige Darstellung der Kultur zu vieler Lehrer/innen vergessen lernen, um kulturelle Zusammenhänge in den Künsten und der Philosophie endlich verstehen zu dürfen....


paulklaus  06.02.2018, 11:59

Danke ! DH ! Hervorragend !!! Dieses ebenso unsinnige wie falsche Schubladen-Denken dürfte für alle Zeiten unausrottbar bleiben !

Der von dir beklagte nonsense wird aber von den Germanistik-Professoren ("Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren !") weiterhin gelehrt.

pk

1
Skoph  07.02.2018, 09:55
@paulklaus

Ich befürchte, dass die "umgekehrte" Betrachtungsweise viel zu schwierig ist, nicht für die meisten Profs, sondern für die viel zu wenig bzw. eben verbildeten Studenten/innen! - Und erst nach der Promotion darf man ja selbst nachdenken....

In schulischen Lehrplänen wird ja längst auch schon eine bestimmte Thematik (z. B. Krieg, Selbstmord, Homosexualität) als Erörterungsgegenstand beispielhafter Literatur verschiedener Epochen vorgeschrieben, allerdings mit dem "Erfolg", dass die Mehrheit der Abiturienten/innen zwar einmal von "hunderten" Werken gehört, aber fast keine vollständig gelesen und durchdacht haben....

Alles schwierig - in einer Zeit, in der alle altehrwürdigen Geisteswissenschaften bereits im Gymnasium für "sinnlosen Lernballast" gegen das Hightechwissen der Auto- und Computerwelt bewertet werden: "Ausbildung ist wichtig, Bildung ist unwichtig!" - Das höre ich viel zu häufig, die Klügeren dürfen nicht dauernd nachgeben, damit nur immer die Dümmeren siegen!

1
paulklaus  07.02.2018, 12:26
@Skoph

DH ! "Durch das Sprichwort 'Der Klügere gibt nach`.' haben wir bald die Weltherrschaft der Dummen !" (G.B. Shaw)

pk

1
Skoph  07.02.2018, 14:19
@paulklaus

Vielleicht ist das "Pendeln" der Geschichte - was mittlerweile ja viele Historiker/innen als Gewissheit (wissenschaftliche Wahrheit) bewerten - zwischen Krieg und Frieden nicht zu ändern, solange besonders das männliche Gehirn nicht evolutionär zum kulturphilen Pazifismus fortgeschritten ist. Vielleicht wirkt da sogar die (vielleicht) wachsende Sensibilität (z. B. Vegetarismus, Erziehung ohne physische Gewalt, Ehe für alle, rechtl. Anerkennung eines dritten Geschlechts, selbstbewusste Toleranz gegenüber Fremdem) epigenetisch...

1
paulklaus  07.02.2018, 16:26
@Skoph

Nee, nee, ich werde nicht Gefahr laufen, bei GF philosophisch zu werden, aaaber gibt es überhaupt (besonders für den Bereich Geschichte) Gewissheit / wissenschaftliche Wahrheit ?? Historisch gesicherte Erkenntnisse (könnte jetzt spontan 50 Beispiele nennen) gibt es eh nicht, denn was gestern noch müde als Absurdität belächelt wurde, ist heute "gesicherte Erkenntnis" und morgen völlig überholt, überrollt durch neue Erkenntnisse, die ihrerseits usw, usw, usw... - Und was ist schon "wissenschaftliche Wahrheit" ??

"Die Wissenschaft, sie ist und bleibt,

was der ein' vom and'ren schreibt !" (Eugen Roth)

pk

0