Sind Ehrenmorde im Islam halal?

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Hallo!

Ehrenmorde definieren sich als Morde, bei denen als Motiv die Familienehre angegeben wird. Opfer sind fast ausschließlich weibliche Familienmitglieder, die gegen die von der Familie/dem Gesellschaftskreis vorgegebenen Werte verstoßen. Mit dem Mord soll das abweichende Verhalten der Person gestoppt und die Ehre der Familie wiederhergestellt werden.

Die Ursachen für dieses Phänomen sind komplex. Es gibt wohl zwei übergeordnete Punkte, die in einer Gesellschaft, in der Ehrenmorde praktiziert werden, immer vorhanden sind: 1. Die Gesellschaft ist stark patriarchalisch geprägt. 2. Die Familienehre genießt hohe Priorität.

Der Islam, oder allgemeiner gesagt, Religionen, sind nicht die Hauptursache. Religion spielt (je nach Auslegung) höchstens eine unterstützende Rolle, indem sie die konservativen Werte, gegen die das Opfer verstößt, vorgibt und als gottgewollt darstellt. Somit kann eine archaische Ausprägung des Glaubens durchaus das Gesellschaftsklima für Ehrenmorde begünstigen.

Nun konkret zum Islam: Wie ich vorhin schon schrieb, kann ein erzkonservativ ausgelegter Islam die Ehrenmord-Wahrscheinlichkeit einer Gesellschaft erhöhen. Auch gibt es sicherlich sogenannte "Islamgelehrte", die Ehrenmorde rechtfertigen oder Hass gegen leicht bekleidete Frauen schüren. Die sind dann in die gleiche Kategorie einzuordnen wie die saudi-arabischen Prediger, die ein angebliches Autofahr-Verbot aus dem Koran ableiten. Fakt ist jedoch: In keiner islamischen Schrift gibt es die Aufforderung oder Erlaubnis für Ehrenmorde. Aus theologischer Sicht sind Ehrenmorde im Islam also nicht halāl.

Auch wenn Ehrenmorde größtenteils in muslimischen Gesellschaftskreisen auftreten (weswegen ich die Meinung vertrete, dass dieses grauenhafte Phänomen insbesondere innerhalb der muslimischen Community diskutiert werden muss), macht man es sich zu einfach, sie einzig mit dem Islam oder Muslimen in Verbindung zu bringen. In Deutschland gab es vor einigen Jahren einen quasi mustergültigen Ehrenmord, der durch die Öffentlichkeit ging (siehe Video im Anhang). Opfer war Arzu Özmen, die wohlgemerkt aus keiner muslimischen, sondern einer jesidischen Familie stammte!

LG








Agentpony  03.07.2016, 14:31

Danke für den exzellenten, recht ausdifferenzierten Beitrag.

Ich würde noch anfügen, daß das, was "Familienehre" genannt wird, häufig letztendlich den Status des Patriarchen bezeichnet. Und daß daher das Problem nicht nur innerhalb der Familie besteht, sondern von der gesamten perfiden Gesellschaft getragen wird, die dieses archaische Prinzip unterstützt.

Interessant sind dazu folgende Erkenntnisse aus dem Prozess:

eMail ihres Bruders an die Ermordete:
"Mein Vater weiß gar nicht mehr, was er machen soll. Alle wissen Bescheid, dass eine Tochter von Fendi [Vater] abgehauen ist. Deswegen traut sich keiner mehr von uns auf 'ne Hochzeit oder überhaupt irgendwohin zu gehen."

Erkrem Deniz, jesidischer Hochgelehrter, Prozessbeobachter mit Verbindung zu den Mördern:
"Diese Tat war ein Unfall, ein tragisches Geschehen"

"Man kannte unsere Regeln, als man uns Asyl gab. Jetzt sagen immer mehr, wir dürfen so nicht leben. Wir werden unsere Religion aber nicht aufgeben."


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uyduran  03.07.2016, 15:22
@Agentpony

Danke auch für deine Ergänzung.

Definitiv. Der Begriff der "Ehre" schließt immer den kompletten Gesellschaftskreis mit ein. Denn "Ehre" ist ja letztlich nichts anderes als besondere Anerkennung von außen. Wer sich "ehrenhaft" und "rechtschaffen" verhält, der wird dafür vom Gesellschaftskreis geschätzt. Oder im Umkehrschluss eben geächtet.

Das pervertierte Verständnis von "Familienehre" setzt in diesem Fall voraus, dass die Tochter die gewünschte Rolle des keuschen gehorsamen Mädchens einnimmt. Tut sie das nicht, fürchtet die Familie, ihr Gesicht vor der eigenen Community zu verlieren. Deswegen wird auf die Tochter Druck ausgeübt, meist wird ihr zunächst gedroht, oft findet das Mordkomplott aber auch ohne Vorankündigung statt.

Man kann also eindeutig sagen, dass es sich um ein gesellschaftliches Phänomen handelt und nicht um eine religiöse Anordnung.

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es kommt auf die Religion an und auf die leute wo die aus über 

Ein Mörder fragt nie, ob das erlaubt ist.

Bei einem Ehrenmord spielt zwar der Islam mit seinem patriarchalen Weltbild eine Rolle, aber es kommen noch andere Fakten wie Familienehre etc. dazu.

Ein weiteres Problem ist aber, dass es DEN Islam nicht gibt. Die acht verschiedenen Rechtsschulen sind hier unterschiedlicher Meinung und manche unterstützen auch einen Ehrenmord.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Koranschule und 20 Jahre praktische Erfahrung

Auf gar keinen Fall. Mord ist Mord. Morden ist in unserer Religion haram.

Nein, sie sind definitiv nicht halal.

Auch in der Scharia wird für außerehelichen Sex keine Todesstrafe vorgesehen, sondern Peitschenhiebe und die Scharia ist keine Selbstjustiz, Selbstjustiz ist nämlich verboten, sondern muss durch einen muslimischen Staat geregelt werden.