Warum sind Menschen heute so unstet?
Diese Frage knüpft an eine andere Frage an, die ich vor ein paar Tagen gestellt habe. Es ging darin um eine Bekannte, die trotz Studium als Empfangsdame arbeiten will.
Ich habe mich gefragt, wieso man heutzutage jahrelang studieren geht, um dann doch in einem ganz anderen Beruf zu landen. Wäre es nicht besser gewesen, von Anfang an auf Hotel oder Büro zu machen, darin Fuss zu fassen, vielleicht irgendwann aufzusteigen...?
Meine Bekannte hat Sprachen studiert und keinen einzigen Tag eine Stelle gehabt, die auch nur annähernd in diese Richtung ging. Für den Empfang braucht man keine Sprachwissenschaft - es reicht, wenn man in eine Sprachschule geht und ein Zertifikat absolviert.
Ich finde, das muss doch gewaltig anstrengend sein - alle paar Jahre etwas von Grund auf lernen, ohne an das Vorherige anknüpfen zu können. Als was sie nicht alles schon gearbeitet hat: als Kellnerin, als Sekretärin, als Verkäuferin und jetzt plötzlich im Empfang.
Auch gesellschaftlich ist das Ressourcenverschwendung, oder? Am Ende hat man doch nur Halbwissen überall - man ist nirgendwo mehr sattelfest, weder als Akademiker noch als Fachkraft.
Diese Bekannte von mir ist kein Einzelfall in meinem Umfeld. Ich habe das schon oft beobachtet, dass Lebensläufe heutzutage wenig Kontinuität aufweisen. "Von der Pflegefachfrau zur IT-Spezialistin" lautete neulich eine Anzeige auf Linkedin. Es scheint also tatsächlich zum heutigen "Zeitgeist" zu passen.
Haben die Menschen Angst davor, Wurzeln zu schlagen oder woher kommt diese Unstetigkeit im Berufsleben?
- Bitte nur dann antworten, wenn man den Kern der Frage erfasst hat. Lieben Dank.
4 Antworten
Volkswirtschaftlich betrachtet ist das tatsächlich nicht so sinnvoll - aber wir haben halt keine Planwirtschaft. Das Bildungsangebot der Universitäten und die Nachfrage seitens des Arbeitsmarkt sind nur lose gekoppelt.
So kommt es, dass man bei Aufnahme des Studium nicht weiß, wie die Nachfrage nach der erworbenen Qualifikation am Ende sein wird. Man weiß auch nicht, wie gut man fachlich abschneiden wird. Vom Arbeitsmarkt hat man als Studienanfänger ohnehin nur vage Vorstellungen: ob einem die Arbeitsbedingungen dann so gut gefallen werden, dass man den zum Studium passenden Job ein Lebtag lang machen will, steht in den Sternen.
Wenn man so will, ist das von Dir beschriebene Resultat eine Mischung aus Freiheit und Unwägbarkeiten. Wohl dem, bei dem alles zusammengepasst hat. Aber der große Rest muss auch irgendwo bleiben.
Es gibt genügend Studiengänge, bei denen gar kein direkter Zusammenhang zwischen Studieninhalten und wirtschaftlicher Verwertbarkeit besteht. Geisteswissenschaften, künstlerische Fächer - das ist interessant und schön, aber nicht am Arbeitsmarkt orientiert.
Es soll niemand davon abgehalten werden, seine Erfüllung darin zu finden, aber die wirtschaftliche Vernunft sagt eigentlich: studiere besser etwas anderes.
Es fehlt also offenbar das Durchhaltevermögen. Klar wird man als Geisteswissenschaftler nicht das große Geld machen. Und was als Pflegehelfer auf einen zukommt, ist auch von Anfang an klar. Neulich habe ich von einem Mann in einer Führungsposition gelesen, der seinen neuen Job nach nur einem Monat kündigte und dann in etwas ganz anderes wechselte. Dagegen gibt es Leute, die trotz schwieriger Arbeitsbedingungen jahrzehntelang im selben Beruf arbeiten und dies auch gerne tun. Vielleicht haben die Unsteten teilweise auch unrealistische Erwartungen.
In der heutigen Zeit wird Stetigkeit und Durchhaltevermögen auch nicht mehr zwangsläufig belohnt: Vertragswechsler bekommen eine Wechselprämie, während der Bestandskunde das Nachsehen hat. Job-Hopper klettern die Gehaltsleiter schneller empor.
Eher noch unterstellt man jemanden, der jahrelang seinen Job macht, dass er es sich gemütlich darin eingerichtet hat und die Veränderung scheut.
Manch einer hat die Kunst perfektioniert, sich voranzuscheitern und die Nachfolger auf der Stelle erben einen Scherbenhaufen.
Es ist wie mit Eltern werden.
Es ist immer ganz anders, als man es sich vorgestellt hat.
Man lernt dazu, bekommt Rückschläge, zieht seine Schlüsse.
Auch ich habe mal studiert und arbeite grad ganz wo anders. Wie sagt man so schön: es kommt immer anders als man denkt
Gibt halt Menschen die wollen mehr als nur eine Sache lernen oder erfahren. Ich finds gut. Das zeugt von einer gehörigen Portion Mut.
Vielen Dank. Ist das so, dass Studienhalte und wirtschaftliche Nachfrage auseinanderklaffen? Ich habe den Eindruck, dass sich die Unis immer mehr dem wirtschaftlichen Druck beugen.