Sind Werkstatt für Menschen mit Behinderung Ausbeutung?

Das Ergebnis basiert auf 31 Abstimmungen

Nein 55%
Ja 26%
Teilweise 19%

13 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Ja

Und nicht nur Ausbeutung.

Sie sind auch Exklusion und ein Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention.

Wir leben in einem ableistischen und kapitalistischen System, in dem nur zählt, wie schnell und wie viel gearbeitet wird. Menschen, die für die gleiche Menge länger brauchen oder bestimmte Hilfsmittel benötigen, werden als "unnötige Belastung" empfunden, mit denen sich die AG nicht rumschlagen wollen. Also wird lieber die Strafabgabe gezahlt.

Gleichzeitig wollen die Werkstätten ihre besten Beschäftigten nicht verlieren, denn auch den meisten Werkstätten liegt ein Leistungsgedanke zu Grunde, da dort häufig Arbeiten für den allgemeinen Arbeitsmarkt erledigt werden und Fehler oder zu späte Rücksendungen Strafzahlungen (teilweise im vierstelligen Bereich) zur Folge haben.

Die Folge davon ist, dass es für viele Menschen mit Behinderungen die einzige Arbeitsstätte bleibt, denn nicht mal 1% aller Beschäftigten wechseln auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - obwohl die Behindertenwerkstatt offiziell eine Eingliederungsmaßnahme für den allgemeinen Arbeitsmarkt ist.

Ein großes Problem ist, dass Menschen in einer WfbM nicht als Arbeitnehmer*innen gelten. Dementsprechend erhalten sie keinen Mindestlohn und dürfen z.B. auch nicht streiken.

Folge: Sie müssen Montagearbeiten für die Industrie erledigen, für die die Firmen dann nur einen Billiglohn zahlen müssen, weil Menschen mit Behinderungen nur 1,35€/Stunde bekommen. Fast 10€ weniger als beim Mindestlohn für Arbeitnehmer*innen.

Was hat nun die oben angesprochene UN-Behindertenrechtskonvention damit zu tun? Sie sieht vor, dass Menschen mit Behinderung ein gleiches Recht darauf haben, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit bestreiten zu können, dies ist aber durch eine WfbM absolut nicht gegeben.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Heilerziehungspflegerin/ Ally der Behindertencommunity
Maegi12  01.01.2024, 22:08

Also ich kann nur von der Schweiz reden. Ich arbeitete 13 Jahre in einer Werkstätte für Menschen mit Behinderung. Nein es ist keine Ausbeuten. Jeder bekommt sein Gehalt und die Jnvalidenrente. Es ist für die Schweiz eine wunderbare Einrichtung. www.buecherwäldli.ch

0
Teilweise

Das Thema ist zu komplex um es eindeutig mit ja oder nein zu beantworten. Es ist vom Blickwinkel und auch von der individuellen Einrichtung abhängig.

Wichtig ist zu verstehen, dass Behindertenwerkstätten nicht einfach als als normaler Arbeitgeber bloß für Menschen mit Behinderungen konzipiert sind. Die Werkstätten verdienen einen großen Teil ihres Umsatzes nicht mit der Arbeit der Menschen mit Behinderungen, sondern werden dafür gezahlt diese Menschen zu beschäftigen und zu fördern. Wobei besonders das Fördern dabei hervorgehoben werden sollte.

Das Ziel sollte sein möglichst vielen Menschen zu ermöglichen aus der Werkstatt auf den 1. Arbeitsmarkt zu wechseln. Leider ist das in den meisten Fällen heutzutage nicht möglich, wodurch die Menschen in der Werkstatt festhängen.

In den Fällen kann man da in meinen Augen je nach Werkstatt tatsächlich von Ausbeutung sprechen. Wobei man auch hier erkennen muss, dass die Werkstätten den Menschen nicht einfach mehr zahlen können. Die Menschen die in der Werkstatt bleiben haben meistens Behinderungen, durch die sie nicht wirtschaftlich arbeiten können. Um ein faires Gehalt, statt nur einem Taschengeld zu gewährleisten, müssten also auch von staatlicher Seite entsprechende Steuergelder investiert werden.

Man könnte natürlich argumentieren, dass diese Menschen dann gar nicht arbeiten sollten. Aber auch das wäre eine kurzsichtige Lösung. Vielen gibt sie Arbeit einen Sinn. Sie möchten arbeiten und auch wenn sie nicht fair bezahlt werden, hat ihre Arbeit eine große Bedeutung und einen großen Wert für sie. Diesen Menschen gegenüber wäre es auch nicht fair ihnen das wegzunehmen, selbst wenn es zu ihrem eigenen Schutz gedacht sein mag.

Idealerweise sollte sich in meinen Augen die Kultur in den Werkstätten die Bezahlung widerspiegeln indem mehr Wert auf die Förderung als auf die Arbeitsleistung gelegt wird. Unter diesen Bedingungen würde ich dann auch nicht mehr von Ausbeutung sprechen.

Eine andere Alternative wäre genug Geld in die Werkstätten zu pumpen um den Menschen wenigstens Mindestlohn zu zahlen. Das wird dann allerdings Steuergeld sein müssen.

Maegi12  01.01.2024, 22:17

Sorry Ihre Meinung klingt so arrogant. Ich habe als Gruppenleiterin in einer Werkstätte für Behinderte gearbeitet. Keiner unser Angestellten wurde herablassend behandelt. Ich habe viel gelernt von den Menschen mit Handycap. Endlich Gefühle zeigen. Natürlich hat die Werkstätte durch Kunden provitiert, aber auch nur, weil unsre Mitarbeiter ihre beste Leistung beitrugen.

0
HeinrikH  02.01.2024, 00:07
@Maegi12

Das sollte keineswegs arrogant klingen. Ich habe auch einige Erfahrungen in einer Werkstatt gemacht. Erst ein FSJ, dann meine Ausbildung und dann habe ich noch kurzzeitig als Produktionshelfer gearbeitet.

Ich habe da sehr gerne gearbeitet und hätte mir auch gut vorstellen können mal Gruppenleiter zu werden. Letztendlich hat es sich einfach anders ergeben.

Ich bin aber trotzdem sehr zwiegespalten was das Konzept angeht. Ich habe so ziemlich alles erlebt von Menschen die absolut in ihrer Arbeit aufgegangen sind und gefördert wurden, bis hin zu Menschen die absolut unglücklich waren und für die die Werkstatt leider eher einem Abstellgleis gleichkam.

0
Ja

In der Tat.

Nicht nur Ausbeutung sondern auch eine moderne Sklaverei.

Werkstätten für Menschen mit und ohne Behinderung verstoßen sogar die UN-Behindertenrechtskonvention. Dort verdient man als Mitarbeiter/In ca 130 bis 150€ im Monat und sind auf soziale Leistungsträger gebunden. Das ist Demütigung. Die Menschen in einer wfbm arbeiten täglich von Montag bis Freitag von 8 Uhr Morgens bis 16 Uhr und verdienen in einer Stunde knapp 75 Cent bis 1,35€ die Stunde. Das sind 40 Stunden die Wochen auf Monat gerechnet genau 160 Arbeitsstunden. Inklusive Zigarettenpause, Frühstück und Kantine etc. Da verdient sogar ein Arbeitsloser für nix tuen sogar noch mehr Geld. Zu diesem Bereich war ich nur Personal gewesen im EDV Bereich. Kein Mitarbeiter. Ich hab auch keine Schwerbehindertenausweis. Und ein Betreuer habe ich auch nicht. Ich war schon eher selbstständig. Nur halt im Team. Meine Aufgabe war Lieferscheine etc zu schreiben, dies verwalten und protokollisieren usw. Zum größten Teils am Computer. Man muss sich als Mitarbeiter/in im Jahr 2024 nicht alles gefallen lassen. Und wir sind keine Menschen 2. oder 3. Wahl. Das mit dem Inklusion und dieses angebliche erhöhten Rentengelder ist ein irrglaube. Und ist genau das Gegenteil. Es ensteht eher Exclusion. Arbeitgeber können sich die Mitarbeiter/In frei kaufen und können sogar durch die Ausgleichabgabe auf 0€ setzen. Von den vielen Beschäftigten schaffen gerade mal nur unter 1% auf dem ersten allgemeinen Arbeitsmarkt. Du hast kein Recht auf Mindestlohn. Kein Streikrecht. Und es gibt keine Betriebsrat. Es kommt sogar zu einem Arbeitszwang. Man hat ein Spruch gehört, das die Eingangstür eine Werkstatt offen ist, aber keine Ausgangstür. Ich hab da Gottsei dank gekündigt durch Blau machen. Weil die kamen meine Forderung geltend machen, nicht nach. Und ich ein Recht auf Anspruch darauf. Stigmatisierung, Mobbing am Arbeitsplatz sowie Diskriminierung und Demütigung habe ich alles schon erlebt. Und hab tatsächlich mein Mut bewiesen und hab mein alten Arbeitgeber tatsächlich verklagt :) Und hab den Prozess sogar gewonnen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Nein

Die Bezahlung ist zwar nicht so wirklich angemessen da es eher eine Art "Taschengeld" ist. Allerdings wohnen viele auch in diesen Einrichtungen und bekommen wie in einer Plegeeinrichtung auch Essen dort.

Je nach Grad der Behinderung sind viele Menschen froh überhaupt arbeiten zu können. Als Ausbeutung würde ich persönlich das jetzt nicht bezeichnen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Persönliche Meinung und Ansicht
Selkiade  07.09.2023, 12:58
Allerdings wohnen viele auch in diesen Einrichtungen und bekommen wie in einer Plegeeinrichtung auch Essen dort.

Ja genau. Sowohl der Wohnplatz als auch das Essen müssen ja aber trotzdem bezahlt werden. Deswegen sind viele behinderte Menschen auf die Grundsicherung wegen Erwerbsunfähigkeit angewiesen, die sie dann vom Staat gezahlt bekommen.

0
KleinesHasi85  07.09.2023, 13:00
@Selkiade

Das meine ich im Grunde auch. Das sie auch an das Bürgegeld/Grundsicherung angeglichen werden sollen. Denn auch Menschen mit Behinderungen möchten gern mal neue Kleiung kaufen oder sich eine Kleinigkeit gönnen

1
Teilweise

es kommt eifnach auf die Umstände an. wenn von den Behinderten Leistungen abgefordert werden als wären sie gesunde arbeitnehmer, sie aber nur einen Bruchteil des Lohnes für ihre Arbeit erhalten, ist es sicherlich Ausbeutung. erst recht dann wenn sie eben nur gefordert, aber nicht gefördert werden.

lg, Anna

Maegi12  01.01.2024, 22:22

Die Menschen mit Handycap werden gefördert. Durch Workshop, Schulung etc

0
Peppie85  02.01.2024, 03:52
@Maegi12

ja, sage ich doch WENN! sie nur gefordert und nicht gefördert werden. Ich war schon öfter in diveren Behindertenwerkstätten zu Gast und muss sagen, bei dem was ich gesehen habe, werden sie schon gefördert. Kann mir aber auch duchaus vorstellen, dass es Einrichtungen gibt, wos anders zugeht.

0