Technischer Fortschritt ohne Christentum

8 Antworten

Die Frage kann  ich nicht abschließend beantworten.

Einerseits gab es wie du schreibst die Unterdrückung der wissenschaftlichen Arbeit in christlichen Staaten im Mittelalter und der Renaissance. Die diversen Dogmen in der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirche hemmten den wissenschaftlichen Fortschritt bis in die Neuzeit.

Anderseits wurden viele Errungenschaften der Antike und auch viele Bücher nur durch die Arbeit von christlichen Mönchen während des dunklen Zeitalters zwischen Antike und Mittelalter bewahrt. Auch waren die ersten Universitäten in Europa sehr stark religiös geprägt. Mönchsorden wie die Zisterzienser haben viel zur sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung weiter Teile Europas beigetragen.

Die "Was wäre wenn" Fragen in der Geschichte sind nicht sicher zu beantworten, es handelt sich um interessante Spekulationen.

realsausi2  25.03.2015, 23:47

Anderseits wurden viele Errungenschaften der Antike und auch viele Bücher nur durch die Arbeit von christlichen Mönchen während des dunklen Zeitalters zwischen Antike und Mittelalter bewahrt. 

Das ist keineswegs ein Verdienst der Kirche, sondern Beleg für ihre bildungsfeindliche Grundhaltung. Wer dem gemeinen Volk die Kunst des Lesens und Schreibens verwehrt und diese Techniken nur sich selbst vorbehält, fördert nicht die Entwicklung, sondern behindert sie.

Und dabei wurde peinliche Kontrolle ausgeübt, was man an Brosamen der Erkenntnis über den Tellerrand der Klöster  schwappen zu lassen bereit war. Vieles verrottet heute noch in den Archiven im Vatikan.

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Eisfuchs0  26.03.2015, 00:46
@realsausi2

Das stimmt , die Intention dahinter war nicht der wissenschaftliche Fortschritt oder die allgemeine Bildung der Bevölkerung, es war also kein "Verdienst" der Kirche. Trotzdem hatte diese Wissens- und Kulturgüterhortung in den Klöstern die Auswirkung (möglicherweise ohne diese Absicht), daß vieles Wissen bewahrt wurde, daß sonst unwiderbringlich verloren gewesen wäre. Und später in Universitäten genutzt werden konnte.

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  1. Das Mittelalter war nicht so finster und rückständig wie gerne immer wieder behauptet wird. Es gab Fortschritt (Albertus Magnus, Roger Bacon, Thomas von Aquin, Hildegard von Bingen uvm.) und die katholische Kirche unterdrückte Wissenschaft über den Großteil des Mittelalters (für mehr als 800 Jahre!) nicht. Das fing erst im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit an (vielleicht als panische Reaktion auf Hussiten und Protestanten). Ich verweise hier mal auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Mittelalter#Populäre_Mythen,_Missverständnisse_und_historische_Streitpunkte
  2. Liegt die Ursache für den Rückschritt zwischen dem Fall des Weströmischen Reiches und dem Mittelalter, den es tatsächlich gegeben hat, im Zusammenbruch des römischen Reiches, nicht in der Religion. Ohne die Infrastruktur eines Reiches, das das gesammte Mittelmeergebiet umfasste konnten Informationen und damit auch Wissen nicht mehr so schnell von einem Punkt zum anderen.
  3. Im Byzantinischen Reich, gab es keinen merklichen wissenschaftliche Rückschritt, obwohl dort die christliche Religion genauso wichtig war, wie in Westeuropa (Auch wenn hier der Kaiser und nicht der Patriach das sagen hatte). Tatsächlich werden oft byzantinische Gelehrte, die im 15. Jahrhundert vor den Türken nach Italien flohen, für die Renaissance verantwortlich gemacht.
  4. Außerdem die Hellenische Religion hat überhaupt erst den Anstoß für die griechische Philosophie und Wissenschaft gegeben. Hätten die griechischen Philosophen nicht einen Glauben gehabt, den sie in Frage hätten stellen können, gäbe es heute vielleicht keine Wissenschaft.

Ich denke, diese Frage kann man allgemein nicht beantworten.

Zwar hat die christliche Kirche (und zu anderen Zeiten andere Religionen) zu gewissen Zeiten wissenschaftliche Forschung eher behindert, zu anderen Zeiten waren aber z. B. die Klöster die einzigen oder zumindest die wichtigsten Stätten wissenschaftlicher Betätigung.

Genau so unsicher wäre eine Antwort auf die Frage, wo die Technik heutzutage ohne die beiden Weltkriege wäre: einerseits gibt es ja den Ausspruch, Krieg sei die Mutter allen Fortschritts, und das ist zu einem gewissen Maß auch richtig, da viele Erfindungen militärischen Ursprungs sind. Andererseits gab es aber vor den Kriegen etliche Forschung (z. B. im Bereich alternativer Energien), die dann zugunsten der Rüstungsforschung zurückgestellt oder gar ganz aufgegeben wurde - ohne die Kriege würden wir vielleicht schon alle mit solarbetriebenen Elektroautos fahren ...

Die Frage ist wirklich absolut nicht zu beantworten. Ich weiß auch, dass beispielsweise ein Galileo Galilei in seiner Arbeit ziemlich massiv durch die Kirche (nicht durch das Christentum!) behindert wurde. Eine lange Reihe von Postulaten, die Galilei widerlegt hat, finden wir allerdings nirgendwo in der Bibel, sondern bei Aristoteles und Ptolemäus. Nun halte ich persönlich Aristoteles für so rechtschaffen, dass er, hätte er die Möglichkeit gehabt, erklärt hätte: Nun ja, zu meiner Zeit gab es eben keine Fernrohre, keine Mikroskope, keine genau gehenden Uhren, sodass ich mich zwangsläufig geirrt habe. Aber es war ja nicht Aristoteles persönlich, mit dem Galilei aneinander gerit. Der war ja seit weit über 2.000 Jahren tot, sondern die katholische Kirche, die von Wissenschaft keine Ahnung hatte, nicht wusste, dass das Wesen des Wissenschaftlers eben ist, dass er sich infolge des Fortschritts irrt. Die Kirche hat von jedem verlangt, dass er die Postulate Aristoteles' kritiklos anerkannte, was mit Sicherheit nicht im Sinne Aristoteles' lag. Und es ist offensichtlich: Newton und Faraday waren gläubige Christen. Das hinderte sie keineswegs daran, den Fortschritt gewaltig weiter zu helfen...

Das ist die Überzeugung eines gewissen Friedrich Nietzsche (der aber auch nicht in allen Punkten Recht hatte).