Verbrennungsenthalpie von Glucose falsch berechnet?

2 Antworten

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Willkommen in der Welt der Experimentalchemie!

Deine Rechnung stimmt, also muß der Fehler am Experiment liegen. Vermutlich hast Du experimentell gepfuscht, und Dein Equipment war auch Mist. Ein Kalorimeter, mit dem man auch gute Zahlen bekommt, hat einen Meter Durchmesser, braucht ein Beck­mann-Thermometer, einen Rüherer, eine Sauerstofflasche, und ist einem Schü­ler nicht zuzumuten. Ich weiß das, denn auch im Studium ist das ein gefürchte­tes Praktikums­beispiel (und frag mich nicht, was ich an diesen beiden Nachmittagen für Böcke ge­schossen habe).

Kannst Du Dein „Kalorimeter“ einmal beschreiben?

Was alles schiefgehen kann:

  • Unvollständige Verbrennung: Glucose brennt schlecht, da bleibt normalerweise ein unverbrannter Rückstand, wenn man nicht mit ≥50 bar O₂ arbeitet.
  • Nur teilweise Wärmeübertragung: Wie stellst Du sicher, daß alle Wärmenergie im Wasser landet und nicht in der Luft? Ein wirkliches Kalorimeter verbrennt die Sub­stanz in einem was­ser­dichten und hitzebeständigen Gefäß, das im Wasser drin­liegt und daher keine Wärme anderswohin verlieren kann.
  • Die Wärmenergie fließt ja auch in Kalorimeter, also zumindest das Gefäß, in dem sich das Wasser befindet. In einer wirklichen Messung eicht an das.
  • Wärmeverlust während des Experiments: Sobald das Wasser erwärmt ist, verliert es Wärme an die Umgebung (durch Leitung, Strahlung oder Dampf). In echt löst man das so, daß man den Temperaturabfall über ein paar Minuten mißt und dann auf den Zeitpunkt Null zurückextrapoliert.
  • Mistequipment: 100 ml Kalorimeterflüssigkeit sind lachhaft, das klassische Bom­ben­kalorimeter (das typischerweise ein bis wenige Gramm Substanz verlangt, so wie in Deinem Experiment) hat ein paar Liter Flüssigkeit. Damit vermeidet man es auch, das Kalorimeter zu so hoch zu er­wär­men, daß Wärmeverluste unhand­hab­bar werden.
  • Mistequipment²: Mit einem ordinären Labor-Thermometer läßt sich sowieso nicht viel messen — ein echtes Bombenkalorimeter hat ein Beckmann-Thermo­meter, das typischerweise nur ein paar Grad Spannbreite hat, aber auf ein Milli­kelvin ge­nau mißt.

Deine Messung war von Anfang an Mission Impossible — die Verbrennungs­enthal­pie von Glucose beträgt −2800 kJ/mol, also setzt ein Sechzigstel Mol Glu­co­se bei der Ver­brennung 47 kJ frei, damit kann man 1 kg Wasser um 11 K erwärmen, und 100 ml um 110 K, also zum Kochen bringen. Sei froh, daß die Wärmenergie sich ver­irrt und Dein Wasser vermieen hat, sonst hättest Du Dir die Finger verbrennen können.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik
ThomasJNewton  04.10.2021, 23:30

So fit bin ich im Labor nicht, hatte nur diverse Verdachte in diese Richtung.

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fevzifattah04 
Fragesteller
 04.10.2021, 23:34

Bei meinem Experiment wurden 3g Kaliumpermanganat und 3g Glucose gemischt und anschließend in ein Reaktionsglas gegeben. Dieses stand in einem Becherglas, gefüllt mit 100ml Wasser und dieses Becherglas war von einer Styropor Isolierung umhüllt.

Wie gesagt müsste die Temperatur circa das 10 fache erreichen. Kann da wirklich 9/10 verloren gehen wegen diesen „Fehlern“ ?

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indiachinacook  04.10.2021, 23:54
@fevzifattah04

Dann hast Du aber nicht die Reaktion

C₆H₁₂O₆ + 6 O₂ ⟶ 6 CO₂ + 6 H₂O

vermessen, sondern etwas anderes … ich phantasiere mir jetzt eine Reaktions­gleichung zusammen, oder eher ein paar Varianten davon

C₆H₁₂O₆ + 8 KMnO₄ ⟶ 6 CO₂ + 6 H₂O + 4 K₂O + 8 MnO₂
C₆H₁₂O₆ + 8 KMnO₄ ⟶ 2 CO₂ + 6 H₂O + 4 K₂CO₃ + 8 MnO₂
C₆H₁₂O₆ + 6 KMnO₄ ⟶ 6 CO₂ + 6 H₂O + 3 K₂O + 3 Mn₃O₃

Rechne dazu mal die Standardreaktionsenergien aus den Standardbildungs­ener­gien aus, vermutlich sind sie kleiner als die 2800 kJ/mol für Glucose+O₂.

Wie hast Du verhindert, daß die Gase Wärme abtransortieren? Wenn ich das richtig ver­stehe, dann war das Becherglas mit dem Wasser in Kontakt zu den Ver­bren­nungs­gase, aber die konnten ja auch daran vorbeiströmen und in die Um­gebung ent­kommen. Und wo war das Styropor? Doch nicht um das Becher­glas her­um, das wäre ja kontraproduktiv.

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ThomasJNewton  05.10.2021, 00:47
@indiachinacook

Wobei erschwerend hinzukommt, dass die Molmasse von Kaliumpermanganat fast so groß ist wie die von Glucose. Eine vollständige Oxidation ist mit 3 g KMnO₄ nicht annähernd möglich.
@fevzifattah04: Wenn die Reaktion nicht stattfindet, darf man natürlich auch die Reaktionsenthalpie nicht verwenden.

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Die Standardbildungsenthalpie gilt für die Bildung aus den Elementen, also
6 C + 6 H₂ + 3 O₂ -> C₆H₁₂O₆
und nicht für die Synthese aus Kohlendioxid und Wasser, was ja die Umkehrung der Verbrennung ist.

Die Verbrennungsenthalpie von Glucose beträgt jedenfalls rund 2800 kJ/mol oder rund 47 kJ für 3 g.

c = ΔQ/(m*ΔT) also ΔT = ΔQ/(c*m) also ΔT = 47 kJ/(0,1kg*(4,2kJ/kg*K)) = 112 K.

Und jetzt bin ich gespannt, ob jemand einen Denk- oder Rechenfehler findet.

indiachinacook  04.10.2021, 23:26

Danke, daß Du meine Rechnung bestätigst — dieses Experiment muß sich jemand aus­gedacht haben, der routinemäßig einen anderen Körperteil als das Hirn zum Denken zweckentfremdet..

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fevzifattah04 
Fragesteller
 04.10.2021, 23:30
@indiachinacook

Ich verstehe das nicht so genau. Ich habe dieses Experiment im Chemie Unterricht durchgeführt und kam eben auf diese Werte. Dass das Endergebnis nicht stimmen kann weis ich, aber warum es nicht stimmt, weis ich leider nicht. Eigentlich sollte alles so berechnet sein wie die Formeln es uns vorgeben.

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