Sinn der komplexen Zahlen?

8 Antworten

Überhaupt ist jede messbare Größe reell. In der Quantenmechanik arbeitet man zum Beispiel mit Observablen, das sind Operatoren mit ausschließlich reellen Eigenwerten. Aber trotzdem geschehen alle Rechnungen im Komplexen, auch wenn die Eigenwerte am Ende reell sind.

Du musst unterscheiden zwischen Rechnungen und Ergebnissen. Rechnungen können im Komplexen durchgeführt werden, weil es einfacher ist oder weil es gar nicht anders geht, die Ergebnisse dieser Rechnungen werden trotzdem reell sein.

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Man kann mit Hilfe der komplexen Zahlen nicht nur Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen, sondern man kann noch viel mehr.

Mann kann auch Logarithmen von negativen Zahlen berechnen.

Man kann (-2,5) hoch (3,7) ausrechnen. Der Taschenrechner streikt da.

Man kann auch arccos(2) oder arcsin(100) ausrechnen.

Alles geht. Aber das beantwortet noch nicht Deine Frage nach der praktischen Verwendung. In der Tat reichen für die meisten Aufgaben in Wissenschaft und Technik die reellen Zahlen vollkommen aus. Und selbst in Teilbereichen, wo komplexe Zahlen sinnvoll sind, könnte man immer noch auf sie verzichten und die notwendigen Berechnungen mit reellen Zahlen ausführen.

Es sind ganz spezielle technisch- wissenschaftliche Fragestellungen in denen die Verwendung von komplexen Zahlen einfach praktisch ist. Bleiben wir bei Deinen Beispielen Brückenbau, Autos. Beide Artefakte haben mit Schwingungen bzw. Schwingungsvermeidung zu tun. Somit sind wir schon bei den gedämpften Schwingungen, die man für gewöhlich mit Differenzialgleichungen 2. Ordnung beschreiben kann. Die Lösungsfunktionen enthalten auch Wurzelausdrücke, wobei der Radikant durchaus negativ werden kann. Hätte man jetzt nur die reellen Zahlen, dann müsste man für die Beschreibung der ganzen Lösungsvielfalt zwei verschiedenen Lösungsfunktionen anbieten und je nach vorgefundener Bedingung die eine oder die andere Funktion auswählen, wobei bei genauerer Betrachtung die eine Lösungsfunktion auch noch fliessend in die andere übergeht. - Genau hier bieten sich die komplexen Zahlen an. Denen "macht es nichts aus", wenn ein Radikant plötzlich negativ wird. Es wird einfach weitergerechent und zwar mit einer einzigen Formel, die für den ganzen Lösungsraum gilt.

Die Frage ist eng verwandt mit der Frage nach den negativen Zahlen.

Aus einer leeren Tüte kann man nichts herausnehmen. Also haben negative Zahlen keinerlei praktische Anwendung.

Trotzdem rechnen wir damit, weil es viel einfacher ist. Z. B. hat man den Gefrierpunkt des Wassers zu 0°C festgelegt, und negative Werte auf dieser Temperaturskala bedeuten Temperaturen, die unter diesem Punkt liegen. Hier könnte man auch die Kelvin-Skala nehmen, die nur positive Temperaturen (und den absoluten Nullpunkt) kennt.

Oder positive und negative elektrische Ladungen. Wir könnten willkürliche Namen nehmen wie bei Magneten (Nord und Süd), und mit zwei verschiedenen Arten von Ladung rechnen, die beide nur in positiven Anteilen auftreten. Aber mit negativen Ladungen ist es viel einfacher zu rechnen.

Oder - besonders interessant für jemanden, der "Wirtschaft" im Namen des Studienfaches hat - Techniker wundern sich oft, warum man in Bilanzen/Buchhaltung zwei Seiten nimmt anstatt einfach negative Zahlen. Der Grund liegt darin, dass die doppelte Buchführung lange vor den negativen Zahlen erfunden (der Begriff stimmt hier!) worden ist. - Übrigens verwendet man in der Mathematik als konstruktive Definition der negativen Zahlen ein Verfahren, dass der zweispaltigen Kontoführung verblüffend ähnlich ist.

Zu den Anwendungen der komplexen Zahlen in der Praxis wurde schon genug gesagt.

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Aber ein Ingenieur der ein Auto oder eine Brücke konstruieren soll kann
das doch nich benutzen oder weil man doch kein Auto bauen kann mit
Rechnungen die eigentlich gar nich existieren oder?

Die Rechnungen existieren ja sehr wohl. Eine Zahl ist zunächst einmal überhaupt kein Phänomen, d.h. etwas, das gezeigt werden kann, sondern ein Noumen, d.h. etwas, das gedacht werden kann und über dessen Eigenschaften durch bloßes Nachdenken Aussagen gemacht werden können.

Das gilt sogar für die Natürlichen Zahlen. Die Idee, dass drei Autos mit drei Äpfeln etwas gemeinsam haben, ist schon eine Abstraktion. Immerhin liegt eine direkte Anwendung auf der Hand, das Zählen.

Allerdings gibt es natürliche Zahlen, die so groß sind, dass es für sie auch nix mehr zum Zählen gibt. Unlängst wurde die größte aktuell bekannte Primzahl veröffentlicht.

Und dann erst die gebrochenen Zahlen - kein Mensch käme auf die Idee, zu behaupten, sie gäbe es eigentlich nicht obwohl sie auf das Zählen von Menschen oder auch auf Autos nicht anwendbar sind.

Anders verhielt es sich lange mit negativen Zahlen. Noch im 18. Jahrhundert gab es Mathematiker, die sie als meaningless betrachteten.
Natürlich sind sie auch nicht auf Menschen in einem Bus anwendbar, von wegen »es müssen noch 5 Leute einsteigen, damit niemand mehr drin sitzt«.

Überhaupt anwendbar sind sie aber sehr wohl, und zwar auf Kontostände, aber auch in der Physik, zum Beispiel zur Beschreibung von Koordinaten im Raum. Man hat nicht immer einen geschlossenen quaderförmigen Raum, wo man den Nullpunkt in eine Ecke verlegen kann und nur positive Koordinaten hat.

Selbstverständlich gilt das auch für Komplexe Zahlen, insbesondere wenn es um Schwingungen und Wellen geht, nämlich dank Leonard Euler:

(1) exp(iα) = e^{iα} = cos(α) + i sin(α)

Es ist vieles einfacher zu rechnen und zu zeigen, wenn man Komplexe Zahlen benutzt, deshalb macht man das nicht erst in der Quantentheorie,
sondern auch beispielsweise bei der Beschreibung eines Wechselstromwiderstands. Dass induktiver und kapazitiver Widerstand
imaginäre Zahlenwerte haben, bringt dabei zum Ausdruck, dass sie (für
sich genommen) eine Phasenverschiebung um jeweils 90° bzw. ½π
hervorrufen.

Die Multiplikation mit der Zahl i bewirkt bei einer Funktion der Form

(2) ψ(x,t) = a(x,t)·exp(i(k·x–ωt)),

wobei a(x,t) eine Amplitudenfunktion ist, die den Exponentialterm »überformt«, nämlich genau das, eine Phasenverschiebung um +½π. Man denkt um eine Drehung um+½π, und das ist beileibe kein Zufall.

naja, die komplexen Zahlen ist ein großer Bestandteil in der Wechselstromlehre :) Sprich in Elektrotechnik usw...

Außerdem produzieren Generatoren Wechselstrom und viele Motoren brauchen Wechs. usw.... :) Außerdem Bei der Energieübertragung sprich Hochspannung wird Wechs. benötigt^^

Außerdem, so schwer ist das nun auch wieder nicht...^^

Pflicht, für ein Ing.!


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Weiterer Anwendungsbereich der komplexen Zahlen: zweidimensionale Strömungslehre - wird z. B. bei der Berechnung von Tragflächenprofilen gebraucht. Natürlich kann man auch rein reell rechnen, aber mit komplexen Zahlen geht es viel einfacher.

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