Warum soll man nicht "bewerten"?

13 Antworten

Wenn du nichts bewertest, kannst du auch nichts vergleichen, und dadurch bist du quasi unangreifbar, psychisch betrachtet.

Akzeptanz ist der Schlüssel um auch in schlimmsten lagen noch gut zurechtzukommen.

Ich lebte 19 Jahre unter extremer Gewalt. Hätte ich da immer auf andere geschaut wie toll die es haben, wäre ich kaputt gegangen.

Mein leben war eben so, ich hab die lage angenommen und das beste draus gemacht. Und das auch mit erfolg. Trotz all der umstände, trotz der brüche mit denen ich in die schule ging usw. Hab ich den abschluss gemacht und sogar den beruflichen abschluss.

Alles trotz dieser extremen gewalt die quasi tagtäglich vorhanden war, zuhause zumindest.

Aber da muss man sich wie gesagt von dem ganzen zumindest in der hinsicht distanzieren, dass man eben den ganzen umständen keinen wert beimisst.

Alles andere hätte sicher nicht funktioniert.

spanferkel14  18.03.2022, 19:57

Sich um des Überlebens willen zwingen, Störendes auszublenden bzw. angesichts dessen abzustumpfen, so würde ich das nennen. Gut, dass du es geschafft hast, das durchzuhalten und trotz alledem deinen Weg zu gehen!

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Dieser Ratschlag "nicht zu werten" stammt nicht von spirituellen Gurus, sondern entweder von Meditations-(Achtsamkeits-)LehrerInnen, oder von Psychologen oder Medizinern, die die Achtsamkeitsmeditation in ihrer Praxis anwenden.

Da du diesen Begriff verwendest, nehme ich an, dass du dich bereits ein wenig mit (Achtsamkeits-)Meditation beschäftigt hast (?)

Und, da du die Frage "noch mal gestellt hast", dass du noch nicht die Antworten bekommen hast, die dir weiter geholfen haben (?)

Leider hast du auf die Antworten, die du bereits bekommen hast, nicht reagiert, so, dass ich nicht weiß, ob du sie auch verstanden hast (?)

In der Meditation ( zumindest in der buddhistischen Achtsamkeitsmeditation ) geht es ja nicht nur darum "ruhiger zu werden", sondern bewusster zu werden.

Und, unser ( klares, unaufgeregtes, ruhiges ) Bewusstsein wird vor allem durch unseren Geist "behindert/getrübt"... Und, da vor allem durch unsere Gewohnheit, jede Wahrnehmung, jedes Gefühl, jeden Gedanken sofort ( automatisch ) zu bewerten. In entweder "positiv" ( = mag ich, will ich haben, oder behalten ), oder "negativ" ( = mag ich nicht, will ich weg haben, bekämpfen ), oder ( seltener ) in "ist mir egal"...

Das ist erst mal Teil der Übung ( in der Meditation ). Denn da wirst du eine Menge Wahrnehmungen haben, denken und fühlen. Du wirst aber gar keine Zeit haben, diese Dinge zu "untersuchen", wenn du sie sofort bewertest, einordnest. Entweder in solche, die dir gefallen, oder in solche, die dir nicht gefallen...

Den einen Eindrücken wirst du "nachhängen", die anderen versuchen, loszuwerden. Und, damit beschäftigst du dich dann. Anstatt, diese Dinge, Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken zu untersuchen...

Das ist auch erst mal ganz normal. Aber, eben nicht Sinn der Übung.

Der Sinn besteht darin, dich von automatischen Reaktionen zu "lösen". Quasi "einen Schritt zur Seite" zu machen, und die Situation neutral zu betrachten.

Das hilft dir dann im Alltag. Wenn du dich dann, beispielsweise durch einen bellenden Hund gestört fühlst, wirst du erkennen, dass es eben nur "Laute" sind, die an dein Ohr dringen. Mehr nicht. Kein Grund, sich aufzuregen.

Oder, irgendwer "beleidigt" dich. O.k., das ist erst mal "das Problem des Anderen" ( der so einen Unsinn von sich gibt ), nicht deines. Kein Grund, ihm zu antworten.

Oder, du riechst etwas Leckeres, den Duft aus einer Bäckerei z.B.. Das ist nur ein Geruch, der dich an etwas erinnert. Kein Grund, in die Bäckerei zu gehen, und Kuchen zu kaufen.

Oder, ein Freund von dir möchte sich nicht mit dir treffen. Du kennst seine Gründe dafür nicht, oder kennst sie nicht nachvollziehen. Kein Grund, dass du entweder an ihm oder dir selbst "zweifelst", und beleidigt oder gar wütend reagierst.

Oder, eine Freundin hat das neueste Handy mit tollen Funktionen. Schön. Dann kann ich mich für sie freuen, muss aber nicht das gleiche Handy kaufen wollen...

All diese Probleme, die wir tagtäglich haben, besser gesagt: uns selber schaffen, entstammen aus dem "Bewerten". Genauer gesagt: aus der Gewohnheit, alles und jeden sofort in eine "Schublade" zu packen. Entweder in die mit der "Aufschrift: Mag ich, ist in Ordnung, tut mir gut", oder in die mit der "Aufschrift: Mag ich nicht, finde ich sch..., tut mir nicht gut". Mit der Realität hat das meist herzlich wenig zu tun !

Wenn wir "bewerten" ( oder urteilen ) sehen wir nur unsere "Realität". Und die unterscheidet sich in der Regel von der fast aller anderer Menschen...

Das ist normal. Es ist aber auch fatal, weil daraus unvorstellbar viel Leid entsteht. Jeder Streit, jeder Krieg, aber auch jede Ungerechtigkeit auf der Welt entsteht dadurch, dass jeder nur seine eigene "Wahrheit" sieht und/oder ernst nimmt. Die der anderen ist nebensächlich, oder schlicht "falsch"...

Aber, nicht nur "Gewalt" in jeglicher Form wird durch "Bewerten" unterstützt. Sondern auch Gier und Sucht in allen Facetten. Wir machen uns selbst zu "Marionetten" unserer Begierden, wenn wir immer sofort, und ohne nachzudenken alles haben wollen, was uns "angenehm" ist.

Wenn "Verzicht" als Problem verstanden wird, nicht als "Übung" oder gar eine Möglichkeit, mal auszuloten, ob wir jeder "positiven Bewertung" hinterherhecheln, oder jedes unangenehme Gefühl loswerden müssen, um "glücklich" zu sein, dann hängen wir tatsächlich in einem üblen Kreislauf fest: Aktion = Re-Aktion.

Dann sind wir nicht frei, sondern "Sklaven" unserer Bewertungen = Vorlieben und Abneigungen. Ein Leben lang. Und, wenn es im Leben "mal nicht gut läuft", werden wird mehr leiden als nötig. Und, wenn es Anderen nicht gut geht, wird uns das nicht kümmern ( es sei denn, diese anderen sind für uns irgendwie "wichtig" )...

So schert sich die Welt nicht umeinander, sondern jeder nur um sich selbst ( und ein paar "liebe Menschen" ). Deshalb sieht die Welt aus, wie sie ist: voller Gewalt, Ungerechtigkeit, Ignoranz und Selbstsucht.

Dem entgegen zu wirken, dient die Übung des "Nicht-Wertens"...

Natürlich gibt es auch Dinge, Geschehnisse, die man durchaus "bewerten" kann und soll ! Wenn ein ;Mann eine Frau schlägt, oder ein Kind vernachlässigt wird, oder Tiere gequält werden, oder die Natur "vergewaltigt"... = Das sind Dinge, die man nicht "hinnehmen" muss oder darf. Aber, dieses "Werten" ist etwas anderes, als das, was in den Meditations-Hinweisen gemeint ist. Es bezieht sich nicht auf "persönliche Befindlichkeiten oder Vorlieben", sondern auf das Allgemeinwohl.

Aber, selbst, wenn es um nicht so dramatische Ereignisse geht, ist "Werten" wichtig. Z.B., wenn du immer wieder Schmerzen hast ( ein Beispiel ). Dann kannst du dir natürlich sagen: "Es ist nur meine Wahrnehmung etc.". Trotzdem aber solltest du mal einen Arzt aufsuchen und die Schmerzen abklären lassen.

Das ist kein Widerspruch ! Bei dem "Werten", von dem Meditationslehrer reden, geht es zunächst mal um kleine Übungen. Dann um etwas größere..., die dazu dienen, aus dem Automatismus auszusteigen, der uns alle beherrscht: auf jede Kleinigkeit sofort zu "antworten", und zwar mit einer "Wertung= gut oder schlecht, oder egal".

Damit hast du dann ein wertvolles "Werkzeug an der Hand", diese extrem komplexe Wirklichkeit besser zu verstehen ( und das Leben darin zu meistern ). Eben ohne den Schleier der Vorlieben und Abneigungen.

Ich wollte dir zu diesem Thema etwas bei YT hochladen. Es wurde aber gesperrt. Deshalb gebe ich dir zwei Links zu meiner "Google-Ablage". 1. einen Ausschnitt aus einem Hörbuch von Jon Kabat-Zinn ( einem Pionier auf dem Gebiet der Achtsamkeitsmeditation in der psychologisch-medizinischen Anwendung: "Unser Hang zum Bewerten": https://drive.google.com/file/d/1dN0tlN68JdYjB0SO4wLknoq3QLQ8MGPM/view?usp=sharing ( Audio, drei-einhalb Minuten ), und 2. "Den inneren Beobachter schulen" von Micheline Rampe ( Audio, zweieinhalb Minuten ): https://drive.google.com/file/d/1ygPV94MkfRd__soFygkqOt6KIPCwQoCy/view?usp=sharing

Von beiden Autoren haben ich auch Videos auf meinem Kanal. Wenn sie dich interessieren, verlinke ich sie dir hier noch.

Nun erst mal: Sorry für den langen Text ! Frage ruhig nach, wenn du etwas nicht verstanden hast.

Liebe Grüße: Manu

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Weil Bewerten das Einteilen in Kategorien ist, welche man ab einem gewissen Reifegrad schlicht nicht mehr anwendet. Die Alternative zum Bewerten ist das Erkennen von Merkmalen. Auf deren Basis werden keine Wertmassstäbe angewandt, sondern es wird kategorisiert, also in erkennbare (objektive oder auch subjektive) Kategorien eingeteilt.

Von Experte LemonFreak22 bestätigt

Bewertungen sind Voraussetzung für Leid. Wenn wir Dinge nicht bewerten, dann können wir uns auch nicht schlecht fühlen und darunter leiden.

"Sollen" ist hier aber nicht unbedingt das beste Wort dafür. Natürlich gibt es einige Leute, die das so formulieren, aber dahinter steht normalerweise keine moralische Bewertung. Stattdessen ist die Idee dahinter folgende: "Wenn du weniger leiden möchtest, dann arbeite daran, Dinge seltener zu bewerten."

Das ist übrigens nicht nur eine spirituelle Behauptung, sondern mittlerweile auch wissenschaftlich ziemlich gut untersucht und bestätigt. Achtsamkeitsmediation wird z.B. auch in der Psychotherapie oft eingesetzt.

Ziel ist es dabei durch wiederholtes Üben die Gewohnheiten unseres Gehirns zu ändern, sodass wir regelmäßig achtsam wahrnehmen was wir empfinden ohne diese Wahrnehmungen zu bewerten und dadurch weniger leiden und zufriedener werden.

Woher ich das weiß:Recherche

Es hat keinen Wert bei Menschen. Findet man was besser, bei anderen, kann Neid entstehen. Bewertet man etwas schlechter, dann kann es zu Überheblichkeit führen.

Es erzeugt negative Gefühle ohne einen Mehrwert für das eigene Leben zu erreichen.