Warum ist die Wiedergeburt für die Buddhisten eine schreckliche Vorstellung?

9 Antworten

Das musst Du unterscheiden. Generell ist jede Geburt leidbehaftet und unbefriedigend. Wahres Glück ist so nicht möglich, da alles Veränderung, Alter, Krankheit, Tod unterliegen wird. Daher suchen wir nach einem Ausweg vom Leiden, der tatsächlich im Beenden des Kreislaufs der Wiedergeburten bestehen würde. Diesen Weg ist der Buddha gegangen und hat ihn für uns in seiner Lehre beschrieben.

Warum lehrte er aber die anderen Wesen? Aus Mitgefühl und Hilfsbereitschaft, aus grenzenloser Liebe zu allen Wesen, die seit endlosen Zeiten in Blindheit durch die Wüste zu stolpern scheinen, ohne Hoffnung auf eine Oase geschweige denn einen Weg aus der Wüste heraus.

Daher gibt es das Ideal des Bodhisattvas. Um auch allen anderen Wesen den Weg zu weisen, wünscht ein solcher Mensch, auch nach seiner Befreiung wiedergeboren zu werden. Der Dalai Lama formuliert es sinngemäß so: "so lange, wie der Raum besteht und fühlende Wesen leiden, möge ich eine Wiedergeburt nehmen, um ihnen den Weg zur Befreiung zu zeigen." Der jetzige Dalai Lama wird als 14. Wiedergeburt in ununterbrochener Linie angesehen, der dieses Ziel mit aller Kraft verfolgt.

Ich kann es nachvollziehen, dass es für viele erst einmal befremdlich wirkt, sich zu wünschen nicht mehr wiedergeboren zu werden. Aber wenn man sich einmal über das Leben Gedanken macht, dann wird dieser Wunsch sehr viel nachvollziehbarer:

Leben bedeutet meines Erachtens insgesamt eher Leiden, wie glücklich sein. Ich glaube auch dass viele Menschen, die behaupten glücklich zu sein, öfter Leid empfinden wie Glück. Das hat damit zu tun, dass uns glückliche Erinnerungen mehr im Gedächtnis bleiben, wie Leidvolle, sofern diese nicht traumatisch sind. Beispielsweise erinnert man sich gerne daran, welchen Witz man gestern mit einem Arbeitskollegen gerissen hat, aber es tritt in den Hintergrund, wie schwer einem gestern das Aufstehen gefallen ist und wie wenig Lust man hatte zur Arbeit zu gehen. Letzterer Zustand hält zudem auch noch viel länger an. Übrigens ist das auch der Grund, warum so viele Leute sagen, dass früher alles besser war wie heute. Beispielsweise erinnern wir uns gerne daran, dass früher ein Eis 20 Pfennig gekostet hat, aber uns ist weniger präsent, das damals bequeme Überweisungen vom Computer aus nicht möglich waren.

Der Buddha hat auch immer wieder betont, dass zum Leben 4 unangenehme Eigenschaften gehören: "Leben bedeutet geboren zu werden, zu altern, krank zu werden & zu sterben." Den Rest des Lebens dafür in Kauf zu nehmen, der zwar glücklich sein kann, aber bei weitem nicht muss ist meines Erachtens nicht erstrebenswert. Gerade wenn du auf die Geschichte der Menschheit schaust hatten wir es noch nie so gut wie heute. Im Jahr 1800 sind 44% aller Menschen nicht einmal 5 Jahre alt geworden. Den Homo Sapiens gibt es seit 300 000 Jahren & jetzt rechne einmal seit wie lang es so etwas Schmerztabletten, geschweige denn einen wohltuenden Kamillentee bei Halsschmerzen gibt. Zu der Zeit von Buddha gab es zwar schon einen gewissen Fortschritt, aber da war die Lage noch deutlich schlimmer wie heute. Heute hat jeder siebte Mensch berechtigte Existenzängste, da es sein kann, dass er nicht genug Essen oder Medikamente bekommt um zu überleben. Das ist furchtbar, aber im Jahr 1800 waren es 85% der Weltbevölkerung, die derartige Existenzängste hatten. Es kann also auch ganz anders sein.

Im Tierreich sieht es nicht besser, ja sogar oft noch schlimmer, aus. Die allermeisten Tiere kämpfen täglich um ihr Überleben. Wir können in Tiere nicht hineinsehen, aber ich halte sie für unglücklicher wie sie scheinen. Wir hören in der Früh das Zwitschern der Vögel und denken diese Tiere freuen sich. Die meisten wissen wir doch nicht, dass das für die Vögel harte Arbeit ist, da sie durch das Zwitschern auf den Bereich ihres Reviers aufmerksam machen. Ein Tier kann sich keine Schmerzmedikamente kaufen, wenn es physischen Schmerz verspürt, sondern es muss sogar weiter auf die Jagd gehen. Und wenn man dann noch bedenkt, dass man nach buddhistischer Vorstellung als Tier wiedergeboren werden kann, dann ist der Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) besonders fragwürdig. Im Buddhismus gibt es auch noch den Daseinsbereich der Hungergeister (Pretas) & den der Höllenwesen, welche noch schlimmer sind, wie der der Tiere. Also es kann nach der Reinkarnation sogar noch schlimmer kommen.

Natürlich könnte man auf die Schönheit dieser Welt aufmerksam machen und möglicherweise ist sie auch schön, aber auch nur solange man sie von außen betrachtet. Anders ist es, wenn man eine Rolle in dieser Welt einnimmt. Du kannst dir das vorstellen, wie wenn du einen Actionfilm oder Horrorfilme ansiehst. Du siehst dir diesen Film vielleicht gerne an, aber ich glaube nicht, dass du gerne Teil dieser Handlung wärst.

Ich möchte noch anmerken, dass das Eintreffen von guten Ereignissen neutraler Natur ist, weil wir diese Dinge meistens als selbstverständlich nehmen, während das Eintreffen von schlechten Ereignissen sich alles andere als neutral geschweige denn gut anfühlt. Denke bspw. an die erfolgreiche Landung eines Flugzeuges und an einen Flugzeugabsturz. Daher kommt auch der Irrglaube, dass die Welt immer schlimmer wird, da die Menschen mehr Nachrichten mit mehr Gewalt verwechseln.

Woher ich das weiß:Hobby – aktiv praktizierender Buddhist & belesen
Von Experte Buddhismus bestätigt

Einspruch, Euer Ehren😉

Scherz beiseite: Ich kann dich sehr gut verstehen, sind ja sogar die allermeisten Buddhisten gleicher Ansicht.

Aber streng genommen ist es nicht das Ereignis der (Wieder-)Geburt an sich, sondern das, was dadurch/danach kommt, wo sich die Menschen unsicher sind.

Eine Wiedergeburt bringt doch auch die Chance mit sich, frühere Fehler auszubügeln und sich sogar weiter/höher zu entwickeln (was viele Esoteriker glauben). Für uns Laien-Buddhisten ist das Erreichen des "Point of no return" sozusagen das zweithöchste Glück. (Sotapanna-Stadium, von dem kein Rückfall mehr möglich ist).

Andererseits ist es in der Endlosigkeit der Zeit leider so, daß ein ständiges Auf- und Ab herrscht - nicht nur so, daß man einmal ein menschlicher Dagobert Duck ist, dann mal Onkel Donald, sondern es geht auch wieder zurück in untermenschliche Bereiche, in denen das Leid und die Verweildauer erheblich ausgedehnter sind.

Es geht also im Grund genommen um das Wissen, daß - auch wenn es uns momentan gut oder zumindest erträglich geht - in der Unendlichkeit des Samsara absolut keine Sicherheit zu finden ist - erst das Nirvana bedeutet unzerstörbares und höchstes Glück.

Für mich wäre es auch eine schreckliche Vorstellung, z. B. als zwar unter Schutz stehende aber klapperdürr durch's Leben schwankende heilige Kuh wiedergeboren zu werden oder als jemand, der in der Straße einer Großstadt von Geschwüren geplagt langsam verhungert.

Weil im Buddhismus das Leben als Strafe verstanden wird und der Buddhismus als Ausweg aus dieser Strafe gilt. Ziel ist nicht das Leben nach dem Tod sondern das Nirwana, das endgültige Ende.