Warum stellt die deutsche Lufthansa keine Piloten mehr ein?

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"Warum stellt die LH-Passage keine Piloten mehr ein?"

Ganz einfach: Sie hat genug NFF im Holding und die müssen erst einmal untergebracht werden - was schon schwierig genug ist.

Bis Ende 2018 ist aber jede Ausbildung gestoppt. 

Aber Du hast ja noch mindestens fünf Jahre Zeit. Deshalb reicht es, sich etwa 2021 über eine mögliche  Ausbildund in 2022 zu informieren - und zwar bei LH selbst, nicht hier bei GF.

mariusvon 
Fragesteller
 30.08.2017, 10:23

Eine Frage habe ich noch; Ich lese einfach immer öfter das dass autonome fliegen immer näher kommt und schon in den nächsten Jahren "eintreten" wird. Wie stehst du dazu? Danke und liebe Grüße marius

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ramay1418  30.08.2017, 15:13
@mariusvon

Na ja, gehen würde das heute auch schon, wenn man jemanden hätte (einen Roboter, eine K.I.), der Fahrwerk und Klappen bedient.

Es ist mehr ein psychologisches als ein technisches Problem. Und wenn man weiß, dass die Cockpitcrew immer noch für gut zwei Drittel aller Flugunfälle verantwortlich ist, wird es Zeit, biologische durch "Siliziumintelligenz" zu ersetzen ;-)

Aber wer weiß, was in 10, 20 Jahren alles möglich ist. Selbstfahrende Züge (U-Bahnen in Nürnberg, Singapur, Hongkong) gibt es ja schon; selbstfahrende Autos sind angedacht und schon im Experimentierstadium vorhanden.

Es gibt auch schon Studien für selbstfahrende Hochseeschiffe, also warum sollte es keine pilotenlosen Flugzeuge geben? 

Ich bin aber der Überzeugung, dass Bewerber auch noch nach 2025 eine Chance auf den Pilotensitz haben. Ob sie den aber dann 30, 40 Jahre behalten werden, so wie es heutzutage der Fall ist, ist eine andere Frage.


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Gnosius  31.08.2017, 13:52
@ramay1418

Piloten sind für 2/3 aller Flugunfälle verantwortlich. Stimmt! Optimalerweise wären es 100%. Dann wäre die Technik nämlich perfekt!

Andererseits sind Piloten in 100% der Fälle die letzte Instanz bei allen Fällen gewesen, bei denen ein Unfall gerade noch vermieden wurde. Und das sind doch wohl nochmal hundert mal so viele Ereignisse. 

Aber sicher, wird die KI irgendwann kommen, wie in jedem Job.

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ramay1418  31.08.2017, 17:07
@Gnosius

Ein paar Daten:

Dass einige Piloten ein Unglück verhindert haben, bedeutet ja nicht, dass dies in Zukunft nicht von der Technik gemacht werden kann.

Es gibt auch Fälle, in denen die Technik zumindest gewarnt hat, allerdings von den Piloten „overruled“ wurde und es zum Crash kam.

Und es gibt auch genügend Fälle, in denen die Technik warnte und die Piloten erst im letzten Augenblick reagierten - unter Verstößen gegen einige Sicherheitsregeln, die Hersteller, Airline und Luftfahrtbehörden festgelegt haben.

Solche Verstöße gingen glimpflich ab und gelangten deshalb nicht an die Öffentlichkeit, denn wer von den Passagieren kann z. B. schon beurteilen, ob die Sicherheitshöhe unterschritten wurde, bevor das Flugzeug für den Endanflug stabilisiert war?

Laut Boeings Unfallstatistik (1959 bis 2016 weltweit) passieren die meisten Unfälle mit rund 19 % bei Start und Steigflug und mit 48 % im Endanflug und bei der Landung. Daran hat sich seit Jahren nicht viel geändert.

Dabei steht LOC-I (Loss of Control - In Flight) ganz klar an der Spitze, gefolgt von - man glaubt es kaum - CFIT (Controlled Flight Into or Toward Terrain).

Es gibt eine Doktorarbeit („Verarbeitung und Speicherung von Informationen beim Menschen“, 04/2003, Dr. Harald Hanke, LH-Kapitän), in welcher genau diese Datenverarbeitung mit Zeiten für Reaktion, Reflexion und Problemlösung, aber auch Kommunikation der Crew beleuchtet wird.

Und nicht umsonst ist ein CRM-Seminar heutzutage Pflicht in der Pilotenausbildung. Ohne CRM gibt es keine Lizenz. Aber jeder Computer reagiert ja vieltausendmal schneller als ein Mensch.

Die elektronischen Warnungen inklusive aller Bearbeitungshinweise, die das ECAM anzeigt, sind ja die erste Vorstufe zur K.I. Piloten suchen nicht mehr (oder doch extrem selten) manuell in Handbüchern, sondern arbeiten die angebotenen Lösungsvorschläge ab. Der Trend geht zum „paperless cockpit“.

Gerade Airbus sieht ja die Piloten mehr als Systemmanager denn als Flieger im ursprünglichen Sinn.

Und von 702 Jobs, die in einer Studie der University of Oxford (The Future of Employment, 2013) als durch Computer ersetzbar eingestuft wurden, stehen Piloten an Stelle 204.

OK, das ist nicht ganz oben auf der Liste, aber in der Studie heißt es z. B. zum Thema autonomes Fahren:

„Less than ten years ago, in the chapter “Why People Still Matter”, Levy and Murnane (2004) pointed at the difficulties of replicating human perception, asserting that driving in traffic is insusceptible to automation: “But executing a left turn against oncoming traffic involves so many factors that it is hard to imagine discovering the set of rules that can replicate a driver’s behaviour [...]”. Six years later, in October 2010, Google announced that it had modified several Toyota Priuses to be fully autonomous.“

Die Zeit bis zum vollautomatischen Verkehrsflugzeug wird vielleicht doch keine 30 Jahre dauern.

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Gnosius  04.09.2017, 01:32
@ramay1418

Ich werde es noch bis zur Rente schaffen ;-). 

Aber sicher, jeder ist ersetzbar, selbst kreative Berufe wie z.B. Schriftsteller, habe ich neulich in einer Studie gelesen. In Dubai sollten jetzt ja auch schon Taxi-Drohnen fliegen. War für letzten Monat geplant. Dennoch muss ich aktuell auf jeden Flug ein paar mal eingreifen, weil der Automat Mist baut. Das Problem ist, dass du für noch mehr Autonomie noch mehr Redundanz brauchst und noch mehr Technik, um das Monitoring sicher zu stellen.  Insbesondere für die Außensensoren (Wolken/Turbulenzen einschätzen) gibt es noch viel Arbeit. 

Ich kenne übrigens einige Fälle (und die sind mittlerweile auch von Airbus über OEB eingearbeitet worden), bei denen der Automat ein vollkommen intaktes Flugzeug hätte aus den Himmel fallen lassen. Z.B zwo AoA- Sensoren eingefroren, der dritte, korrekte, wurde vom System als ungültig - da anders- abgestempelt. Nur durch beherztes Eingreifen mittels Abschalten zweier ADRs konnten die protections umgangen werden, die den Flieger in den Stall geflogen hätten. 

Zum Erfassen und Einschätzen von komplexen Situationen ist  noch kein Computer so gut wie der Mensch manchmal sein kann. (Aber das wird auch noch kommen)

Airbus ist übrigens mittlerweile auch von ihren Fehleinschätzung des Piloten als reinem Systembetreuers abgekommen. Es wird wieder viel mehr manuelles Fliegen im Training gefordert. Und aktuell auch viel upset recovery training gemacht, weil man aus dem Air- France-Unfall gelernt hat. Lediglich an ihrer Empfehlung manual flight mit Autothrust on during approach hält Airbus fest. Das machen auch die meisten Airlines so. Recht gefährlich, wie sich gezeigt hat, bei uns ist es zum Glück verboten.

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nee, die haben paar hundert inner warteschleife.

Du hast vielleicht von den Pilotenstreiks im letzten Jahr durch die Medien mitbekommen. Zuletzt hatten die Piloten 2002 gestreikt, also lange bevor Du auf die Welt gekommen bist.

Der Vorstand hatte sich in den Kopf gesetzt, alle neuen Piloten, die größtenteils schon fast mit der Ausbildung fertig waren, nicht mehr zu den Bedingungen des gültigen Tarifvertrags einzustellen. Stattdessen wollten Sie die NFFs (Nachwuchsflugzeugführer) für 40% weniger Anfangsgehalt, deutlich geringere zukünftige Gehaltssteigerungen, weniger Spesen, 33% weniger Urlaub und ohne Zuschüsse für Firmenrente einstellen. Das Ganze am besten im Ausland, wo die Rechte der Arbeitnehmer nicht so gut sind wie hier. Dazu wollte man den Stationierungsort flexibel gestalten, so dass eine Familienplanung schwierig würde.

Die Piloten streikten dafür, dass diese Ausflaggung nicht stattfindet, um den jungen Piloten eine Perspektive zu geben. Durch die Blockadehaltung des Vorstands, Leute einzustellen, sind mittlerweile 850 NFFs zum Teil seit über 5 Jahren in der Warteliste. Anfangs hat man nicht lukrative Strecken eingestellt, aber aktuell verdient man auf allen Strecken Geld. Das rächt sich natürlich jetzt. Viele Flieger stehen auf dem Hof und können nicht bereedert werden, Wachstumschancen können nicht genutzt werden.

Schulungen bilden weitere Kapazitäten, da die Ausbilder mehr im Simulator sind und selbst auf der Linie nicht zur Verfügung stehen.

Vor 6 Monaten haben sich Vorstand und Vereinigung Cockpit offiziell geeinigt, wobei im Hinterzimmer immer noch sehr viele ungelöste Punkte verhandelt werden.

Langsam sollen die NFFs nun eingestellt werden. Es wird aber noch einige Jahre dauern, bis der Berg abgearbeitet sein wird.

Bisher hat jede Airline der Lufthansa-Group ihre eigenen Einstellungsstests und Ausbildung gemacht. Einige haben auch gar nicht selbst ausgebildet, sondern vom offenen Markt die Piloten rekrutiert. Entsprechend unterschiedlich waren die Hürden und das Ausbildungsniveau.

Die Flugschüler wussten aber, worauf Sie sich einlassen: LH-Test bestanden, Einstellung bei LH zu LH-Konditionen.

Das soll sich jetzt ändern: es soll erst einen Einstellungstest zur Ausbildung geben, während der Ausbildung wirst Du öfters bewertet und am Ende machst Du noch mal einen Test und es wird Dir gesagt, ob Du bei Lufthansa Passage anfangen kannst, Eurowings, AUA, Cityline oder doch Brussels Airline. Also ziemlich viele Fragezeichen für die NFFs, keine kalkulierbaren Arbeitsbedingungen oder gar Wohnorte!!!

Das Ausbildungszentrum soll zukünftig in der Schweiz sein.
 Ich denke, das hat den Hintergrund, dass die Schweizer Regierung letztes Jahr angekündigt hat ca. 70.000 Euro/CHF zur Pilotenausbildung hinzuzugeben. In der Schweiz gibt es nämlich viel zu wenig Bewerber für den Job des Piloten. Auch bei der SWISS muss die Ausbildung größtenteils selbst finanziert werden. Die 10%, die den Test schaffen, entscheiden sich aber oft für ein normales Studium. Die Einstiegsgehälter für Piloten sind in der Schweiz zwar höher als in Deutschland, aber viel geringer als für beliebige Studium-Absolventen. Das Anfangsgehalt liegt für Studienabgänger nämlich bei über 8000€ und damit über 30% höher.

Die Lebenshaltungskosten sind in der Schweiz natürlich auch höher.

Die Schweizer Regierung hat allerdings mittlerweile bekannt gegeben, dass diese Zuschüsse natürlich nur für Schweizer Staatsbürger gezahlt werden, von daher sind die Pläne, sich die Flugschule vom Staat bezahlen zu lassen, wohl eher nach hinten losgegangen.

Die langfristigen Chancen für Piloten weltweit sind jedoch sehr gut.

USA, China & Indien haben bis 2030 zusammen einen Bedarf von etwa 100.000 Piloten. In USA und China werden jetzt schon Gehälter gezahlt, die 30-80% über den besten europäischen Konditionen liegen.

Bis Du in 5 Jahren mit der Schule fertig bist, hat sich alles noch dreimal geändert. Hoffentlich zum Guten.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – 15.000 h

Sie haben genug und die sind ihnen zu teuer, weil zu unverschämt.