Sahen die Nationalsozialisten die inder als Arier an?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Als "Arier" wurden im NS Europäer oder europäischstämmige Amerikaner usw. gefasst, die keine Juden waren. Der Begriff wurde einfach verwendet, um "weiße" Nichtjuden von Juden abzugrenzen. Er hat nur insofern auch einen rasseanthropologischen Bezug, als dass auch schwarze, semitische, vorderasiatische und asiatische Nichtjuden nicht als "Arier" galten. Der allgemeine Begriff für "Nichtjuden" wäre etwa das hebräische Wort "Gojim".

Ein Arier war also nach NS-Definition also ein Goi, der kein Schwarzer, kein Semit, kein Vorderasiat und kein Asiat ist. Allerdings haben selbst diese spätere Verwendung des Arierbegriffs nicht die Nazis "erfunden". Bereits um die Jahrhundertwende wurde von den meisten Wissenschaftlern und Intellektuellen, die über Juden und Christen geschrieben haben, für letztere meistens den mehr anthropologischen Begriff des "Ariers" verwendet. Bei Autoren wie H. S. Chamberlain oder Otto Weiniger, die um die Jahrhundertwende schrieben, wurde zwischen "dem Juden" und "dem Arier" psychologisch dichotomisiert und viele europäische Gelehrte haben das ebenso gesehen. "Arier" war einfach die Selbstbezeichnung der Europäer (vgl. den engl. Begriff der "white race"), die den "semitischen" Juden als etwas Fremdartiges (nicht notwendig Feindliches, allerdings war dies bei vielen Autoren dann doch der Fall) empfanden.

Die frühere Definition von "Arier" war aber eine andere: Seit Gobineau wurde in der europäischen Geschichtswissenschaft und Anthropologie der Begriff einer "arischen Rasse" (race aryenne, aryan race) verwendet, um speziell einen europäischen Rassentypus abzugrenzen, nämlich den, welchen man später den "nordischen" genannt hat und der durch leptosomen Körperbau, schmale Schädelform (Dolichokephalie), relative Hochwüchsigkeit, leptorrhine Nasen, helles (blondes, rotes oder hellbraunes) Haar, kalte Augenfarbe (blau, grau oder grün) gekennzeichnet war.

Im NS (Günther, Clauß usw.) wurde in diesem Zusammenhang aber von einer "nordischen Rasse", gesprochen, niemals von einer "arischen". Somit sollte man diese ethnisch-politische Verwendung des Arierbegriffs (immer ohne das Wort "Rasse") streng unterscheiden von der rassentheoretischen aus dem 19. Jahrhundert.

Wie unwissend viele Menschen waren und sind kannst du hier nachlesen: https://parseundparse.wordpress.com/2014/05/10/die-herkunft-der-arier-mythos-und-fakt/

Eine Ideologie beruht niemals auf Fakten. Eine Ideologie wird zusammengeschustert. Meistens oft auch von Hilfsarbeitern, die keine Ahnung von dem haben, was sie da tun. Aber wer sie glaubt, ist eben auch kein besonders helles Licht in Sachen Veständnis und Tatsachen. So ist das, leider! ;-)

tanztrainer1  08.05.2022, 00:07

Teilweise ist dieser Mist bezüglich der Arier in Verbindung mit den Indogermanen bis Anfang der 60er Jahre in den Schulen unterrichtet worden. Ein Nachbar von mir, der 1960 eingeschult wurde, glaubt das bis heute immer noch. Dem werde ich den überaus interessanten Link zukommen lassen. Bin gespannt auf seine Reaktion!

0
Goldlaub  08.05.2022, 00:52
@tanztrainer1

Löbliches Vorhaben von dir. Ich vermute, er wird diesen Bericht als Produkte der "Lügenpresse" abtun.

By the way: Wir sollten uns alle immer wieder selbst hinterfragen, ob und inwiefern jeder Einzelne nicht auch irgendeinem Meinungsmist anheimgefallen ist. Das ist eine ständige Arbeit, sich mit den eigenen Überzeugungen von einer anderen Seite zu begegnen. Der Seite der Selbstkritik. Das erfordet Mut und Ehrlichkeit. Aber auch Offenheit zu lieb gewonnenen Gewohnheiten, ob sie nicht doch eine falsche Weltanschauung fixiert haben. Heutzutage mehr denn je. Man kann Verblendung, Propaganda und Verschwörungsinhalte unendlich oft und weiträumig verbreiten. Die Verbreiter bedienen sich perfiden "Plakaten", plakativem "Sirenegesang", um mit bunten Seiten, scheinbarer Seriosität (was wissenschaftliche Informationen angeht). Sie behaupten, sie bieten alternative Wahrheiten. Wer jedoch genau hinschaut und ein wenig Zeit aufbringt, weiter zu investigieren, kommt oft darauf, dass sie Im Grunde nur alternative Unwahrheiten streuen.

0
tanztrainer1  08.05.2022, 01:02
@Goldlaub

Den schätz ich aber gar nicht mal so in Richtung "ewig Gestriger" ein. (Sonst hätt der wohl kaum ne Menora bei sich rumstehen!)

0
tanztrainer1  08.05.2022, 13:01
@guenterhalt

Bei mir auch nicht mehr. Wurde 1965 eingeschult.

Kann aber auch an einem bestimmten Lehrer gelegen haben.

An einen Lehrer kann ich mich erinnern, der 1968 bezüglich seiner NS-Vergangenheit suspendiert wurde.

1
Strixnet  08.05.2022, 13:21
@tanztrainer1

Welcher Mist? Die indogermanischen Wanderungen in der Bronzezeit sind seit dem 19. Jh. Tatsache und werden auch von heutigen Wissenschaftlern nicht geleugnet. "Mist" ist höchstens die nationale Vereinnahmung dieses Begriffs für aktuelle realpolitische deutsche Interessen. Faktisch sind die Deutschen nicht mehr "arisch" als etwa Briten, Skandinavier oder die damaligen US-Amerikaner.

0
guenterhalt  08.05.2022, 13:32
@tanztrainer1

Es ist nicht so, dass wir das in den Schulen nicht gehört haben. Nazi-Lehrer hatten aber (1951 - 1961) da nichts zu verbreiten. Ich weiß, dass der Bruder meines Großvaters einen solchen Nachweis bräuchte, er war Postbeamter. In einen gehobenen Dienst dürfte er trotzdem nicht, denn einer der Vorfahren soll Jan Huss gewesen sein. Der galt da wohl als Kommunist.

Wenn die damals gewusst hätten, das mit großer Sicherheit, die Wiege der Menschheit in Afrika gestanden hat .....

1
tanztrainer1  08.05.2022, 13:49
@Strixnet

Darum geht es auch gar nicht.

Die Völkerwanderung bezweifle ich ja überhaupt nicht.

Allerdings sind die Arier nicht aus Nordeuropa in Richtung Iran gewandert, noch sind die Arier aus dem Iran Richtung Westeuropa gegangen, und das wurde behauptet, um den "Arier-Kult" in der NS-Zeit zu rechtfertigen.

Einer der bekanntesten Parsen, und somit ein Arier, war Farrokh Bulsarah, aka Freddy Mercury.

0
Strixnet  08.05.2022, 14:08
@tanztrainer1

Der nordeuropäische Ursprung des anthropologischen Typus der bronzezeitlichen Indogermanen war auch damals nur eine These von vielen und keineswegs die am meisten verbreitete. Bei Skandinavien als Ursprung der Indogermanen fallen mir spontan nur Leute ein wie Schopenhauer, Kossina, Hermann Hirt oder echte „Spinner“ wie Lanz von Liebenfels.

Es gab aber noch kühnere „Spinner“, die an einen Ursprung auf der sagenumwobenen Insel Atlantis glaubten, vor allem bei den sogenannten "Ariosophen".

Die meisten seriösen Anthropologen und Altertumsforscher gingen auch damals schon eher von einem entweder europäisch-kontinentalen Ursprung des Indogermanentums aus - so fasst z. B.  der "Rassenpapst" des 3. Reiches, Hans F. K. Günther, nur die allgemein in Europa vorherrschende wissenschaftliche Auffassung der zwanziger Jahre zusammen, wenn er einen Ursprung aus dem mitteleuropäischen Schnurkeramikertum im Gebiet der böhmischen Wasserscheide annahm. In Konkurrenz dazu standen damals aber bereits schon Auffassungen, die in Richtung der späteren Kurgan-Hypothese der Litauerin Gimbutas gingen, die einen osteuropäischen Ursprung des „Ariertums“ annahmen, irgendwo in Nähe des Donbass, entweder östlich davon (heute südliches Russland, nördlich des Kaukasus) oder aber eher westlich (heutige Ukraine).

Die Diskussion über den Rassentypus der bronzezeitlichen Indogermanen war wiederum eine andere, wenn auch eng mit jener Diskussion verwoben. Doch im Kern dürfte es sich wohl tatsächlich um einen langschädligen, leptomorphen sowie höchstwahrscheinlich depigmentierten Typus gehandelt haben, wie es Schädelfunde sowie historische Überlieferungen (Rigveda, antikes Schrifttum usw.) nahelegen.

Die Anmaßung, als Deutsche die „reinsten“ oder „echtesten“ noch bestehenden Nachfahren der Indogermanen (Arier) zu sein, hatte natürlich ideologisch-politische Gründe und ist sachlich ebenso Quark wie moralisch verwerflich: Die modernen Völker haben ja erst während des Mittelalters herausgebildet und ein durchschnittlicher Tscheche ist mit Sicherheit nicht weniger ein „Arier“ (in diesem Sinne) als dies ein Deutscher ist. Dennoch kann man die Deutschen von damals insofern zumindest entschuldigen, als dass manchen von ihnen diese Grille von einem Franzosen, Arthur de Gobineau, bereits Mittel des 19. Jh. in den Kopf gepflanzt wurde.

0

Ich vermute, dass damals der Wissenstand noch nicht so weit war, dass allen Nazis der Ursprung der Arier bekannt war.

Strixnet  08.05.2022, 13:14

Falsch. Das wurde in Europa seit dem 19. Jh. erforscht. Doch eines stimmt: Das Wissen war mehr theoretischer als 100%ig bewiesener Natur.

0

Nein eher nicht, die Nationalozialisten wußten es nicht genau.

Die hätten eher mich als Arier gesehen, blond, blauäugig und DEUTSCH.

Ich bin eher ein slawischer Typ, Eltern aus Masuren und...

Strixnet  08.05.2022, 13:15

Arisch ≠ nordisch

Die slawische "ostbaltische" Rasse war zwar hell pigmentiert, galt den Rassenvorstellungen des NS aber als die minderwertigste der europäischen Rassen.

0

Sprachwissenschaftlich wären die Inder schon Arier.

Aber entgegen anderslautender Gerüche war der Begriff "Arier" nie ein offizieller im NS-Deutschland. Es gab "Deutsches und artverwandtes Blut", aber selbst das war nicht genau definiert. Skandinavier und Holländer gehörten ganz sicher dazu, Juden ganz sicher nicht, aber zB bei Italienern war's bereits unklar.

Ungarn gehören sprachlich nicht zu den Indogermanen (Ariern), aber da wurde klargestellt, daß sie rassisch schon dazugehören (weil die sich ja über die Jahrhunderte vermischt haben.....)