Sind Menschen mit Zwängen laut Satre "frei"?

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Wikipedia: Jean_Paul_Sartre:

„Äußerliche Zwänge … sind jedoch nur die Grenzen der Situation des Menschen, nicht die Grenzen seiner Freiheit. Der Mensch kann die Kontingenz, diese Grenzen übernehmen, integrieren und damit versuchen zu überschreiten. Freiheit ist somit die winzige Bewegung über das Gegebene hinaus. Der Mensch trägt insofern Verantwortung, als er derjenige ist, der das Gegebene auf sich nimmt und gleichzeitig mit diesem Aufsichnehmen das Gegebene in seiner Freiheit negieren kann.

In einem Turm gefangen kann der Mensch nicht ohne Weiteres flüchten, aber er kann planen zu flüchten, er kann sich mit der Möglichkeit einer Flucht beschäftigen. Der Mensch kann sich jederzeit über die Situation hinaus entwerfen, selbst wenn er dabei scheitert. Das Scheitern ist nicht der Gegensatz zur Freiheit, sondern eine menschliche Möglichkeit, die sich aus seiner Freiheit ergibt. Die Dinge leisten uns keinen Widerstand. Durch unsere Entwürfe können die Dinge zu einem Widerstand werden. Sartres Beispiel: Der Felsen zum Gipfel kann mir nur Widerstand leisten, wenn ich mir vorgenommen habe, den Gipfel zu erklimmen.

Der Mensch ist in Situation frei, nicht im luftleeren Raum: „So ahnen wir langsam das Paradox der Freiheit: es gibt Freiheit nur in Situation, und es gibt Situation nur durch die Freiheit. Die menschliche-Realität begegnet überall Widerständen und Hindernissen, die sie nicht geschaffen hat; aber diese Widerstände und Hindernisse haben Sinn nur in der freien Wahl und durch die freie Wahl, die die menschliche-Realität ist.“
….
… einzig sein nacktes Dasein ist dem Menschen vorgegeben; was ihn am Ende ausmacht, muss er erfinden. …

„Das Leben“ habe ihn „‚die Macht der Dinge‘ gelehrt“, so Sartre in einem Interview 1969, und: „Ich bin davon überzeugt, dass der Mensch immer etwas aus dem machen kann, was man aus ihm macht. Heute würde ich den Begriff Freiheit folgendermaßen definieren: Freiheit ist jene kleine Bewegung, die aus einem völlig gesellschaftlich bedingten Wesen einen Menschen macht, der nicht in allem das darstellt, was von seinem Bedingtsein herrührt.“ …“ Ende Zitat

Für Sartre ist Freiheit kein absolutes Abstraktum. Leben ist für Sartre handeln, wählen, entscheiden, weil uns das Leben immer vor Alternativen stellt. Dem geht voraus, dass wir Situationen bewerten. Auch in diesen Vorstufen der Wahl haben wir Alternativen, sosehr sie z.B. durch eine Situation in eine Begrenzung gedrängt werden. Alle Beispiele führen Menschen an, die in speziellen Situationen stecken, die ihren Entscheidungsspielraum in bestimmter Weise beschränken, aber dennoch täglich aufs neue Lebensentscheidungen verlangen, in denen sie sich entscheiden müssen:

•Obdachloser: Er kann die Leute anpöbeln oder freundlich sein. Er kann ein Schlafangebot im Winter aufsuchen oder darauf verzichten. Sein begrenzter Alltag ist immer von vielen Entscheidungen gefüllt, die er zu treffen hat. Aufs ganze Leben betrachtet, ist er evtl. jetzt beschränkt, weil er früher falsche Entscheidungen getroffen hat.

•ein Mensch der vom Hals abwärts gelähmt ist: Er kann wählen, welche geistigen Dinge er nutzen will, welche Musik, welche Bücher, was er schreiben und seiner Umwelt mitteilen möchte.

•ein Mensch, der in seiner Zelle auf die unmittelbar bevorstehende Hinrichtung wartet: Er kann im Rückblick wählen, wie er seine Situation bewerten will. Er kann wählen, ob er sich mit seinen Opfern versöhnen will oder ob er im Zorn geht. Er kann z.B. wählen, ob er das Angebot eines Geistlichen wahrnehmen will, reinen Tisch mit sich und seinen Nächsten zu machen.

•ein Mensch, der an einer Zwangsneurose, etwa an einem Waschzwang erkrankt ist: Der Waschzwang hindert ihn nicht an Entscheidungen, was er essen und trinken will. Ob er bei Sonne in den Park geht oder lieber ins Kino.
•ein Autist: Er kann hochbegabt und übersensibel sein. Dass er eingeschränkt ist durch die Krankheit kappt bei ihm sozusagen Wahlmöglichkeiten, aber nicht alle.

•ein Mensch, der an einer Alzheimer-Erkrankung leidet. Wie Autist, nur andere Beschränkungen.

Frei nach Sartre: Er ist davon überzeugt, dass der Mensch den Lebensfaden immer an verschiedenen Stellen relativ frei weiterspinnen kann (und muss), den er sich selbst und innere (Krankheit) wie äußere Bedingungen im Wechselspiel gesponnen haben.

- da ist dann der Radius des Handelns praktisch gegen Null und die Optionen ebenso gegangen.

- sich nicht mehr entscheiden zu müssen, quasi TOT zu sein - da liegt seine eigene FREIHEIT , frei sein von....

Die meisten Menschen sind deshalb nicht frei, weil sie sich entscheiden müssen und das fortdauerd -