Hallo erstmal!

Um die Gesamtsituation zu verstehen, müssen wir mit dem historischen Kontext anfangen: Die Türkei wurde als laizistischer Staat gegründet, was bedeutet, dass es eine strikte Trennung zwischen Staat und Religion gab. Dafür hatte Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk gesorgt, der die Türkei nach den Prinzipien des Kemalismus, seiner Gründungsideologie, formen wollte. Dies sorgte vor allem deshalb für Konfliktstoff, weil die kemalistische Regierung den Laizismus teilweise sehr radikal umsetzte (z.B. durch ein Kopftuchverbot für Studentinnen) und weil ein Teil der Bevölkerung das Kalifat des osmanischen Reiches zurückhaben wollte. Somit stand auf der einen Seite die laizistische Regierung, die das mächtige Militär zur Unterstützung hatte, und auf der anderen Seite die Kräfte des politischen Islam. Letztere fühlten sich von der kemalistischen Regierung unterdrückt und gründeten Widerstandsgruppen und politische Parteien, die sich für eine islamistische Republik einsetzten. Diese Bewegung wird "Millî Görüş" genannt; ein wichtiger Gründervater dieser Bewegung ist Necmettin Erbakan, der so etwas wie der politische Ziehvater von Recep Tayyip Erdoğan war. Erbakan war von 1974-1978 sowie von 1996-1997 Ministerpräsident der Türkei, wurde allerdings vom kemalistischen Militär 1980 geputscht. Seine Parteien wurden regelmäßig aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit verboten, weswegen er ständig neue Parteien gründete, die jedoch nur namentlich und nicht inhaltlich Unterschiede aufwiesen. Erbakan klagte zwei Mal vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die Parteiverbote, allerdings bestätigten die Richter in beiden Fällen die Verbotsurteile.

Machen wir einen kleinen Sprung in das heutige Zeitalter: Nachdem also Erbakans Parteien keinen nachhaltigen Erfolg verzeichnen konnten, kristallisierten sich in den 90er Jahren andere Strategien und andere Protagonisten in der islamistischen Millî Görüş-Szene heraus. Die zwei wichtigsten Namen sind Recep Tayyip Erdoğan und Fetullah Gülen. Ihre Zusammenarbeit war wie eine perfekte Ehe: Gülen als stiller, im Hintergrund agierender Stratege, der seine Gülen-Bewegung aufgebaut hatte, eine "Sekte mit Konzernstruktur". Sein Ziel bestand darin, die wichtigsten Institutionen und Schaltstellen des Staates, der Medien und der Wirtschaft zu unterwandern sowie durch eigen gegründete Bildungseinrichtungen die heranwachsenden Generationen zum politischen Islam zu bekehren. Erdoğan als politischer Akteur, als das Aushängeschild in der Öffentlichkeit, durch sein Charisma und seine emotionalen Reden. Er äußerte sich nicht so auffällig und radikal wie Erbakan (vor allem nicht nach seiner Inhaftierung nach einer antidemokratischen Rede 1998), sondern hielt sich moderat und bedeckt, bekannte sich sogar zum Laizismus. Erdoğan wurde Bürgermeister von Istanbul und 2001, nachdem die Türkei ihre bislang größte Wirtschaftskrise durchfuhr und das Volk Veränderungen wollte, zum Ministerpräsidenten.

Mit vereinter Kraft gelang es Erdoğan und Gülen also, gegen ihren gemeinsamen verhassten Todfeind, den Kemalismus, vorzugehen. Der Plan schien weiter aufzugehen, als 2007 im sogenannten "Ergenekon-Prozess" hunderte unschuldige Kemalisten durch gefälschte Beweisführung inhaftiert wurden. Darunter waren Militärs, Geschäftsführer, Juristen, Journalisten und Politiker. Doch wie so oft, wenn zwei Führungspersonen am Höhepunkt ihrer gemeinsamen Macht stehen, kommt es irgendwann zu internen Streitigkeiten. Der gemeinsame kemalistische Feind war es, der die beiden unterschiedlichen Persönlichkeiten zu einem unschlagbaren, sich gegenseitig ergänzenden Team vereint hatte - doch nachdem dieser Feind entmachtet und handlungsunfähig gemacht wurde, traten die Unterschiede der Persönlichkeit immer stärker zum Vorschein und Meinungsverschiedenheiten und Machtansprüche kollidierten zunehmend. Und so kam es, dass der ruhige Gülen und der testosterongeladene Erdoğan innerhalb weniger Jahre zu Erzfeinden wurden. Der wohl berühmteste Journalist der Türkei, Can Dündar, schrieb in einem Gastbeitrag für die FAZ: "Bei der Übernahme des Staates war die Beute so ungeheuer groß, dass Streit über die Verteilung ausbrach. Wer sollte welche Ausschreibung erhalten, wer welches Ministerium leiten, wer bei Entscheidungen zu kritischen Themen das letzte Wort haben?"

Ein genauer Zeitpunkt, zu welchem die Konflikte anfingen, lässt sich schwer feststellen. Anfangs waren es interne Streitigkeiten, die nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Erst im Nachhinein kritisierte Gülen beispielsweise, Erdoğan habe 2006 angefangen, hohe Staatsbeamte nach persönlichen Sympathien auszuwechseln. Erste öffentliche Konflikte gab es im Jahr 2010; Erdoğan hatte in Zusammenarbeit mit der Hamas eine Hilfsflotte gegen die Gaza-Blockaden in Israel organisiert. Dabei wurden 9 Türken von israelischen Kommandos erschossen. Gülen kritisierte dies öffentlich und warf Erdoğan Hitzköpfigkeit vor; klüger sei es gewesen, Gespräche mit Israel zu führen. Es folgten weitere Meinungsverschiedenheiten, beispielsweise auch beim gewaltsamen Vorgehen Erdoğans gegenüber den Gezi-Protesten 2013. Oder bei Erdoğans geplantem Präsidialsystem, mit dem Gülen nicht einverstanden war.

Letztendlich saß natürlich Erdoğan an der politischen Schaltstelle und auch charakterlich ist Erdoğan der dominantere Typ, somit ist es nicht verwunderlich, dass er es auch war, der am Ende bei Meinungsverschiedenheiten seine Interessen durchdrückte. Die öffentliche Kritik seines ehemaligen Weggefährten und der damit drohende Verlust der Unterstützung der einflussreichen Gülen-Sekte erzürnten Erdoğan, der im Rahmen der Gezi-Proteste ohnehin in öffentlicher Kritik stand. Von nun an folgte ein gegenseitiger Schlagabtausch: Erdoğan ließ die Nachhilfe-Lernzentren, welche die Haupteinnahmequellen Gülens waren, schließen. Als Reaktion darauf ließ Gülen im Winter 2013 der türkischen Presse Telefonmitschnitte von Erdoğan und seinen Familienangehörigen zuspielen. So kam der größte Korruptionsskandal der türkischen Geschichte ans Licht. Erdoğan wiederum erklärte Gülen zum Verräter und Staatsfeind Nr.1 und ging weiter gegen seine Institutionen vor, am symbolträchtigsten ist wohl die Schließung der bis dato auflagestärksten (und Gülen-nahen) Tageszeitung Zaman, welche von der Polizei gestürmt wurde.

Den Rest kennst du sicherlich selber: Gülen sitzt am kürzeren Hebel, seine letzten Versuche der Gegenwehr bestanden darin, dass er der Presse Informationen zum gefälschten Diplom Erdoğans hat zuspielen lassen (wodurch bewiesen wurde, dass Erdoğan gar nicht hätte Ministerpräsident werden dürfen). Jedoch zeigte dies bei all den anderen Skandalen und Betrugsvorfällen, die an Erdoğans Biographie haften, keine sonderliche Wirkung. Seine Kritiker haben ihn auch vorher schon kritisiert, seine Anhänger folgen ihm blind und sind faktenimmun und die Justiz arbeitet nicht mehr unabhängig. Der Putschversuch, welcher vermutlich von einem Zusammenschluss aus kemalistischen und gülenistischen Erdoğan-Kritikern durchgeführt wurde, hat Erdoğan auf taktisch brillante Weise zu seinem Vorteil instrumentalisiert. Schon bevor der Putsch losging, sickerten die Informationen durch den Geheimdienst und andere Militärangehörigte zu Erdoğan durch. Erdoğan ließ den Putsch geschehen, jedoch schon früher als geplant und natürlich waren er und seine Einheiten vorbereitet. Er mobilisierte per Videobotschaft seine Anhänger auf die Straßen, unterstützte sie mit Polizeieinheiten und verkaufte den daraufhin jämmerlich gescheiterten Putschversuch als "Sieg des Volkes" und "Sieg der Demokratie". Die armen Soldaten, die nur ausführende Kräfte waren, wurden von Erdoğan-Anhängern teils zu Tode geprügelt und standen als Bauernopfer da. Erdoğan hatte nun die Legitimierung für das, was er sich wohl immer schon gewünscht hatte; nämlich die Ausrufung des Ausnahmezustandes, die natürlich international nicht kritisiert werden konnte. Seitdem regiert er per Dekret, also als De-Facto-Diktator, da ihm die letzten Überreste des demokratischen Rechtsstaates, die letzten noch unabhängigen Richter, nicht mehr im Wege stehen. Täglich werden neue Kritiker verhaftet, und zwar aus allen politischen Lagern. Ihnen allen wird Terrorismus bzw. Terrorpropaganda vorgeworfen. Es gibt drei Etikette: 1. Das Gülen-Etikett (für Kritiker aus dem konservativen Lager), 2. Das PKK-Etikett (für Kritiker kurdischer Herkunft), 3. Das Kemalisten-Militärputsch-Staatsverräter-Etikett (für Kritiker aus dem säkularen, linken Lager). Um festgenommen zu werden, genügt es schon, ein Buch von Fetullah Gülen zu besitzen, familienbedingte Verbindungen dritten Grades zu einem PKK-Mitglied zu haben oder sich öffentlich hinter die Berichterstattung zu illegalen Waffenlieferungen nach Syrien von Can Dündar zu stellen. Viele werden auch vollkommen grundlos festgenommen und man schreibt ihnen völlig absurde Sympathien zur Gülen-Sekte zu, wie es momentan vielen Säkularen/Kemalisten ergeht (absurd deshalb, weil wie ich schon anfangs erwähnt hatte, die Kemalisten immer schon der Hauptfeind Gülens waren).

Ich hoffe, ich konnte dir deine Fragen beantworten. Wenn du noch mehr über die Türkei wissen willst, kannst du mich gerne fragen. LG

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Hallo!

Ehrenmorde definieren sich als Morde, bei denen als Motiv die Familienehre angegeben wird. Opfer sind fast ausschließlich weibliche Familienmitglieder, die gegen die von der Familie/dem Gesellschaftskreis vorgegebenen Werte verstoßen. Mit dem Mord soll das abweichende Verhalten der Person gestoppt und die Ehre der Familie wiederhergestellt werden.

Die Ursachen für dieses Phänomen sind komplex. Es gibt wohl zwei übergeordnete Punkte, die in einer Gesellschaft, in der Ehrenmorde praktiziert werden, immer vorhanden sind: 1. Die Gesellschaft ist stark patriarchalisch geprägt. 2. Die Familienehre genießt hohe Priorität.

Der Islam, oder allgemeiner gesagt, Religionen, sind nicht die Hauptursache. Religion spielt (je nach Auslegung) höchstens eine unterstützende Rolle, indem sie die konservativen Werte, gegen die das Opfer verstößt, vorgibt und als gottgewollt darstellt. Somit kann eine archaische Ausprägung des Glaubens durchaus das Gesellschaftsklima für Ehrenmorde begünstigen.

Nun konkret zum Islam: Wie ich vorhin schon schrieb, kann ein erzkonservativ ausgelegter Islam die Ehrenmord-Wahrscheinlichkeit einer Gesellschaft erhöhen. Auch gibt es sicherlich sogenannte "Islamgelehrte", die Ehrenmorde rechtfertigen oder Hass gegen leicht bekleidete Frauen schüren. Die sind dann in die gleiche Kategorie einzuordnen wie die saudi-arabischen Prediger, die ein angebliches Autofahr-Verbot aus dem Koran ableiten. Fakt ist jedoch: In keiner islamischen Schrift gibt es die Aufforderung oder Erlaubnis für Ehrenmorde. Aus theologischer Sicht sind Ehrenmorde im Islam also nicht halāl.

Auch wenn Ehrenmorde größtenteils in muslimischen Gesellschaftskreisen auftreten (weswegen ich die Meinung vertrete, dass dieses grauenhafte Phänomen insbesondere innerhalb der muslimischen Community diskutiert werden muss), macht man es sich zu einfach, sie einzig mit dem Islam oder Muslimen in Verbindung zu bringen. In Deutschland gab es vor einigen Jahren einen quasi mustergültigen Ehrenmord, der durch die Öffentlichkeit ging (siehe Video im Anhang). Opfer war Arzu Özmen, die wohlgemerkt aus keiner muslimischen, sondern einer jesidischen Familie stammte!

LG








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mein Mann mobbt mich immer wie gehe ich damit um?

Also zu meiner Person: ich bin 27 Jahre alt bin seit 2 Jahren verheiratet habe eine Tochter und bin Türkin, bin in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, aber habe aus der Türkei geheiratet und bin in die Türkei wegen Eheschließung umgezogen. Zu meiner Situation: ich kenne mein Mann seit gute 10 Jahren. Wir haben uns damals durch Cousine kennengelernt. Mein Mann War damals schon sehr eitel, eingebildet und arrogant. War so in sich selbst verliebt, sodass er seine eigene Macken nie gesehen hat und immer an mir rumhackte. Wir hatten vielmehr Kontakt übers Internet als persönlich. schon damals hackte er an meinem Gewicht. vor 3 Jahren hatte er mich immer runtergekriegt. erniedrigt mich ausgelacht und psyschich so fertig gemacht das ich mich dazu gezwungen fühlte abzunehmen. ich nahm dann auch um die zwanzig Kilo durch ernährungsumstellung und sport ab. dann war vorerst mal Ruhe. Wir verlobten uns und da fingen die anderen Probleme an. wir kamen uns näher. er lernte mein Körper kennen. ich war nie jemand wo einen schönen Körper hatte. ich hatte venenschwäche an den Beinen. sprich Krampfadern, besenreiser, kräftige Oberschenkel, celluliten, etc. für ihm War das immer ein Problem, heute immer noch. er lacht sich über mich aus. er erniedrigt mich öfters, er beleidigt mich auCh öfters, was meine unschöne Beine und die Dellen angeht. wir haben geheiratet und somit wurde seine Art zu mir immer schlimmer. ich verkrafte das schon gar nicht mehr. heut Kam wieder so ein dummer Spruch von wegen '' wer schaut dich denn mit deinen ekligen Beinen und Dellen an. ich verkrafte das nicht mehr. ich weiss schon gar nicht mehr wie ich damit umgehen soll. ich habe öfters versucht ihm klar zu stellen das mich das verletzt und er damit aufhören soll. für kurze zeit War dann gut aber dann fing es wieder an. und wieder und wieder und wieder. er hat auch seine Mackeln aber ich hacke auch nicht an ihm rum. Bitte kommt mir nicht mit LASS DICH SCHEIDEN oder so ähnliches. ich kann das nicht. für mich ist das nicht so leicht. 1. weil meine Gefühle noch vorhanden sind (auch wenn es nicht mehr wie früher ist). 2. weil ich meine Tochter nicht ohne Vater aufziehen will. 3. İch erinnere nur nochmal daran, ich bin momentan in der Türkei und ihr wisst das leben in der Türkei ist ganz anders wie in Deutschland, er könnte locker mir meine Tochter wegnehmen und ich würde ohne nichts dastehen.. Gründe habe ich viele warum es nicht so einfach geht. gibt mir bitte Ratschläge die ich auch wirklich umsetzen kann. ich bin für jeden hilfreichen Rat dankbar

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Hallo!

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass es ganz gemein und böse von deinem Mann ist, dass er so respektlos mit dir umgeht. Es tut mir weh, das zu lesen, was du schreibst. Ein Ehemann sollte dich akzeptieren und lieben wie du bist und vor allem, dich glücklich machen. Trifft das auf deinen Ehemann zu? Nein.

Es hört sich nicht schön an, aber es ist wohl so, dass es ein Fehler war, dich mit ihm zu verloben. Sorry, das musste jetzt einfach mal so ausgesprochen werden. Verurteile dich nicht dafür. Du warst damals jung und naiv. Jeder macht Fehler im Leben. Heute bist du schlauer. Wichtig ist von daher, dass du ehrlich zu dir selbst bist und die Gegebenheiten nicht verleugnest. Und hier sind wir bei einem wichtigen Punkt: Du hast da nämlich einen Denkfehler.

Du schreibst, dass du deinen Mann noch immer irgendwie liebst und du glaubst, dass du ihm deswegen verzeihen musst. Das ist ein Denkfehler! Du musst zwischen Liebe und Verliebt-Sein unterscheiden. Du warst früher, vor 10 Jahren, in diesen Mann verliebt. Verliebt-Sein bedeutet, dass du einen Menschen aus irgendeinem Grund attraktiv findest und sich dein Gehirn alle möglichen Phantasien und Träumereien und Wünsche zusammenbastelt. Dieses aufregende Gefühl, das verbunden ist mit den Wünschen, die du an eine Beziehung und an deinen perfekten Ehemann hast. Mit diesem Gefühl, das du zu Anfang hattest, assoziierst du deinen Mann noch immer. Deswegen glaubst du, dass du ihn noch lieben würdest. Aber sei doch ehrlich: Wie viel von dem, was du dir am Anfang eurer Beziehung erhofft hast, ist noch übrig geblieben? Wie viel davon ist Wunsch und wie viel ist Realität? Wenn du deinen Mann schon damals so gut gekannt hättest wie heute, hättest du ihn dann überhaupt geheiratet? Hätten sich dann überhaupt diese starken Verliebtheits-Gefühle entwickelt?

Lange Rede, kurzer Sinn: Du darfst ruhig egoistisch sein. Man kann jetzt lange drumherum reden, aber am Ende läuft es auf die Frage hinaus: Was willst du wirklich? Wie willst du leben? Willst du ein glückliches Leben haben, ein Leben, das dir Erfüllung bietet? Oder willst du dieses Leben voller Schmerz, Trauer und Frust leben, an der Seite von einem Mann, der dir keine Liebe zeigt? Stelle dir vor, du stirbst morgen - wärst du dann zufrieden mit deinem Leben? Oder würdest du dir vielleicht nicht doch mehr erwarten?

Ich rate dir inständig dazu, dich von diesem Mann zu trennen. Natürlich, ein solcher Schritt birgt Risiken. Aber hey, willst du dein Leben einfach so wegwerfen? Willst du dich einfach so zufrieden geben mit dieser traurigen Situation? Das ist DEIN Leben. Ist es das nicht allemal wert, dieses Risiko einzugehen? Ich sag dir was: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Aber der Weg führt einen nur dann ans Ziel, wenn man an seinem Willen festhält, wenn man die Flamme weiterhin anfächelt, statt sie vom Wind des Zweifels erlischen zu lassen. Wer will, der kann. Glaub mir. Lasse deine Träume und deinen Willen nicht von den Ängsten, Zweifeln und Unsicherheiten an den Boden ketten.

Noch kurz zu den letzten beiden Punkten, die du genannt hast: Du sagst, du willst deine Tochter nicht ohne Vater aufziehen. Natürlich, es ist im Idealfall immer besser, wenn beide Elternteile das Kind aufziehen. Aber bei deinem Mann handelt es sich nun mal um keinen Idealfall. Willst du deine Tochter von so einem ignoranten Macho aufziehen lassen? Gehe besser deinen eigenen Weg. Tausende alleinerziehende Mütter dieser Welt machen es vor. Wenn die es schaffen, schaffst du es auch. Außerdem kannst du ja neue Männer kennenlernen. Vielleicht findest du einen, der dir Liebe und Wertschätzung entgegenbringt. Und wenn es in der Türkei so gar nicht klappt, dann kannst du ja immernoch nach Deutschland zurück kommen.

Liebe Grüße und ganz viel Glück!!






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Hallo!

Erstens: Bei der Zusammenfassung des Artikels vom "Tagesspiegel" musst Du unbedingt den Konjunktiv, also die indirekte Rede verwenden. Du kannst nicht einfach schreiben: "Der Islam ist eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.". Korrekterweise müsste es heißen: "Die AfD vertritt die Ansicht, dass der Islam eine politische Ideologie sei, die mit dem Grundgesetz unvereinbar ist." Oder eben einfach: "Der Islam sei eine politische Ideologie, die mit dem Grundgesetz unvereinbar ist." Merkst Du den Unterschied? Es muss deutlich werden, dass diese Behauptungen über den Islam von der AfD stammen. "Ist" und "sind" müssen also durch "sei" und "seien" ersetzt werden. Oder Du schreibst davor, dass die folgende Behauptung von der AfD kommt ("Die AfD vertritt die Ansicht...", "Laut der AfD...", "Gemäß der AfD...", "Die AfD behauptet, dass..." usw)

Pro Argumente für die AfD-Vorschläge fallen mir beim besten Willen keine ein. Dass es weniger Terroranschläge in Deutschland geben würde, ist Quatsch. Indem man den Islam für illegal erklärt und Moscheen verbietet, würde man erst recht den radikalen Islamismus fördern, da sich der muslimische Bevölkerungsteil diskriminiert und provoziert fühlen würde und radikalislamische Organisationen im Untergrund ihr Unwesen treiben würden. Zudem würde man mit derartigen Schritten die Islamfeindlichkeit in der Gesellschaft verstärken, was im Umkehrschluss höchstens zu mehr Anschlägen von Neonazis und anderen Rechtspopulisten führen würde. Wirf mal einen Blick in die Statistik: In Deutschland gibt es weit mehr Kriminaldelikte von Rassisten als von Islamisten.

Kontra Argumente gibt es sehr viele. Zum einen gibt es ein Recht auf Religionsfreiheit in Deutschland, das bedeutet z.B., so wie jeder Christ in die Kirche gehen darf, so darf es auch Moscheen geben, die von Muslimen besucht werden. Zum anderen würde die Spaltung zwischen dem muslimischen Gesellschaftsteil und dem Rest der Deutschen vorangetrieben werden. Muslime würden sich von Deutschland diskriminiert und ausgeschlossen fühlen und wären somit umso weniger daran interessiert, sich für die Werte, die Kerngesellschaft und Staat vorgeben, zu öffnen. Das gilt insbesondere für ohnehin schon sehr konservative bis radikale Muslime. Wie würde das Echo der muslimischen Bevölkerung also ausfallen? Trotzig, wütend, provokant, ist doch klar. Schau Dir Frankreich an, wie ausgeschlossen sich ein Großteil der algerischstämmigen und tunesischstämmigen Bevölkerung fühlt. Die haben teilweise einen richtigen Hass gegen Frankreich, z.B. wird gepfiffen, wenn bei einem Fußballspiel die Marseillaise, also die französische Nationalhymne, ertönt... Was also nutzt es, wenn es weniger Moscheen gibt und weniger Verschleierungen auf der Straße zu sehen sind, dafür aber die Gesellschaft umso gespaltener und der Integrationswille umso niedriger ist? Richtig, gar nichts.

PS: Um Deine Grammatik und Sprachfähigkeiten zu verbessern, hilft es Dir sicherlich, wenn Du Dir ein paar Bücher holst und Dir angewöhnst, jeden Abend 10-15 Minuten zu lesen, bevor Du schlafen gehst.

LG

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Schlecht

Natürlich hat Erdogan einige Erfolge in wirtschaftlicher Hinsicht vorzuweisen. Auch hat er strikt laizistische und minderheitenfeindliche Regelungen des kemalistischen Regimes revidiert, beispielsweise das Kopftuchverbot für Studentinnen oder diverse Verbote für Kurden. Und zu Anfang seiner Regierungszeit gab es auch einige Demokratisierungsprozesse sowie wichtige Schritte in Richtung Frieden und Rechtstaatlichkeit. So weit, so gut.

Man darf sich davon aber nicht täuschen lassen. Erdogan treibt ein hinterlistiges Spiel. In Wirklichkeit ist er an Demokratie, Menschenrechten und der Freiheit seines Volkes nicht interessiert. Er hat es selber gesagt, Demokratie ist nur der Zug, auf den er aufspringt, bis er am Ziel ist. Genau das erkennen wir sehr gut, wenn wir uns die Entwicklung der Türkei in den letzten Jahren anschauen. Erdogan wird immer autoritärer, immer machtbesessener und verstößt dabei gegen immer mehr Regeln.

Wenn Du Dir eine Meinung zu Erdogan bilden willst, dann musst Du sein Leben genau unter die Lupe nehmen. Aufgewachsen in einem streng konservativen Elternhaus, hat er eine Koranschule besucht und ist schon in jungen Jahren politisch aktiv geworden. Er war ein glühender Anhänger des bekennenden Islamisten Necmettin Erbakan. Dessen Parteien wurden immer wieder aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit verboten, weil sie radikalislamische und gewaltaufrufende Tendenzen hatten. Erdogan war in all diesen Parteien Mitglied, bis er 2001 die AKP gründete. Offiziell bekennt sich die AKP natürlich zu demokratischen Werten und auch Erdogan schwadroniert gerne von Demokratie. Man muss sich aber nur einmal diverse Aussagen von ihm durchlesen, die er auf Reden, Pressekonferenzen oder in Interviews so gemacht hat. Oder diverse Gesetzesvorschläge, die er getätigt hat. Dabei scheint dann sein wirkliches Weltbild durch. Und das unterscheidet sich nicht groß von dem von Necmettin Erbakan. Da ist der Chauvinismus der eigenen glorifizierten konservativ-sunnitischen Ideologie. Der Hass auf eine Trennung von Staat und Religion, der Hass auf alles Westliche. Der Drang, sich in das Privatleben der Leute einzumischen, die Sittenpolizei zu spielen. Die Machtbesessenheit, die Skrupellosigkeit gegenüber Andersdenkenden und Kritikern.

Für die Türkei ist dieser Mann gefährlich, weil er immer mehr Macht an sich reißt, sodass das Volk fast gar nicht mehr die Möglichkeit hat, ihn tatsächlich aus eigener Kraft wieder loszuwerden. Gewaltenteilung existiert in der Türkei nicht mehr. Sowohl Justiz als auch Polizei, Militär und ein Großteil der Medien sind unter Kontrolle Erdogans. Demonstrationen werden entweder direkt verboten oder sofort skrupellos zerschlagen. Kritische Journalisten, Politiker und Akademiker werden eingesperrt. So etwas kann man auch als jemand, der das Wirtschaftswachstum der AKP befürwortet und mit der konservativ-sunnitischen Ideologie übereinstimmt, nicht gutheißen. Ein Staat muss unabhängig sein und Bürgerrechte garantieren. Vor allem ist es ein Trugschluss zu glauben, alles sei unter der AKP besser geworden. Wir haben haufenweise Bauprojekte, Moscheen und Einkaufszentren schießen wie Pilze aus dem Boden. Doch sowohl die Moscheen als auch die Einkaufszentren stehen häufig leer und müssen teilweise wieder geschlossen werden. Es gibt aber einen erheblichen Mangel an Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Frauenhäusern etc.! In so etwas wird nicht investiert. Immer nur Wirtschaft und Religion. Das Volk soll arbeiten, das Volk soll konsumieren und das Volk soll von der konservativ-sunnitischen Ideologie eingeschläfert werden, damit es dem Führer Erdogan hinterhertrottet. Daran sieht man, dass sich Erdogans Politik in erster Linie auf den eigenen Machterhalt auslegt. Er steht sich aber selbst im Weg. Auf der einen Seite will er das Volk zu seinem erzkonservativen Ideal uniformieren. Auf der anderen Seite sorgt er mit seiner Macho-Rhetorik und seiner Sturköpfigkeit dafür, dass das Volk so gespalten ist wie selten zuvor. Das innenpolitische Konfliktpotenzial ist extrem hoch.

Man kommt also nicht umher, das Fazit zu ziehen: Erdogan muss vom Thron gestoßen werden. Je schneller, umso besser.

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Ich finde es auch absolut unauthentisch und lachhaft, wenn sich solche Leute als "stolze Muslime" profilieren wollen. Daran siehst Du, dass es denen einzig und allein darum geht, Anerkennung von Außen zu bekommen. Religion als narzisstisches Gewand also.

Umgekehrt finde ich es genau so fragwürdig, wenn ultrakonservative Muslime sich als die einzig richtigen bezeichnen und keine andere Lebensweise als die eigene, fundamentalistische zulassen. In den islamischen Schriften ist seit je her eine breite Interpretationsvielfalt gegeben, von daher ist es absolut unislamisch, die komplette Religion und Religionsgemeinschaft zu uniformieren.

LG

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Hallo!

Zwischen den beiden Parteien und deren Wählerschaft gibt es sowohl historisch betrachtet als auch gegenwärtig einige Unterschiede.

CHP: Wurde von Mustafa Kemal Atatürk gegründet und orientiert sich an den Leitlinien des Kemalismus. Früher radikal-laizistisch, nationalistisch und (wirtschaftlich betrachtet) mitte-links. Von damals bis heute hat die Partei natürlich einige Veränderungen durchzogen, in jüngerer Zeit speziell durch Kemal Kilicdaroglu. Inzwischen ist die CHP nicht mehr so radikal-laizistisch und auch nicht mehr so nationalistisch wie früher. Sie hat sich zu einer klassischen sozialdemokratischen Partei hin entwickelt, in etwa zu vergleichen mit der SPD. Die CHP wird in erster Linie von den Leuten gewählt, die Kemal Atatürk verehren, die säkular sind und eine offene, freiheitliche und "linkere" Türkei wollen.

HDP: Der gravierendste Unterschied zur CHP liegt darin, dass die HDP erst 2012 gegründet wurde, während die CHP die älteste türkische Partei ist (Gründung 1923). Die HDP ist entstanden aus verschiedenen kleineren linken Parteien und Gruppierungen sowie aus der prokurdischen DBP. Inzwischen haben sich auch viele Aktivisten aus Gewerkschaften, Frauenrechtsorganisationen, Homosexuellenbewegungen und Umweltorganisationen angeschlossen. Somit setzt sich die HDP in erster Linie für Minderheitenrechte ein, also für ethnische und religiöse Minderheiten aber ebenso für Frauenrechte, Homosexuellenrechte, Umweltschutz usw. Besonders zu betonen ist auch die Bindung zur kurdischen Gesellschaft, denn in der HDP sind zum größten Teil Kurden aktiv (so auch die beiden Parteivorsitzenden Demirtas und Yüksekdag) und sie wird vom Volk auch als "Kurdenpartei" empfunden. Die HDP wird demnach also auch überwiegend von Kurden gewählt, aber ebenso von den angesprochenen Minderheiten sowie von den Menschen, die sich eine buntere, freiere und tolerantere Türkei wünschen. Du kannst die HDP in etwa mit den Grünen und der Linken in Deutschland vergleichen.

Was die beiden Parteien eint, ist also ihre grundlegend linke, säkulare bzw. laizistische und nach Freiheit strebende Richtung. Folglich stehen diese beiden Parteien der momentan regierenden autokratisch-kapitalistisch-islamistischen AKP sehr kritisch gegenüber. Ebenso der rechtsradikal-konservativen MHP. Jedoch gibt es auch Uneinigkeiten, denn unter den Atatürk-Anhängern gibt es nach wie vor viele Nationalisten, die natürlich mit einer Partei, die den Kurden nahesteht, nichts zu tun haben wollen. Und umgekehrt gibt es unter den größtenteils kurdischen HDP-Anhängern ein großes Misstrauen gegenüber den Kemalisten. Denn kein Kurde hat vergessen, wie Atatürk damals das kurdische Volk hintergangen hat und ihre Kultur auslöschen wollte. Bis heute gibt es ja diesen (neuerdings vor allem von Erdogan angefachten) Konflikt zwischen PKK und dem türkischen Staat und damit verbunden den Hass zwischen Kurden und Türken.

LG

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Hallo!

Deine Beobachtung kann ich so bestätigen, wobei eine zunehmende Tendenz derartiger Partnerschaften festzustellen ist.

Die Gründe sind vielseitig. In erster Linie handelt es sich, wie Du schon richtig vermutet hast, um die konservativen und somit patriarchalischen Werte, die der Großteil der hier lebenden türkischstämmigen und arabischstämmigen Menschen nach wie vor vertritt. Gemäß dieses patriarchalischen Weltbildes gelten Mädchen als Eigentum und Aushängeschild der Familie. Eine "ehrenhafte" Familie hat ein keusches, gehorsames Mädchen vorzuweisen. Dem weiblichen Geschlecht wird also mehr oder minder die Selbstbestimmung abgesprochen. Häufig wird dies mit einer Vorstellung gerechtfertigt, welche Frauen als "zarte Pflänzchen" betrachtet und Männer als die naturgemäßen und gottgewollten Beschützer - mit anderen Worten, man erteilt Frauen den Status eines Kindes, das weder Verantwortung noch Eigenbestimmtheit übernehmen darf und deswegen weniger Rechte hat als der Erwachsene (in diesem Fall eben der Mann). So ist es kein Wunder, dass in vielen türkischstämmigen und arabischstämmigen Familien Jungs prinzipiell mehr dürfen als ihre Schwestern, egal um was es sich handelt. Wenn sich ein Mädchen also in einen Jungen verliebt, dann kann sie sich häufig nur vage Hoffnungen auf eine Beziehung machen. Eltern und Brüder reagieren darauf oft mit Konsequenzen im grenzenlosen Ausmaß, schlimmstenfalls mit Gewalt, Androhung von Mord oder einem durchgeführten Mord ("Ehrenmord"). Je nach Familie sind Religion oder Nation dabei irrelevant, wobei tendenziell natürlich ein nichtmuslimischer Partner umso unerwünschter ist. Das ist also ein familiärer und innergesellschaftlicher Druck, der da auf den türkischen und arabischen Mädchen lastet. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich auch Mädchen aus offeneren Familien eher feste Partnerschaften wünschen und nicht die - vom größeren Teil der "deutschen Jungs" bevorzugten - lockeren, häufig kurzweiligen Beziehungen. Umgekehrt ist es folglich so, dass nichtmuslimische Jungs und Männer den negativen Stereotyp der strengen Familie mit den fünf gewaltbereiten Brüdern und einer ihrer Jungfräulichkeit hütenden Tochter vor Augen haben, was dann eben auch abschreckend wirkt.

Die Religion ist nicht die Hauptursache, wirkt aber in konservativer Auslegung natürlich verstärkend auf das patriarchalische Gerüst. Ein konservativer sunnitischer Islam manifestiert das Patriarchat und schreibt ihm obendrein noch die Legitimation Gottes zu. Voreheliche Beziehungen sind für beide Geschlechter verboten und Frauen dürfen sich keinen nichtmuslimischen Mann als Ehepartner nehmen. Ich als "progressiver Moslem" finde beide Regelungen nicht mehr zeitgemäß. Zudem möchte ich anhand eines Beispiels festmachen, dass der Islam nicht zwangsläufig mit patriarchalischen Werten und "Ehrenmorden" verknüpft sein muss: 1. Machistische Gesellschaftsstrukturen gibt es auch im hinduistischen Indien, in christlichen/andersreligiösen Bereichen Afrikas oder im streng katholischen Südamerika. 2. Sogenannte "Ehrenmorde" finden keinerlei Berechtigung in den islamischen Schriften. Zudem treten sie auch in andersreligiösen Familien auf - vor einigen Jahren ging der Fall der Arzu Özmen durch die deutsche Öffentlichkeit, die aus einer jesidischen Familie stammte.

Was also kann man tun?Der alles entscheidene Schritt ist, dass der türkischstämmige und arabischstämmige Bevölkerungsteil seine patriarchalischen Werte überwindet und sich die konservative Parallelgesellschaft und die deutsche Kerngesellschaft näher kommen. Dafür müssen beide Seiten ihre Hausaufgaben machen. Momentan ist es so, dass sich die aufgrund eines (beiderseits verschuldeten) gescheiterten Integrationsprozesses abgesplitterte Parallelgesellschaft in der Opferrolle fühlt. Sie macht eine Minderheit aus, spürt die islamfeindliche und vorurteilsbeladene Stimmung der Mehrheit und fühlt sich ergo bedroht: Die konservativen Werte werden als religiöse und kulturelle Güter angesehen und deswegen verteidigt und manifestiert. Leider zeigt die nichtmuslimische "Kerngesellschaft" dafür wenig Verständnis (besser gesagt: sie begreift es einfach nicht), sondern deklariert den Islam als Sündenbock und handelt gemäß des Trugschlusses, man würde diese Religion am schnellsten dadurch los, indem man verbal ordentlich auf sie einprügelt. Somit kommt es zu diesem Teufelskreis, der die Kluft zwischen diesen beiden Gesellschaftskreisen immer tiefer aufreißt. Wünschenswert wäre, dass beide Seiten sich die Mühe machen, die andere Fraktion überhaupt erstmal zu verstehen und in einen gemeinsamen Austausch in respektvollem Ton miteinander zu treten. Wenn Muslime sich nicht mehr in der Opferrolle fühlen und keine Angriffen mehr auf ihre Religion und Werte befürchten, dann werden sie in der Verfassung sein, orthodoxe und patriarchalische Strukturen bewusst von ihrer Religion und Kultur zu trennen und sie abzulehnen. Je öfter in der Folge Beziehungen der Kombination orientalische Frau + deutscher Mann zu sehen sind, umso weniger wird auch innergesellschaftlicher Druck auf den arabischen und türkischen Familien lasten, diesbezüglich die Ehre der Familie zu bewahren. Denn wenn es zur Normalität wird, dass man Partnerschaften dieser Art sieht, dann ist es auch nichts "unehrenhaftes" mehr. Schließlich ist "Ehre" nichts als gesellschaftliche Anerkennung.

LG

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Hallo!

Wenn ich den Sachverhalt mal so betrachte, dann bleiben Dir eigentlich nur vier Optionen:

1. Du bleibst bei der Wahrheit und versuchst, Deine Eltern argumentativ zu überzeugen. Dabei könntest Du darauf hinweisen, dass es laut Sure 2:256 keinen Zwang im Glauben geben darf. Aus religiösen Motiven dürfen Dich Deine Eltern im Islam also nicht entgegen Deiner persönlichen Glaubensausrichtung zwingen. Ansonsten solltest Du versuchen, Deinen Eltern deutlich zu machen, wie wichtig Dir diese Veranstaltung ist und dass es Dich sehr verletzt, wenn Du schon wieder nicht dabei sein darfst. Du warst in Vergangenheit schon bei so vielen Events nicht dabei und hast brav gehorcht, jetzt holst Du aber einmal im Leben Dein Abitur und das möchtest Du gerne zusammen mit Deinen Mitschülern inform dieses Balls feiern und genießen. Sag ihnen, dass es für Dich selbstverständlich ist, dass Du keinen Alkohol trinkst oder dergleichen und dass ja auch Lehrer dabei sind, sodass sich der ganze Abend definitiv "im Rahmen" halten wird. Dass es außer Dir kein einziges Mädchen gibt, dass nicht dabei sein darf, dass auch andere religiöse (kopftuchtragende) Mädchen auf den Abiball gehen. Du könntest Ihnen auch anbieten, dass sie mitkommen (eigentlich ist es doch so üblich, dass die Eltern - zumindest bis zu einer gewissen Uhrzeit - dabei sind, oder?).

2. Du überlegst Dir eine Notlüge, erfindest also irgendeine Veranstaltung, die verpflichtend ist. Je nach dem, was für eine Schule oder Fachschule Du besuchst, könntest Du irgendeinen Anlass erfinden. Als ich mein Abitur parallel zur Erzieherausbildung gemacht habe, hatten wir z.B. in der Tat einen erlebnispädagogischen Kurs, bei dem wir eine Nachtwanderung durch den Wald gemacht haben. Allerdings stellt sich hier natürlich die Frage, ob Deine Eltern Dich nicht durchschauen, da Du die Sache mit dem Abiball ja bereits angesprochen hast. Außerdem würde es - selbst wenn es funktionieren würde - an Deinem Kernproblem, nämlich der eingeschränkten Rolle, in der Du Dich befindest, nichts ändern.

3. Du wendest Dich an Deinen Klassenlehrer oder einen anderen Lehrer, dem Du vertraust und versuchst mit deren Hilfe, Deine Eltern umzustimmen. Lehrer stellen immer eine Autorität dar, sind von ihrer Erscheinung her in der Regel also ein imposanterer Diskussionspartner als das kleine Töchterchen, über das man schon immer bestimmt hat. Wenn Dein Lehrer sagt, dass er ein Auge auf die Lage haben wird, sodass es keine Alkoholexzesse geben wird (oder was immer Deine Eltern sich ausmalen), dann macht das mehr Eindruck, als wenn Du allein es Deinen Eltern sagst. Auch signalisierst Du Deinen Eltern dadurch, dass Du extrem unzufrieden mit Deiner Rolle bist und Dir Hilfe von Außen holst. Vielleicht animiert sie das zu einem Denkprozess oder wirkt als eine Art Druckmittel.

4. Du gehst auf Konfrontationskurs. Dazu könntest Du ausdrücklich darauf hinweisen, dass Du mit 18 Jahren volljährig bist und Dir schlichtweg nichts mehr befehlen lassen musst. Dass Du die Einschränkungen einfach satt bist, dass Du alt genug bist, für Dich selber zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Dass Deine Eltern laut Sure 2:256 eine Sünde begehen, wenn sie Dich gegen Deinen Willen zwingen, nicht Du verhälst Dich sündenhaft, sondern sie. Du könntest versuchen, Druck auf sie auszuüben, indem Du ihnen androhst, Lehrer einzuschalten oder damit drohst, einfach ohne Erlaubnis auf den Ball zu gehen.

Du kennst Deine Eltern am besten, also kannst Du am besten entscheiden, welche Option die günstigste ist. Meine persönliche Haltung ist, dass Du alles daran setzen solltest, auf den Abiball zu gehen. Wirklich, das steht Dir zu. Deine Eltern haben - weder gesetzlich noch moralisch noch auf religiöser Ebene - das Recht, Dir das zu verbieten. Du musst Dich nicht ständig bevormunden lassen, dies ist Dein eigenes Leben. Lass Dich nicht mit dem Argument der Religion einschüchtern - eine derartig krasse Bevormundung ist nirgendwo im Islam vorgeschrieben. Deine Eltern handeln und erziehen wahrscheinlich nach dem Schema, das sie von ihrer Kindheit auf so gelernt haben. Dies bedeutet aber nicht, dass es richtig ist. Wie gesagt, weder auf rechtlicher, noch auf moralischer, noch auf rein religiös betrachteter Ebene ist das meiner Meinung nach in Ordnung. Dagegen solltest Du etwas unternehmen, denn am Ende ist es allein Dein Leben.

LG


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