Vater ist sauer wegen meinem Bildungsstand?
Langer Text.
Ich habe Anfang der 12. Klasse (G9) am Gymnasium abgebrochen und meinen Realschulabschluss mit 2,5 (über das Gymnasium automatisch bekommen). Ich mache jetzt eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement. Mein Zeugnis aus dem ersten Lehrjahr hat nur Einsen und Zweien.
Mein Vater ist sauer auf mich und meint ich soll was Besseres lernen und ob das mein ernst sei, dass ich mein ganzes Leben Bürokauffrau bleiben will. Ich solle doch Abitur machen und studieren, damit was aus mir wird.
Ich versuche ihm immer wieder aufs Neue zu erklären, dass ich das Abitur nicht schaffe und ich nicht studieren kann. Meine Eltern haben bis zuletzt 48€ pro Woche (Doppelstunde) für Nachhilfe in Mathe ausgegeben, trotzdem habe ich nichts verstanden. Ich habe nach der Schule geweint und massive psychische Probleme bekommen. Ich musste abbrechen. In meinem Bundesland ist auch Mathe im Abi Pflicht. Er macht mir Vorwürfe und schreit mich oft an, ich solle mich doch mal anstrengen, ich habe so viel Potential, ich hätte es ja nicht mal versucht. Aber ich selbst habe erkannt, dass es einfach nicht geht. Ich habe immer versucht meinem Vater klarzumachen, dass ein Realschulabschluss nichts Schlechtes ist und das nicht schlimm ist, aber er ist immer noch sauer
Wie soll ich damit umgehen? Wir haben Streit deswegen. Er tut so als wäre ich die Dümmste aus der Familie (was vllt auch stimmt, da er und seine Eltern beide studiert und gute Jobs haben), aber das geht ja nicht, dass er so mit mir umgeht und nur noch sauer ist deswegen. Was würdet ihr machen und sagen? Eine eigene Wohnung kann ich mir in der Ausbildung nicht leisten.
5 Antworten
Das Problem teilst du mit vielen Kindern deren Eltern meinen das Abitur sei das non plus ultra des Lebens.
Du kannst ihnen gerne von mir berichten. Ich habe mit einem qualifiziertem Hauptschulabschluss meine Berufslaufbahn begonnen. Ich ging auf die Kinderpflegeschule habe zeitgleich dort den erweiterten Realschulabschluss gemacht. Damit ging ich dann auf die zweijährige Schule für Sozialassistenz. Da ich Erzieherin werden wollte musste ich weiter machen. Nach dem Ende der Sozialassistentenschule ging ich auf die Fachschule für Sozialpädagogik und machte dort den Beruf der Erzieherin. Zeitgleich erreichte ich damit das Fachabitur. Das war vor über 20 Jahren.
Derzeit mache ich ein Studium zur Kitaleitung. Als Kitaleitung verdiene ich dann später etwa um die 6000 Euro und da kommt noch ein Bonus drauf pro 100 Kinder die ich betreue. Hier in meiner Gegend haben die Kitas meist über 300 Kinder. Da heißt, finanziell schwimme ich dann mit den großen.
Selbst jetzt als Erzieherin habe ich im Monat ein Taschengeld von ca 1000 Euro. Einfach nur zum Verballern wenn ich wollte. Vom Rest zahle ich Miete, Essen, Strom und Co. Und beim Rest sind auch Rücklagen für die Rente dabei. Natürlich gebe ich die Kohle nicht komplett aus, auch wenn ich könnte. Da wird noch mehr zurück gelegt.
Aber du siehst, etwas anständiges, was sich finanziell auch lohnt kann man immer erreichen. Selbst wenn man mit einem Hauptschulabschluss begonnen hat. Vielleicht sollte das deinen Eltern mal jemand sagen.
Vielleicht bleibst du ja auch gar nicht auf deinem Job den du dir ausgesucht hast. Stell dir vor du lernst in ein paar Jahren einen Kerl den du unheimlich liebst und dann lässt du den Job sausen und gehst als Mutter weiter deinen Weg und dein Mann verdient so viel das es zum Leben reicht. Oder aber du machst ne tolle Weiterbildung, dein Chef steckt dich in eine andere Abteilung du bist dann im Management und du weißt nicht wo hin mit den Millionen. Oder aber du sagst in ein paar Jahren, du hast keinen Bock mehr aufs System und lebst als alternativer Einsiedler im Wald und bist von da an Öko....
Ich weiß, das sind so Gedanken die werden sicher nicht eintreffen. Aber eins weiß ich. Im Leben läuft es nicht immer so wie man es plant. Und selbst der bestbezahlte Job kann in der Armut landen. Das sollte deine Eltern klar werden.
Wenn dir der Beruf gefällt ist die Ausbildung doch erstmal okay, und du kannst ja auch der Ausbildung dann immer noch Abitur und Studium in Angriff nehmen.
Kannst machen was du willst mit deinem Leben und Eltern sollten aufhören etwas in ihre Kinder hinein zu projizieren. Wenn du keinen Bock auf Abi hast dann lass es. Besser wäre es natürlich immer so viel Bildung wie möglich anzusammeln.
Wer studiert, ist nicht automatisch intelligent, ich habe das Abitur hinter mir und was da so für Menschen rumgelaufen sind, hatte nichts mit höherer Bildung zu tun. Ich kenne so viele Leute, die ewig lange mit studieren verbracht haben und am Ende in einem Beruf gelandet sind, wo sich das null gerechnet hat. Da fragt man sich wirklich, warum alle so aufs Studieren geiern. Wenn dein Vater glaubt, ein Studium/Abi würde irgendwas beweisen oder dich automatisch weiterbringen, liegt er komplett falsch.
Frage Deinen Vater
- soll ich Deinem Bild einer Idealtochter entsprechen oder glücklich leben?
Denn offensichtlich geht beides zusammen nicht.