maximale lebenserwartung in antike und mittelalter

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Die durchschnittliche Lebenserwartung ist unter historisch normalen Umständen nicht mit dem Alter, in dem ein Erwachsener normalerweise stirbt, gleichzusetzen. Dass das heute in wohlhabenden Ländern so ist, liegt daran, dass es fast keine Kindersterblichkeit mehr gibt. Im Mittelalter war das aber anders, und eine hohe Kindersterblichkeit zieht den Durchschnitt weit hinab, auch wenn man als Erwachsener gute Chancen hat, 70, 80 Jahre alt zu werden.

Einfaches (konstruiertes) Beispiel: Die Hälfte der Bevölkerung stirbt mit 10, die andere Hälfte mit 80. Gibt einen Durchschnitt von 45, aber im Beispiel wird jeder Erwachsene sehr viel älter als 45.

Mit etwas Glück konnte auch ein Mensch der Antike über 100 Jahre alt werden; nur überlebten nicht so viele seiner Zeitgenossen bis zu so einem Alter. Es wird aber wohl zu allen Zeiten Menschen gegeben haben, die so alt wurden; während der 1000 Jahre Mittelalter in Europa vor allem Männer und Frauen, die in Klöstern lebten und mit Nahrung gut versorgt waren. Ob es Einzelbelege dafür gibt, weiß ich nicht, das wäre eine sehr spezielle Forschungsaufgabe, denke ich. Diodor (antiker Historiker) soll angeblich über 100 Jahre alt geworden sein, ob dafür ein Beleg zu finden ist, kann ich Dir nicht sagen. Gruß, q.

Mit Geburts- und Sterbeurkunde belegt ist wahrscheinlich kein Fall; zumindest ist mir keiner bekannt.

Bei einigen wird von einem Teil der Überlieferung ein Alter über 100 Jahre angegeben. Die Angaben sind nicht immer genau gleich, stimmen aber in dem Umstand eines sehr hohen Alters überein).

Dem Philosophen und Dichter Xenophanes von Kolophon wird ein Lebensalter von über 100 Jahren (Censorinus, De die natale 15, 3) oder 91 Jahren (Pseudo-Lukian, Makrobioi 20) zugeschrieben, er selbst hat von sich als einem schon 92-jährigem gesprochen (Diogenes Laertios 9, 18 – 19).

Der Redner und Philosoph Gorgias von Leontinoi ist sehr alt geworden: 109 Jahre nach Quintilian, Institutio oratoria 3,1, 9; Olympiodoros (Kommentar zu Platon, Gorgias 447 a; Diogenes Laertios 8, 58 (zurückgreifend auf Apollodor von Athen), Suda Γ 388, 108 Jahre nach Philostratos, βίοι σοφιστῶν (bioi sophiston; Lebensbeschreibungen der Sophisten, lateinisch: Vita sophistarum) 1, 9, 6; Censorinus, De die natale 15, 3; Pseudo-Lukian, Makrobioi 23; Plinius, Naturalis historia 7, 156; Hermeias (Hermias) von Alexandria zu Platon, Phaidros 261 b; 107 Jahre vollendet nach Marcus Tullius Cicero, Cato Maior de Senectute 13, im 107. Jahr am Leben nach Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 8,13 ext. 2; 105 Jahre nach Pausanias 6, 17, 9

Christian Utzinger, Periphrades Aner : Untersuchungen zum ersten Stasimon der Sophokleischen "Antigone" und zu den antiken Kulturentstehungstheorien. Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2003 (Hypomnemata : Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben ; Heft 146); S. 195:
„Gorgias, der Sophist und Rhetor aus Leontinoi, durchlebte fast das ganze 5. Jahrhundert und starb erst am Anfang des 4. Jahrhunderts. Sein hohes Alter (an die hundert Jahre) ist gut bezeugt, sein Lebensende verbrachte er vielleicht in Thessalien.”

Anm. 138: „Es sind zwei divergierende Angaben zu Gorgias’ Lebenszeit überliefert. Aus Porphyrios (DK A 2) lässt sich eine Zeitspanne 500/497-392/89 errechnen, aus Olymipodor (A 10) etwa 484 – 376. Die zweite Angabe ist vorzuziehen, da sich Gorgias eingehend mit Empedokles’ Lehren beschäftigte und gar als sein Schüler galt (B 4, 5; A 2, 3, 10, 14). Dies dürfet kaum der Fall gewesen sein, wenn Empedokles (geboren um 484) 13Jahre jünger gewesen wäre. Als Gorgias 427 nach Athen kam, war er auch kaum über 70 Jahre alt. Die erste Angabe lässt sich zudem mit der zweiten in Einklang bringen, […]. D. h. geboren wurde er wohl um 485 und starb nach 396, […].“

Tim G. Parkin, Old age in the Roman world : a cultural and social history, Baltimore, Maryland ; London : Johns Hopkins University Press, 2003 (Ancient society and history), S. 50 (dazugehörend S. 329 Anm. 47 und 48 ):
„In other words, only a very select few ancient Greeks and Romans could have genuinely boasted of passing century mark, and demographically that is not significant, however important it may have been for those individuals at the time. While many of the “records” of ancient centenaries should be regarded as fabrications, wether on tombstone inscriptions in Africa or in census totals from Italy, there is less reason to doubt, that the orator and sophist Gorgias of Leontinoi did indeed live to be 108 (± 1) years of age. But it is certainly true that Gorgias, born around the time of Persians Wars, must have been aware over a century later that he was alone of his generation, even if he claimed to have non complaint against old age.”

Pseudo-Soranos nennt in einer Lebensbeschreibung für den Arzt Hippokrates von Kos überlieferte Lebenspannen vom 88, 90, 104 und 109 Jahren.

Der athenische Schriftsteller und Redner Isokrates wurde mindestens 98 Jahre alt (436 - 338 v. Chr.). Pseudo-Plutarch Βίοι των δέκα ρητόρων (Leben von zehn Rednern; lateinisch: Vitae decem oratorum), Moralia 837 e – f nennt als Todesalter 98 oder 100 Jahre, als einzige Quelle, die ein eventuelles Überschreiten der Marke von 100 Jahren enthält.

Der Philosoph Xenophilos wurde 105 Jare alt nach Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia 8,13 ext. 3; Plinius, Naturalis historia 7,168; Pseudo-Lukian, Makrobioi 18. Der Komödiendichter Philemon lebte nach Pseudo-Lukian, Makrobioi 25 97 Jahre Diodor 13, 53 99 Jahre oder sogar nach Aelianus 101 Jahre.

Die Geschichtschreiber Ktesibios und Hieronymus von Kardia wurden nach Pseudo-Lukian, Makrobioi 22 104 Jahre alt.

Nach Plinius, Naturalis historia wurde Clodia, Frau des Ofilus 115 Jahre alt, die Mimus-Schauspielerin Lucceia wurde im 100. Lebensjahre auf die Bühne gerufen, die Schauspielerin Galeria Copilola kehrte im Alter von 104 Jahren auf die Bühne zurück.

Eine grob chronologisch angeordnet Auflistung mit Personen der griechischen und römischen Antike, die nach Überlieferung ein hohes Alter erreichten:

http://personalpages.manchester.ac.uk/staff/tim.parkin/oldancients.html