Unterschied Gefühle für Jemanden und Empfinde für Jemanden?


17.07.2022, 10:59

Wieso keine Antwort

1 Antwort

Eine interessante Frage, Martina!

Ja, Gefühl und Empfindung sind durchaus zwei verschiedene Arten des seelischen Erlebens.

Allgemein kann man sagen, dass mit dem Fühlen Wahrnehmungen einhergehen, die bis in das Körperliche hinabreichen und auch körperliche Reaktionen hervorrufen können. Das Fühlen ist also deutlich mit dem unbewusst instinkt-und triebgebundenen Erleben verknüpft, weshalb Gefühle mehr oder weniger spontan und unvermittelt die Seele ergreifen und es nicht immer leicht ist, sowohl sie zu beherrschen und zu unterdrücken als auch bewusst hervorzurufen.

Empfindungen werden bis hinauf in den Bereich des bewussten Denkens wahrgenommen. Das Denken überblickt ruhig und objektiv das seelische Erleben und vermag dessen "Gestalt", dessen charakteristisch Wesenhaftes zu erkennen und zu definieren. Da die Empfindungen bewusst wahrgenommen werden, ist es auch möglich, sie selbstbeherrscht aufzurufen oder zurückzuhalten.

Wenn uns z.B. ein wütender großer Hund entgegenspringt, überfällt uns jäh Angst und Furcht. Das Herz fängt an wild zu schlagen, wir zittern, schwitzen, werden kreidebleich und fühlen uns wie gelähmt. - Oder wir lernen einen Menschen kennen, in den wir uns schnell "verlieben"; auch dann fühlen wir mit dem Verliebtsein körperliche Veränderungen, die beim sehnsüchtig-verträumten Schwärmen die Gesichtszüge "verklären", Gestik und Gang langsam und hinfällig werden lassen und zutiefst schmerzvolle tränenreiche Stunden bereiten.

Angst, Furcht, der sehnsüchtige Liebesschmerz und jegliche spontane Seelenregung sind Gefühle, da sie unmittelbar den physischen Körper durchströmen, und in den meisten Fällen werden sie auch durch physisch-äußerliche Erlebnisse ausgelöst.

Empfindungen wiederum erleben wir beim bewussten, neutralen und vorurteilsfreien Betrachten der Dinge. Wenn wir etwa durch eine wilde Bergwiese streifen und uns bewusst ganz unseren Eindrücken hingeben, erhebt sich unsere Seele hinauf zum klaren Denken, und beide "zeugen" das Lebendig-Wesenhafte des Erlebten, regelrecht zum Greifen nah. Dieses Wesenhafte offenbart uns dann vor dem geistigen Auge dasjenige, was wir als den übergeordneten Sinn des Wahrgenommenen erkennen. Dann nämlich "fühlen" wir nicht nur, was uns die Wiese mit ihren Farben, Formen, Düften, Gerüchen, Lauten und Geräuschen sinnlich genießen oder verabscheuen lässt und uns zu ganz persönlichen, rein sinnlich-egoistischen Vor-Urteilen verleitet, sondern wir gewahren durch alles - die schönen und "hässlichen" Blumen, Kräutern, Insekten und Spinnen usw. - die wunderbare harmonische kunstvoll-geniale Geordnetheit und Schönheit in den Reichen der Natur, und wir erhalten die klare Gewissheit über ihren machtvollen lebendig-fühlenden und empfindenden Schöpfer-Geist im all-ewigen väterlichen Weltengrund.

In gleicher Weise empfinden wir, wenn wir uns in einen Menschen hineinversetzen: Wir werden uns nach und nach seiner guten und üblen Seiten bewusst, wir bilden uns sein wahres Wesen ein - hier im besten Sinne des Wortes - und erhalten von ihm seine seelisch-geistige Form und Gestalt. Diese "Ein-Bildung" vermittelt uns den Gesamteindruck von diesem Menschen und erwirkt dasjenige, was wir ihm gegenüber bewusst erlebend empfinden. -

Gefühle entstehen spontan durch das unbewusste instinktiv-triebgebundene sinnliche Erleben äußerer Eindrücke (dazu zählen auch die "über-sinnlichen" Wahrnehmungen von Gedanken und Worten!) Sie können aus ihren traumhaften Tiefen heraus nur schwer bewusst hervorgerufen, unterdrückt oder abgewehrt werden. Das Sinn- oder Un-Sinnhafte kann, will oder darf den Gefühlserlebnissen nicht abgewonnen werden; hier zählt der Überlebenstrieb und das selbstbezogene Streben nach Lust und Genuss bzw. nach Vermeidung von Leid und Schmerz.

Empfindungen bilden sich durch das bewusste Erleben und Auf-sich-wirken-lassen äußerer und innerer Eindrücke. Somit können Empfindungen auch bewusst hervorgerufen, unterdrückt oder verhindert werden, weil hierbei Seele und Geist, "Herz" und "Verstand" zusammenwirken und in der lebendigen harmonischen Ganzheit dessen universalen übergeordneten Sinn erkennen. -

So in etwa würde ich die Sache artikulieren - und Deine sehr gewichtige Lebensfrage nach Möglichkeit zu beantworten versuchen!