Was ist der Unterschied zwischen Gnostiker, Baptisten und Protestanten?

2 Antworten

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Gnostiker ist ein Sammelbegriff, der in erster Linie auf mehr oder weniger christlich beeinflusste Menschen in der Antike angewandt wird. Grundlage der Gnosis oder Gnostik ist aber ein letztlich nichtchristliches Weltbild.

Es geht meist darum, dass der Schöpfer der Welt böse oder unfähig ist, dass die Seelen im Körper gefangen sind und durch die wahre Erkenntnis (auf Altgriechisch gnosis) daraus befreit werden sollen. Die "Details" der Lehre waren dann sehr unterschiedlich, der Begriff ist so schillernd wie heute "Esoteriker".

"Christlich" wird das ganze nur insoweit, als Jesus da ins Lehrsystem irgendwie als Avatar oder als Lehrer der Erkenntnis eingebaut wird, aber eben nicht als Erlöser im christlichen Sinn.

Protestanten oder besser (höflicher) evangelische Christen ist auch eine Sammelbezeichnung, es geht um Leute, die sich von der oder von denen sich die katholische Kirche getrennt hat. Entgegen einer landläufigen Meinung gab es die auch schon vor Luther, vor kurzem wurde an den vor 500 Jahren (06.07.1415) von der Inquisition verbrannten evangelischen "Vorreformator" Jan Hus erinnert.

Das Wort "evangelisch" ist von Evangelium abgeleitet, der in Neuen Testament enthaltenen Botschaft, dass wir gerettet werden, wenn wir darauf vertrauen, dass Jesus wegen unserer Sünden gestorben und wieder lebendig geworden ist und uns so gerettet hat. Was die katholische Kirche nicht immer verkündet hat, und aus evangelischer Sicht auch heute nicht immer so deutlich sagt, wie das nötig wäre. - "Protestant" bezeichnete ursprünglich einen Teilnehmer an der Protestation von 1529, einer Art "Verfassungsbeschwerde" der evangelischen Reichstände vor dem Kaiser. Es wurde dann bald zum Schimpfwort für evangelische Christen (das Gegenstück war "Papist", aber das sagt heute niemand mehr).

Alle evangelischen Christen haben gemeinsam, dass eine Kirche keine eigenen "unfehlbaren" Wahrheiten verkünden darf, sondern nur, was in der Bibel steht, oder anders ausgedrückt: die Christen sollen nicht alles glauben, was sie von ihrer Kirche hören, sondern auch selber in der Bibel lesen und prüfen, was ihnen vorgesetzt wird. Deshalb lehnen evangelische Christen auch solche Dinge wie das Zölibat oder den Unterschied zwischen Priestern und Laien ab (Pastoren sind nur gewissermaßen "Spezialisten" auf Grund ihrer Ausbildung, aber eben nicht prinzipiell anders als andere Christen auch).

Baptisten sind eine Richtung ("Denomination") unter den evangelischen Christen. Weltweit gibt es relativ viel davon (mehr als Lutheraner), in Deutschland aber nur relativ wenige. Der Name kommt daher, dass sie nur Gläubige taufen, die das auch selber wollen (vgl. altgriechisch baptizo = "jmd. untertauchen, taufen"), eine Lehre bzw. Praxis, die sie von den Täufern übernommen haben. Für Baptisten ist außerdem die Religionsfreiheit wichtig, sie haben sie nicht nur für sich gefordert (wie schon z.B. Luther), sondern auch anderen zugestanden.

In Deutschland gehören viele baptische Gemeinden zum Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden, zu dem allerdings auch manche Darbisten gehören. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist vergleichsweise groß, weshalb viele Gemeinden extra noch "(Baptisten)" hinter die Bezeichnung "evangelisch-freikirchliche Gemeinde" setzen.

Daneben gibt es noch Baptisten, die aus Russland eingereist sind. Diese Gemeinden sind meist ziemlich streng - in einigen wird Wert auf eine Kleiderordnung gelegt, die schon galt, als ihre Vorfahren aus Deutschland nach Russland auswanderten. Gut, das war jetzt übertrieben, aber bei manchen Gemeinden leider nur etwas übertrieben.

Nicht russlanddeutsche Baptistengemeinden sind meist relativ locker. Wie die meisten Freikirchen.

Wie sieht der Gottesdienst aus?

Bei Gnostikern: keine Ahnung. Die "Rosenkreuzer", die sich als Gnostiker sehen, pflegen geheime Rituale, ob das als "Gottesdienst" bezeichnet werden kann weiß ich nicht.

Evangelische Christen (bzw. Protestanten): sehr unterschiedlich, zwischen Lutheranern, Baptisten und anderen gibt es nur sehr allgemeine Gemeinsamkeiten (z.B., dass irgendwelche Lieder gesungen werden und die Predigt wichtig ist).

Bei Baptisten: es gibt keine feste Form, das regelt jede Gemeinde selbst. Mit Sicherheit gibt es Gemeindegesang, aber schon wie der aussieht kann sehr unterschiedlich sein (eine Gemeinde von überwiegend älteren Leuten hat da andere Präferenzen als eine, in der die Mehrheit unter 30 ist ;) ). Garantiert gibt es eine Predigt über einen Bibeltext, und häufig auch irgendeinen Baustein (vorgelesener Text, "Anspiel", Clip aus dem Internet, ...) der die Predigt vorbereiten soll. Aber wie gesagt: das hängt auch von der Gemeinde vor Ort ab.

helmutwk  11.09.2015, 08:59

Erst mal ne Korrektur: natürlich sind es seit 1415 600 Jahre her. irgendwie erlaubt GF nicht, dass ich das korrigiere ...

Und eine Frage vorab, gibt es eine Religion, die sich mit Wissenschaft und glauben gleichzeitig befasst?

Es gibt die Sekte der "christlichen Wissenschaft", die u.a. sagt, dass Krankheit nicht real ist und wer das durchschaut nie sterben wird (die Gründerin ist übrigens an Krebs gestorben). Die Mitglieder davon heißen "Christi Wissenschafter" (ohne "L"!). Aber das hast du wohl kaum gemeint.

Ansonsten steht so ziemlich jede Kirche der Wissenschaft positiv gegenüber, auch wenn es manchmal Ausnahmen gibt (ich sag nur "Kreationismus"). Und um gewissermaßen beim Thema zu bleiben: bei einer Baptistengemeinde kann es sein, dass Einige darin dem Kreationismus anhängen und andere nicht ...

Im Übrigen ist mir nicht ganz klar, was du mit "befassen" genau meinst. Jemand kann sich beispielsweise mit der Frage befassen, welche Voraussetzungen die Wissenschaft hat, was sie leiten kann, und was nicht, und wie das, was Wissenschaft geleistet hat, mit seinem sonstigen Weltbild zusammenpasst. Das wär dann Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie bzw. Metaphysik.

Was nicht geht: Gott oder andere religiöse Konzepte in die Wissenschaft einbauen. Das verstößt gegen die Regeln der Wissenschaft ("methodischer Atheismus"), die damit zugleich den Teil der Realität eingrenzen, der der Wissenschaft zugänglich ist. Insofern sind Wissenschaft und Religion unvereinbar. Aber genau deshalb können dann auch Atheisten, Buddhisten, Christen, Hindus, Juden, Muslime etc. die Ergebnisse der Wissenschaft relativ problemlos in ihr Weltbild einbauen.

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helmutwk  11.09.2015, 15:36
@helmutwk

Ah, ich hätte mich nicht auf mein Gedächtnis verlassen sollen ... die Frau starb nicht an Krebs, sondern an Lungenentzündung.

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Luckybear 
Fragesteller
 11.09.2015, 17:37

vielen Dank für diese umfangreiche Antwort! :)

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Die katholischen Jesuiten studieren Theologie und ein "weltliches" Fach, also auch Naturwissenschaften. Ein Bekannter von mir kannte einen Jesuiten, der Statiker war. In Indien gibt es Kalenderbauten, die von Jesuiten erbaut wurden. Der Vatikan unterhält eine Sternenwarte mit geistlichen Astronomen.

Gnostiker halten sich aus allem raus und halten alles für möglich, glauben aber nicht an die Möglichkeiten.