Rezeptionsbeispiele für den Mythos der Europa

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Wir als Europäer haben natürlich das kleine Problem, dass unser Kontinent nach Europa, Agenors Tochter, benannt wurde. Und im Internet lässt sich leicht recherchieren, dass dies nicht von ungefähr so geschehen ist, will man den griechischen Sagen glauben, wo Europa ja von Zeus in Gestalt eines Stiers nach Kreta entführt wurde, - immerhin eine europäische Insel. 

Interpreten, die das Gras wachsen hören, sehen darin sogar die Tatsache symbolisiert, dass die asiatische Kultur nach Europa gebracht wurde. Tasächlich waren die Kulturen an Euphrat und Tigris wesentlich älter als die europäische.

Es gibt wohl wenige bis keine Rezeptionen der Sage, schließlich war Europa ja nur eine unter vielen, die von Zeus verführt wurden, aber die Tatsache, dass es ein Stier war, der mittelbar zu Europas Namensgebung geführt hat, wird in der Literatur häufig erwähnt und ist auch gut recherchierbar.

Suchbegriffe: Zeus Europa Stier

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Unterricht - ohne Schulbetrieb
paulklaus  08.04.2015, 09:36

DH !!

...wobei hinzugefügt werden könnte, dass Kreta, die minoische Kultur, als die Wiege allen europäischen Seins gilt ! Gilt ! Ob die Insel tatsächlich die Wiege der europäischen Kultur ist, liegt immer noch im Verborgenen, im Dunkel des Nebels tiefer Vergangenheit....

pk

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Zurückgreifbarkeit

Auf den Mythos wird in der Gegenwart zumindest insoweit zurückgegriffen, die Frauenfigur Europa als Symbol/Sinnbild für den Kontinent Europa, den Kulturkreis oder den Zusammenschluß von Staaten in der Europäischen Union (EU) zu verwenden.

Europa und der Stier ist ein bekanntes Bildmotiv. Abgebildet ist es unter anderem auch auf Euro-Banknoten und der Rückseite einer griechischen 2-Euro-Münze. Vielfältige Abwandlungen kommen vor. Ein Beispiel ist die Verwendung des Bildmotivs in Karikaturen. 

Bei der Frage nach einer Allgemeingültigkeit ist unklar, was damit genau gemeint ist bzw. woran genau gedacht ist.

Unter dem Gesichtspunkt eines Ursprungs hat kulturell das antike Griechenland Bedeutung und eine gewisse Beeinflussung durch frühe Hochkulturen des Alten Orients ist nicht abwegig. So ist das griechische Alphabet eine Weiterentwicklung der Phönizischen Schrift.

Die minoische Kultur auf der Insel Kreta gilt als früheste europäische Hochkultur. König Minos ist im Mythos einer der auf Kreta geborenen Söhne des Paares Europa und Zeus.

Ein Interesse eines Mannes an einem hübschen jungen Mädchen (in diesem Fall die phönizische Königstochter Europa, die der Gott Zeus in verwandelter Gestalt entführt) und ein Begehren ist allgemein nachvollziehbar.

Der Gott Zeus verliebt sich im Mythos in die phönizische Prinzessin Europa, Tochter des Königs Agenor von Tyros (oder Sidon) und der Telephassa (oder Ariope oder der Nymphe Melia) bzw. Agenors Sohn Phoinix und der Perimede (eine weitere Mythenfassung). Er entführt sie in Gestalt eines Stiers nach Kreta.

Darauf wird bei Homer, Ilias Ξ, 14. Gesang, Vers 321- 322 angespielt (der Name Europa/Europa kommt nicht vor, sondern Tochter des Phoinix).

Bezeichnung des Erdteils

Der Dichter Hesiod, Theogonie (Θεογονία [Theogonia; lateinischer Titel: Theogonia; etwas vor 700 v. Chr.) 337 – 370 zählt die Kinder der Gottheiten Okeanos und Thetys auf und nennt dabei Europa (ΕὝϱώπη 357) und Asie (Ἀσίη; 359), noch ohne Bezug auf Erdteile. Die Königstochter wird von ihm in einem Bruchstück aus dem „Frauenkatalog" erwähnt (Fragment 140 – 141 Merkelbach-West).

Der Schriftsteller Hekataios aus Milet stellte in einem geographischen Werk (um 500 v. Chr.) den Erdteil (Kontinent) Europa dem Erdteil Asien gegenüber (FGrHist F 1 A 7 - 47). Dies ist das früheste erhaltene Zeugnis für eine auf einen ganzen Kontinent bezogene geographische Bezeichnung.

Der Geschichtsschreiber Herodot (5. Jahrhundert v. Chr.) bekennt sein Nichtwissen darüber, wann der Name Europa zuerst verwendet worden ist und woher er kommt (4, 45; vgl. 1, 173, 2), wenn er nicht von der Königstochter kommt. An dieser Erklärung hat er aber Zweifel.

Anscheinend wurde die geographische Bezeichnung zuerst auf Zentralgriechenland/Mittelgriechenland (homerische Hymnen, Hymnus an Apollon, Vers 251 und Vers 291; frühestes Zeugnis für den Landschaftsnamen Europa [ΕὝϱώπη]) und den thrakisch-makedonischen Norden (vgl. Herodot 6, 43; 7, 8) bezogen, in Absetzung zur Peloponnes im Süden, den ionischen Inseln im Westen und den ägäischen Inseln sowie der durch Aigaion Pelagos, Hellespontos, Propontis, Bosporos und Pontos Euxeinos abgeschiedenen asiatischen Landmasse.

Sie wurde zuerst auf ganz Griechenland und dann auf den heutigen Erdteil ausgedehnt (vgl. Hekataios bei Herodot 4, 38), indem der geographische Begriff immer häufiger für alles Land außerhalb von Asien verwendet wurde.

Rezeption

Die Rezeption beginnt in der Antike.

einige Beispiele von Dichtungen:

Moschos, Idyllion 2

Kallimachos, Fragment 622 Pfeiffer

Horaz, Cramen 3m 27, 25 – 76

Ovid, Metamorphosen 2, 833 – 875; 6, 103 – 107

Ovid, Fasti 5, 605 – 610

mythologische Darstellung in Prosa:

Apollodor 2, 5, 7/2, 94; 3, 1, 1, 1 – 3, 1, 2, 1/3, 1- 3, 5

Hyginus, Fabulae 178

Werke bildender Kunst mit Bezug auf den Europa-Mythos sind Vasen, Reliefs (so die Metopen um 560 v. Chr. in Delphi [Schatzhaus Sikyonier] und in Selious), Mosaiken Wandgemälde (unter anderem in Pompeii Darstellung der Entführung der Europa).

Sehr zahlreich ist die Rezeption in Werken bildender Kunst (Gemälde, Fresken, Reliefs, Skulpturen, Statuetten, Teppiche, Majolica, Porzellan) in der Neuzeit. Von Johann Peter Wagner stammt um 1770 die Skulpturengruppe „Raub der Europa“ im Hofgarten der Residenz in Würzburg. Gerhard Marcks hat unter anderem 1959 eine Bronzeskulptur geschaffen, Johannes Grützke, Europa auf dem Stier, auf der Mauer balancierend. Vorwärts oder Rückwärts? einen Entwurf 1976 für ein Fresko am Grenzübergang bei Checkpoint Charlie, Berlin.

Albrecht  08.04.2015, 10:34

einige Beispiele von Literatur:

Jean Desmarets de Saint Sorlin, Europe. Comedie heroïque (1643)

Antoine – Louis Le Brun, Fables (1722)

Johann Jakob Bodmer, Die geraubte Europa (1753)

Charles-Marie-Rene Leconte de Lisle (1895)

Georg Kaiser, Europa. Spiel und Tanz in fünf Aufzügen (1915)

Richard Palmer Blackmur, The Good European (1947)

einige Beispiele Musik (Oper, Kantaten, Musik zu Pantomimen):

Antonio Salieri, L’Europa riconosciuta (Die wiedererkannte Europa). Dramma per musica (Opernlibretto: Mattia verazi), Mailand 1778 (2004 Eröffnung der Spielzeit am Teatro della Scala di Milano)

Darius Milhaud, L'Enlèvement d'Europe (Die Entführung der Europa; Libretto: Henri Hoppenot), opéra minute, Baden- Baden, 1927

Film:

Spielfilme scheint es fast gar nicht dazu zu geben. Ein klein wenig bietet in einer kurzen Anspielung:

Jean Cocteau, Le Sang d'un Poete (Das Blut des Dichters), 1930

Ziemlich am Ende erscheint auf ein Winken einer Frau ein Stier.

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Albrecht  08.04.2015, 10:37

Bücher in Bibliotheken bieten viele Informationen:

Eckhart Olshausen, Europe [1]. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 4: Epo – Gro. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998, Spalte 290 - 293

Ruth E. Harder, Europe [2]. In: Der neue Pauly (DNP) : Enzyklopädie der Antike ; Altertum. Herausgegeben von Hubert Cancik und Helmuth Schneider. Band 4: Epo – Gro. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1998, Spalte 290 – 294

Almut-Barbara Renger, Europa: In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.), Mythenrezeption : die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart. DNP : Der Neue Pauly. Supplement-Band 5. Stuttgart ; Weimar : Metzer, 2008, S. 276 – 285

Almut-Barbara Renger, Europa. In: Antike Mythen und ihre Rezeption : ein Lexikon. Herausgegeben von Lutz Walther. Stuttgart : Reclam , 2009 (Reclam-Taschenbuch ; Nr. 20051), S. 94 – 100

Mythos Europa : Texte von Ovid bis Heiner Müller. 1. Auflage. Leipzig : Reclam, 2003 (Reclams Universal-Bibliothek ; Bd. 20077). ISBN 3-379-20077-8

Almut-Barbara Renger/Roland Alexander Ißler (Hg.), Europa - Stier und Sternenkranz : von der Union mit Zeus zum Staatenverbund. Göttingen : V & R Unipress, Bonn Uniersity Press. 2009 (Gründungsmythen Europas in Literatur, Musik und Kunst ; Band 1). ISBN 978-3-89971-566-8

Martin Robertson, Europe. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band 4. 1: Eros - Herakles : et addenda Cernunnos, Demeter, Ceres, Bacchus (in peripheria occidentali), Erechtheus. Zürich; München : Artemis, 1988, S. 76 – 92

Christine Harrauer/Herbert Hunger, Lexikon der griechischen und römischen Mythologie : mit Hinweisen auf das Fortwirken antiker Stoffe und Motive in der bildenden Kunst, Literatur und Musik des Abendlandes bis zur Gegenwart. 9., vollständig neu bearbeitete Auflage. Purkersdorf : Hollinek, 2006, S. 167 – 169 (Europa)

Eric M. Moormann/Wilfried Uitterhoeve, Lexikon der antiken Gestalten : von Alexander bis Zeus. Übersetzt von Marinus Pütz. 2. Auflage Stuttgart : Kröner , 2010, S. 266 – 268 (Europa)

The Oxford guide to classical mythology in the arts, 1300 - 1990s. Jane Davidson Reid. With the assistance of Chris Rohmann. Volume 1: Achelous-Leander. New York ; Oxford : Oxford University Press, 1993, S. 421 – 429 (Europa)

Winfried Bühler, Europa : Ein Überblick über die Zeugnisse des Mythos in der antiken Literatur und Kunst. München : Fink, 1968 Bodo Guthmüller, Europa - Kontinent und antiker Mythos. In: Der Europa-Gedanke. Herausgegeben von August Buck. Tübingen : Niemeyer, 1992 (Villa Vigoni: Reihe der Villa Vigoni ; Band 7), S. 5 - 44

S. 5: „In seinem Film Le sang d'un poete hatte Jean Cocteau bereits 1930 eine Frau mit einem Stier auftreten lassen, über den es heißt: »Les taches de la robe du taureau sont faites d'une carte géographique de l'Europe, arrachée, démembrée, collée avec de la bouse de vache« (in: L'avant-scene, cinema 307-308 (1-15 mai 1983), S. 52).“

S. 8:„Der Mythos von Europa und dem Stier, auf den der Künstler Grützke hier zurückgreift, um die politische Situation Europas in einem Sinnbild zu fassen, ist in der europäischen Kulturgeschichte überaus beliebt und verbreitet; er hat Künstler und Dichter immer wieder zu Neuschöpfungen angeregt, Raffael, Tizian, Dürer, Rubens, Gauguin, Max Beckmann, Picasso, sie alle haben Europa auf dem Stier gemalt; bedeutende Dichter und Literaten wie Antoine de Baïf, André Chénier, Leconte de Lisle, Georg Kaiser, Massimo Bontempelli, Heinrich Böll, haben das Abenteuer der Europa neu erzählt.“

Eva Zahn, Europa und der Stier. Würzburg : Königshausen & Neumann, 1983. ISBN 3-88479-095-1

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Albrecht  17.04.2015, 05:08

einige weitere Beispiele:

Giovanni Boccaccio, De claris mulieribus (1361/1375)

Christine de Pizan, Livre de la cité des dames (1404/1405)

Angelo Poliziano, Stanzen (1475/1478)

Karl L. Mayer, Der Raub der Europa (Drama; 1913)

Carl Sternberg, Europa (Roman; 1919)

Johannes R. Becher, Stier und Stachelschwein (1943)

Max Aub, El rapto de Europa (Drama; 1946)

Johannes Bobroski, Europa (Gedicht; 1950/1952)

Richard Seewald, Der Raub der Europa (Marionettenspiel; 1960)

Heinrich Böll, Er kam als Busfahrer (Erzählung; 1969)

Günther de Bruyn, Raub der Europa (Prosaskizze; 1979)

Roberto Calasso, Le nozze di Cadmo e Armònia (1988; Die Hochzeit von Kadmos und Harmonia)

Helge Jörns: Europa und der Stier (Oper in einem Bild; 1986)

Heiner Müller, Ajax zum Beispiel (1994)

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