Um was für eine Art phylogenetischen Baumes handelt es sich hierbei?

2 Antworten

Von Experte myotis bestätigt

Moin,

das ist ein Dendrogramm, das die Phylogenie der Säugetiere zeigt.

Man kann das Dendrogramm auch als Kladogramm bezeichnen (aber ein Kladogramm hat in der Regel keine Zeitleiste, die hier gegeben ist; siehe die Zahlen auf der x-Achse).

Beides sind Diagrammformen, die der Clusteranalyse dienen. In einer Clusteranalyse bildet man Paare von Objekten oder Objektgruppen, die Gemeinsamkeiten teilen. In der Phylogenie (Stammesentwicklung) hat sich für die Ermittlung von Gemeinsamkeiten die Bewertung nach der Methode Hennig etabliert, bei der Merkmale von Lebewesen nach abgeleiteten (apomorphen) und ursprünglichen (plesiomorphen) Merkmalen unterschieden werden.

Eine Verwandtschaft kann man dabei nur mit apomorphen (abgeleiteten) Merkmalen begründen (erstmaliges und - möglichst - einmaliges Auftauchen des Merkmals im Stammbaum). Ein einmal aufgetauchtes (apomorphes) Merkmal ist für die zusammengefassten Elemente danach ein plesiomorphes Merkmal.

In deinem Dendrogramm wäre beispielsweise der Besitz von Milchdrüsen und das Säugen von Jungtieren an der Basis des Dendrogramms (ganz links) ein apomorphes (abgeleitetes, neues) Merkmalspaar, das alle Säugetiere vereint und gegen alle anderen Lebewesen abgrenzt.
Aber später - zum Beispiel bei der Beurteilung der verwandtschaftlichen Beziehungen des Elefanten und des Schnabeltiers - wäre es gegenüber anderen Säugetieren ein plesiomorphes (jetzt ursprüngliches) Merkmal, mit dem man die nähere Verwandtschaft dieser beiden Tiere nicht mehr begründen könnte.

Milchdrüsen & Säugen der Jungtiere zeigt nähere Verwandtschaft zwischen Elefant und Schnabeltier gegenüber einer Kreuzspinne (Außengruppe), aber nicht gegenüber eines Zebras (das auch ein Säugetier ist)...

Entschuldige die Ausschweifung, aber ich liieebe dieses Thema...

LG von der Waterkant

Philipp3141 
Fragesteller
 21.04.2023, 18:46

Wirklich gut!
Ich bin gerade im 2. Semester Biologie. Wie weit bist du schon? Wie sind oder waren deine Noten? Du scheinst ja sehr versiert zu sein

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DedeM  21.04.2023, 19:47
@Philipp3141

Ich bin schon seit langem fertig mit dem Studium. Meine Noten waren okay; ein Zweierschnitt (also nicht besonders überragend).

Aber die Evolution (mit allem Pipapo) hat mich schon immer sehr begeistert. Und in der Uni wurde mir diesbezüglich noch einmal der Horizont erweitert (obwohl ich die Unizeit als solche eher schrecklich fand).

Heute arbeite ich als Lehrer und bin - das darf ich sagen, obwohl es ein bisschen eingebildet klingt - erfolgreich, beliebt und - das wichtigste: sehr zufrieden und glücklich...

Du weißt doch: Wer seinen Beruf liebt und gerne ausübt, der arbeitet keinen einzigen Tag in seinem Leben. Das kann ich bestätigen.

Nochmals ein lieber Gruß von der Waterkant

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DedeM  21.04.2023, 19:47
@DedeM

P.S.
Ach ja, viel Erfolg in deinem Studium (und später im Beruf!).

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Ein Dendrogramm ist ganz allgemein ein Stammbaum jeder Art, also ist der dargestellte Stammbaum schon mal ein Dendrogramm. Kladogramme enthalten außer dem Verzweigungsmuster keine zusätzliche Information, d. h. die Astlänge ist ohne Bedeutung. Wie du sehen kannst, enthält die Astlänge aber eine zusätzliche Information, denn es gibt unten eine Skala. In diesem Fall ist es eine Zeitleiste und somit ein Chronogramm, das zu den ultrametrischen Stammbäumen gehört. Literaturempfehlung: Knoop & Müller - Gene und Stammbäume.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
Philipp3141 
Fragesteller
 21.04.2023, 20:25

Komisch. Bei uns wurde ein Dendrogramm erklärt als Diagramm, welches verwandschaftsgrad, evolutive distanz und zeitliche abfolge anzeigt

Hier die Folie

https://ibb.co/jrNJsQb

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Philipp3141 
Fragesteller
 21.04.2023, 22:36
@myotis

Ja, ist alles neu für mich, sehe die Übershcneidungen noch nicht so gut wenn dasselbe Thema aus anderen Blickwinkeln erklärt wird.

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myotis  21.04.2023, 22:43
@Philipp3141

Die verwandten Arten sind über wenige Stufen erreichbar - je mehr Knoten du rauf und wieder runter laufen musst desto weitläufiger ist die Verwandtschaft...

...und logischerweise waren Knoten weiter oben (links im Diagramm) früher in der Entwicklung als die Verästelungen weiter unten (rechts in der Grafik...)

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Darwinist  22.04.2023, 11:11
@Philipp3141

Das Wort Dendrogramm leitet sich aus dem Griechischen δένδρον (dendron) für Baum und γραμμα (gramma) für Geschriebenes zurück. Ein Dendrogramm ist also einfach ein Stammbaum jeder Art.

Ein Kladogramm gibt das Verzweigungsmuster (Topologie) wieder. Die Astlänge ist ohne Bedeutung.

Phylogramme sind metrische Stammbäume. Das heißt, dass die Astlänge zusätzliche Information liefert. Oft gibt sie die Distanzwerte (z. B. die Anzahl an unterschiedlichen Nukleotiden in der DNA-Sequenz) wieder. Je länger der Ast, umso größer sind die Unterschiede usw. Ein Ast mit zwei NukleotidenbUnterschied ist z. B. doppelt so lang wie ein Ast mit einem Nukleotid Unterschied. Wenn du dir deine Folie einmal anschaust und den mittleren (metrischen) Stammbaum betrachtest, wirst du sehen, dass die Äste unterschiedliche Längen haben. Außerdem enden die Endäste auf unterschiedlicher Höhe. Der ganz linke Ast endet z. B. tiefer als der Ast ganz rechts. Der zweite Ast von links endet noch tiefer als der erste Ast von links usw.

Bei ultranetrischen Bäumen (Stammbaum ganz rechts) enden die Endäste alle auf derselben Höhe, d. h. sie haben alle dieselbe Distanz zur Wurzel des Stammbaums. Wenn man jeweils zwei Schwestertaxa mit ihrer Wurzel als Dreieck darstellt, ergibt sich also immer die Form eines gleichschenkligen Dreiecks. Wenn du dir den Baum auf der Folie anschaust, dann suehst du, dass der ganz linke und der ganz rechte Ast auf derselben Höhe enden, genau wie alle anderen Äste. Verwirrenderweise werden ultrametrische Bäume manchmal ebenfalls Dendrogramme genannt, weshalb deine Folie hier nicht ganz unrecht hat. Weil die Äste auf derselben Höhe enden, kann man an ultrametrische Bäume eine Skala anlegen und deshalb mit ihnen evolutionäre Zeiträume darstellen, d. h. Aussagen darüber treffen, was sich wann voneinander getrennt hat. Wenn die Skala direkt die Zeiträume selbst angibt, z. B. in Mio. Jahren, dann wird ein solcher ultrametrischer Baum auch Chronogramm genannt (aus dem Griechischen Χρόνος (Chronos) für Zeit). Angegeben werden kann die evolutionäre Zeit aber auch indirekt über molekulare Distanzen, die mit Hilfe einer molekularen Uhr ermittelt wurden. Vorausgesetzt wird dafür die Annahme, dass die Mutationsrate der DNA-Sequenzen über die Zeit konstant ist.

Das Wort Dendrogramm wird also (leider) unterschiedlich gebraucht; entweder allgemein für Stammbäume oder speziell für ultrametrische Stammbäume.

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Philipp3141 
Fragesteller
 22.04.2023, 17:39
@Darwinist

jetzt verstehe ich, vielen dank.

Entschuldige, ich habe die Hilfreichste Antwort dem schnelleren Antwortenden gegeben und habe erst im Nachhinein deine ausführliche Erklärung gesehen - ansosnten hättest du dann den Stern bekommen.

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