Sind Analogie und Konvergenz nicht dasselbe (Biologie)?

3 Antworten

Beide Begriffe beziehen sich im Endeffekt auf dasselbe, häufig werden sie synonym gebraucht. Wenn man es genau nimmt, gibt es aber einen kleinen Unterschied. Analogien sind einander ähnliche Strukturen, die sich voneinander unabhängig entwickelt haben. Zum Beispiel sind die Flügel von Vögeln (Aves) und Fledertieren (Chiroptera) zueinander analog; sie entstanden unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeiten. Das Gegenteil von Analogie wäre Homologie, also Ursprungsgleichheit. Homologien sind Strukturen, die von einem gemeinsamen Vorfahren stammen.

Konvergenz oder konvergente Evolution oder auch Parallelentwicklung bezeichnet nicht die analogen Strukturen (also z. B. die Flügel) selbst, sondern den gleichartigen Evolutionsprozess, der zur Entstehung analoger Strukturen geführt hat. Aufgrund ähnlicher Selektionsdrücke finden hierbei in nicht näher verwandten Gruppen ähnliche Anpassungsprozesse statt, die letztlich zu analogen Strukturen führen, also Strukturen, die einander ähnlich sehen, weil sie dieselbe Funktion erfüllen. Egal ob Vogel, Fledermaus, Flugsaurier oder Insekt, gewisse Ähnlichkeiten haben alle Flügel miteinander, weil sie nach denselben Pronzipien der Aerodynamik "konstruiert" sein müssen.

Für die Verwandtschaftsforschung ist es wichtig, Homologien von Analogien unterscheiden zu können. Hält man analoge Strukturen fälschlicherweise für homolog, konstruiert man sonst Verwandtschaftsverhältnisse, die in Wahrheit gar nicht bestehen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Konvergenz und Analogie sind in der Tat ähnliche, aber nicht identische Konzepte. Konvergenz bezieht sich auf die Entwicklung von ähnlichen Eigenschaften bei verschiedenen Arten, die in ähnlichen Umgebungen leben. Diese Ähnlichkeiten entstehen aufgrund von ähnlichen Selektionsdrücken und stellen ein Beispiel für konvergente Evolution dar. Auf der anderen Seite bezieht sich Analogie auf die Ähnlichkeiten in Funktionen oder Merkmalen bei verschiedenen Arten, die nicht notwendigerweise auf eine gemeinsame Abstammung zurückzuführen sind. Diese Ähnlichkeiten entstehen aufgrund von ähnlichen Selektionsdrücken, aber auf unterschiedlichen evolutionären Linien.

Ein klassisches Beispiel für Konvergenz ist die Entwicklung von Flügeln bei Vögeln, Fledermäusen und Insekten. Alle diese Arten haben Flügel, aber sie sind auf unterschiedliche Weise entstanden und sind homologe Strukturen. Auf der anderen Seite ist das Beispiel für Analogie der Gleitschirmflug von Flughörnchen und Gleithörnchen, bei dem beide Arten eine Hautfalte zwischen den Gliedmaßen ausgebildet haben, um eine Art Gleitflug durchzuführen. Diese Eigenschaften sind analog, da sie sich auf unterschiedlichen evolutionären Linien entwickelt haben und nicht homolog sind.

Insgesamt können Konvergenz und Analogie dazu führen, dass verschiedene Arten ähnliche Eigenschaften oder Funktionen haben, aber es ist wichtig zu beachten, dass der Mechanismus, der diese Ähnlichkeiten hervorruft, unterschiedlich ist. Konvergenz ist das Ergebnis von ähnlichen Selektionsdrücken und führt zu homologen Strukturen, während Analogie das Ergebnis von ähnlichen Selektionsdrücken auf unterschiedlichen evolutionären Linien ist und zu analogen Strukturen führt.

FliegenFang325 
Fragesteller
 09.05.2023, 03:19

Ich habe hier mal in die Vorlesungfolie geguckt und da wurde noch mal in klein geklammert das Konvergenz = Analogie, daher hat sich die Frage gerade eh erübrigt. Aber super vielen Dank für die Antwort und dann noch zu dieser Zeit😅

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DedeM  09.05.2023, 06:01

An deiner Ausführung ist aber nicht richtig, dass eine Konvergenz zu „homologen Strukturen” führt. Als Homologie bezeichnet man ja gerade Strukturen, die auf gemeinsamer Erbinformation beruhen und deshalb eine Verwandtschaft anzeigen (selbst wenn diese nur weitläufig ist).

Das trifft aber auf Konvergenzen gerade nicht zu. Sie entstehen aufgrund von gleichen Selektionsdrücken in ähnlichen oder gleichen Lebensräumen (wie du richtig geschrieben hast). Aber sie betreffen Strukturen, die ansonsten NICHT auf gleicher Erbinformation beruhen, damit keine homologen Strukturen darstellen und daher auch keine Verwandtschaft anzeigen.

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OmniosX  09.05.2023, 06:03
@DedeM

Jupp danke fürs aufzeigen. Sollte eigentlich "keine homologen Strukturen" heißen.

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Moin,

im Grunde verfolgen beide Begriffe die gleiche Idee, nämlich dass ähnlich aussehende und funktionierende Strukturen bei verschiedenen Arten vorkommen, die aber NICHT auf gleicher Erbinformation beruhen und deshalb KEINE Verwandtschaft anzeigen.

Gerne werden die Begriffe dahingehend voneinander unterschieden, dass eine Analogie einfach irgendeine Struktur vergleicht, während eine Konvergenz eine überaus starke Ähnlichkeit der Arten im gesamten Bau umfasst.

Als Beispiel kannst du dir das so vorstellen:

Es gibt Pflanzen, die als Fraßschutz Stacheln oder Dornen ausgebildet haben. Das sind pieksige Strukturen, die stechen und somit Fressfeinde davon abhalten sollen, die Pflanzen oder Teile der Pflanzen zu fressen.

Doch die „Lösung” des Problems kann auf ganz verschiedene Weise realisiert sein. Da gibt es zum Beispiel Blattdornen (wie die der Berberitze oder von Kakteen), da gibt es Sprossdornen (wie sie Gleditsien haben) und es gibt Stacheln (wie bei der Rose).

Alles sind pieksige Strukturen, aber einmal entstehen sie aus Blattanlagen, einmal aus Sprossanlagen und einmal sind sie einfach Auswüchse aus Epidermis. Sie beruhen also nicht auf gemeinsamen Erbinformationen, sind keine homologen Strukturen und weisen deshalb auch keine Verwandtschaft aus. Es sind einfach analog entstandene Strukturen, die den gleichen Sinn haben, nämlich die Pflanze vor Fressfeinden zu schützen.

Aber wenn du jetzt einmal das Merkmal „Fischform” untersuchst, so kannst du feststellen, dass sowohl der Hai (ein Knorpelfisch), der Schwertfisch (ein Knochenfisch), der Ichthyosaurier (ein ausgestorbenes „Reptil”) und der Delphin (ein Säugetier) diese typische Fischform haben. Zum Kopf und zum Schwanz hin verjüngt sich das Tier, der Körper dazwischen ist spindelförmig. Und Flossen gibt es auch bei allen an gleichen Positionen... Die Verwandtschaft der genannten Arten ist nur seeehr weitläufig (es sind alles Wirbeltiere). Von einer näheren Verwandtschaft kann also keine Rede sein. Man kann also davon ausgehen, dass die Erbinformationen, die zur Ausbildung der Fischform führen, keine gemeinsamen sind. Aber die Analogie geht hier soweit, als ob die Entwicklung des gesamten Körpers auf ein Ziel (die optimale Fischform) hingearbeitet hätte. Und hierfür gibt es dann den Begriff Konvergenz, denn der besagt genau das: eine Annäherung aus verschiedenen Abstammungslinien auf eine optimale Lösung (convergentia = Annäherung zweier Linien).

Somit kannst du festhalten, dass hinter den Begriffen Analogie und Konvergenz die gleiche Idee steckt. Und manche damit meinen, dass eine Konvergenz eine weitergehende Analogie darstellt (im Sinne von nicht nur einzelne Strukturen, sondern den ganzen Körperbau betreffend).

Aber es gibt auch nicht wenige Evolutionsbiologen, die den Begriff Konvergenz ablehnen, gerade weil er bedeutet, dass sich verschiedene Artlinien auf eine optimal erscheinende Lösung zu entwickeln. Sie sehen darin das versteckte Wirken einer wie auch immer lenkenden Identität (Gott), die eine optimale Lösung vorgibt, an die sich dann die Arten evolutiv annähern.

Wie auch immer. Analogie und Konvergenz entspringen im Grunde dem gleichen Konzept. Sie beschreiben Entwicklungen von Strukturen, die nicht auf gemeinsamer Erbinformation beruhen und damit auch keine Verwandtschaft aufzeigen, sondern wo ähnliche Selektionsdrücke (oft in ähnlichen Lebensräumen) zu ähnlich aussehenden Strukturen mit ähnlichen Funktionen führ(t)en.

LG von der Waterkant