Satzkonstruktion Memento mori?

6 Antworten

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Ja, ein super komplizierter Fall mit so vielen Besonderheiten.

(1) Das Verb "meminisse" (erinnern) ist ein Verbum defektivum, also ein Verb, das nicht in allen Konjugationsformen vorkommt, sondern nur in ganz bestimmten. Davon gibt es im Lateinischen zum Glück nicht viele Verben. Im Falle von "meminisse" ist die Besonderheit, dass der Infinitiv mit Präsensbedeutung wie ein Perfekt aussieht. Es gibt keine Präsensformen. Die Plusquamperfektformen bedeuten Perfekt.

"Memini" bedeutet also "ich erinnere mich", also Präsensbedeutung trotz Perfektkonjugation.

(2) Es gibt sehr selten verwendete Imperativ II-Formen auf "-to". Sie sind formal, gehoben, feierlich und bedeuten so etwas wie "du sollst + Infinitiv". Der Imperativ II stellt Gebote, Regeln, Gesetze auf und ist NICHT konkreter Befehl in einer aktuellen Situation, sondern feierlichen Regeln vorbehalten.

Als einfaches Beispiel Infinitiv "laudare" (loben) hat den normalen Imperativ I "lauda!" (lobe!). Der Imperativ II lautet "laudato!" (du sollst loben!).

Von "meminisse" lautet der Imperativ II "memento" (du sollst dich daran erinnern).

(3) Das Verb "mori" ist ein Deponens (Plural: Deponentien), was bedeutet, dass es ein Verb mit passivischen Formen ist, das aber aktive Bedeutung hat; "mori" bedeutet sterben.

Von diesen Verben gibt es einige, aber nicht viele. Bekannte andere Beispiel sind nasci (geboren werden), pati (erleiden), loqui (sprechen).

DER SPRUCH

Wörtlich bedeutet "memento mori" also "Du sollst dich erinnern zu sterben / dass du stirbst".

Es wird sehr oft als "Bedenke, dass du sterben wirst" wiedergegeben.

Dieses mittelalterliche Motto erinnert an die Sterblichkeit. Man könnte es heutzutage rein inhaltlich und modernisiert als "Sei dir bewusst, dass du sterben musst" übersetzen.

SATZGRAMMATIK

Letztlich einfach Prädikat (Imperativ II) mit Objekt-Infinitiv.

Mori ist ein Infinitiv, also ein Verbalsubstantiv “das Sterben, der Tod”. In diesem Satz fungiert es tatsächlich als Objekt, gilt also als Akkusativ (Infinitive nehmen keine Endungen).

Memento ist ein Imperativ des Verbes memini ‘ich erinnere mich’; dieses Verb ist ein Perfekt mit Präsensbedeutung, und es wird transitiv konstruiert (das, woran man sich erinnert, steht im Akkusativ).

Also heißt das ganze: Erinnere dich an den Tod oder Erinnere dich stets daran, daß du irgend­wann sterben wirst.

Die Imperativform auf -to ist im Lateinischen selten; sie wird vor allem in feierlichem Kontext verwendet. Sie wird immer in Kontexten verwendet, in denen der Befehl zeit­los für alle Zukunft gilt, niemals, wenn der Befehl an eine bestimmte Situation gebun­den ist.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Hallo,

mori ist ein Infinitiv, der hier ein Objektsinfinitiv ist und von der Befehlsform memento (= denke daran) abhängt. Du kannst das ganze als verkürzten AcI verstehen, etwa:

Memento (omnes homines) mori. = Denke daran, dass alle Menschen sterben.

Die beste Übersetzung ist daher wohl: Denke an die/deine Sterblichkeit!

LG

Hallo,

memento ist ein Imperativ II:

Herzliche Grüße,

Willy

Faultierlover 
Fragesteller
 01.02.2023, 16:49

Und was ist das dann für eine Satzkonstruktion? Oder ist das gar keine „richtige“?

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Willy1729  01.02.2023, 16:53
@Faultierlover

Das ist ein Imperativ mit davon abhängigen Infinitiv.

Du sollst daran denken zu sterben.

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Servus,

Das "memento" wird dem "Imperativ II" zugeordnet.