Warum ist Europa nach der Antike in das Mittelalter "zurückgefallen"?

8 Antworten

Die Zusammenstellung erweckt einen falschen Eindruck: Die Bildung in der Antike war die Angelegenheit einer privilegierten Oberschicht in größeren Städten, vor allem in Rom. In den Wirren der Völkerwanderung (Gotenkrieg, Langobarden) kam es zu einem radikalen Niedergang Roms und damit auch der römisch-antiken Kultur.

In den darauf folgenden Jahrhunderten gab es westlich von Konstantinopel praktisch keine nennenswerten Metropolen mehr, die auch nur annähernd als kulturelle Zentren dienen könnten. Erst unter Karl dem Großen wurden zahlreiche Klöster aufgebaut, die daraufhin Träger von Bildung und Schriftkultur wurden.

im Mittelalter hatte Bildung nicht etwa geringen Stellenwert, sondern der Schwerpunkt lag auf praktischen Dingen wie Landwirtschaft, Bergbau und Handwerk, die in dieser Zeit einen enormen Fortschritt gemacht haben und die Grundlage für die wissenschaftliche und technische Entwicklung der Neuzeit gelegt haben.

Die Hunnen drangen nach Europa ein, vertrieben die germanische Stämme von ihren traditionellen Siedlungsgebieten und diese überschwemmten das römische Reich. Und wurden massiv integriert. Mit teilweise fatalen Folgen: Irgendwann wurde ein römischer Kaiser abgesetzt und kein Nachfolger (im Westen, Ostrom ist eine andere Geschichte und heißt Byzanz) mehr akzeptiert. Damit verfiel langsam aber sicher das römische Verwaltungssystem in den Provinzen. Ganz einfach: Mehr Barbaren + Weniger Römer = Weniger Zivilisation Das ist jetzt ein bisschen radikal ausgedrückt, stimmt aber im Kern. Die Straßen verfielen langsam, ebenso die Städte... Einige Bereiche des römischen Lebens blieben erhalten. Aber trotz allem gab es diesen Abwärtsweg hinein ins 'Finstere Mittelalter'.

Dein Denkfehler liegt in der Formulierung Man. Man hat. Wer ist man? Das Kollektiv der Bürger Europas? Das war keine gemeinsame Entscheidung, so jetzt schmeißen wir alle Erkenntnisse über Bord und begründen das Mittelalter. Im Übrigen für die Menschen östlich des Rheins, die von den Römern im Sammelbegriff Germanen zusammengefast wurde, hat sich durch den Zusammenbruch des Römische Reichs kaum etwas verändert. Die hausten noch immer mit ihrem Vieh in ihren Holzhäusern. Was negativ auffiel war, das der spärliche Handel mit den Römern wegfiel. Das Römische Reich ist ja nicht von einem Augenblick zum anderen untergegangen. Das war ein längerer Prozeß. Die gesamte, für die damaligen Zeiten sehr fortschrittliche, Zivilisation brauchte die Gesamtheit des Römischen Imperiums. Die Bauwerke, das Strassennetz, die gesamte Infrastruktur brauchte Pflege, die war nur gewährleistet durch einen Beamtenapparat und Schutz durch die Legionen. Nach und nach verschwand das Staatswesen und mit ihm die Weitergabe von Bildung und Technischen Wissen. Für  die Weitergabe von Bildung und Technischen Wissen auf einem höheren Niveau sind eben höhere Standards notwendig, die langsam aber sicher wegbrachen.

Gute Frage.

Interessant ist ja auch dass in Süddeutschland, dass in der Antike bereits römisch war, sich kaum noch Zeugnisse aus ca. 300-800 befinden. Da ist Deutschland quasi ein unbeschriebenes Blatt. 

Erst mit Karl dem Großen beginnt eine neue Zeit, von der wir heute auch noch Bauwerke erhalten haben.

nax11  29.09.2017, 12:20

"Deutschland" haben die Römer als "Barbaricum" ausgeklammert. Da gab es nur gelegentliche Strafexpeditionen, wenn ein Germanenstamm mal wieder auf Plünderung aus gewesen ist.

Im Gegensatz dazu gab es aber auch "römische Germanen" an Rhein und Donau (Köln, Trier, etc.), wo viele Hinterlassenschaften aber überbaut wurden.

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Vom Mittelalter wird immer ein recht finsteres Bild gezeichnet, dabei war es durchaus lebens- und liebenswert. Was wohl die Menschen von damals zu den Hexenverbrennungen im 15.-18. Jahrhundert gesagt hätten? Oder zu heutigen Weltkriegen und Massenvernichtungswaffen?

Das alte römische Reich war untergegangen - Dekadenz kommt nun mal vor den Fall. Nach einer Zeit der Veränderungen entstand das neue, heilige römische Reich deutscher Nation in dessen Nachfolge wir heute noch stehen. In der Landwirtschaft gab es große Fortschritte, allein schon um die wachsende Bevölkerung zu ernähren. So düster war das alles nicht.

nax11  29.09.2017, 06:01

Ein "lebens- und liebenswertes Mittelalter" - aha...

Dabei unterschlägst du aber, daß mittelalterliche, europäische Städte in römischer Zeit als kleinstädtische Drecklöcher gegolten hätten!

Vergleiche mal die damaligen "Metropolen" wie Paris, Köln, Braunschweig, etc. mit denen der römischen Zeit - Paris hatte um 30000 Einwohner, im antiken Rom lebten eine Millionen Menschen.

Bis in die Neuzeit gab es in unseren Städten kein fließendes Wasser und Fäkalien wurden in offene Rinnen gekippt. Römische Städte hatten fließendes Zuwasser und eine funktionierende Kanalisation.

Deshalb haben Römer auch häufig gebadet und weil das Abwasser nicht das Trinkwasser verunreinigte, gab es nur selten Seuchen. Die Römer hatten sogar in ihren Kasernen Fußbodenheizung - besichtige mal eine alte Ritterburg.

Aber, wenn einem das alles nicht störte, dann war das Mittelalter richtig kuschelig.

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LancelotIV  02.10.2017, 05:44
@nax11

nax11: Der Geruch der den Reisenden entgegen kam ließ sie wissen dass die Stadt nun nicht mehr fern war.

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Niconasbeznas  29.09.2017, 22:53

Kein Vergleich zu Rom!

Das sog. Heilige römische Reich war eine Fiktion. Der
Versuch einen gemeinsamen deutschsprachigen Staat zu etablieren. Das war ein gigantischer Rückschritt zum Römischen Reich. Außerdem hat Byzanz das Römische Erbe weiterleben lassen. Das sog. Heilige römische Reich, das weder römisch, noch heilig,  noch ein Reich war, umfasste auch nur die deutschsprachigen Lande. Gelegentlich gelang die Herrschaft über Teile Italiens. Daran hat man sich aber regelmäßig die Zähne ausgebissen, an Italien.

Die Idee, der Versuch wurde Anfang des 19. Jahrhunderts aufgegeben. 1871 wurde er dann doch noch verwirklicht,
der gemeinsamen deutschsprachige Staat, zum Unglück Europas.

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