Red Queen Hypothese?

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Es gibt zahlreiche gut erforschte Co-Evolutionsprozesse. Intensiv untersucht wurden und werden z. B. die Co-Evolution zwischen Blütenpflanzen und Bestäubern. Bereits Darwin hat sich mit dieser Thematik beschäftigt, wie etwa das Beispiel der Sternorchidee (Angraecum sesquipedale) zeigt, deren Bestäuber Xanthopan morganii er vorausgesagt hatte - obwohl es sich in diesem Fall tatsächlich nicht um eine echte Co-Evolution handelt, wie man später herausfand, sondern um einen Bestäuberwechsel (pollinator shift).

Und auch die Co-Evolutionsprozesse zwischen Räubern und Beutetieren oder zwischen Wirten und Parasiten bzw. Krankheitserregern sind gut untersucht. Man denke nur an die Covid-19-Pandemie, die hierfür geradezu ein Paradebeispiel mit ihren immer wieder neu aufgetretenen Virusvarianten war und ist.

Das arms-races-Modell geht davon aus, dass eine wechselseitige Anpassung zur Einstellung eines stabilen Gleichgewichtszustandes zwischen den Parteien führt, bis es durch eine Gegenanpassung auf der anderen Seite unterbrochen wird und sich dann wieder neu einspielt. So geht das wie bei einem Tischtennisspiel hin und her, auf eine Anpassung folgt eine Gegenanpassung, die wiederum zu einer Gegenanpassung auf der anderen Seite führt usw. Die Anpassung erfolgt nach diesem Modell also abwechselnd.

Das Rote-Königin-Modell geht hingegen von einer dynamischen Entwicklung aus, bei der sich kein stabiles Gleichgewicht einstellt, sodass die Anpassung an die je andere Seite gleichzeitig und ständig, aber in verschiedene Richtungen erfolgt. Dieses Modell gleicht eher einem Wettrennen, bei dem beide Seiten unablässig nebeneinander herrennen. Würde eine Seite aufhören sich anzupassen, würde die andere sie überholen und das evolutionäre Wettrennen gewinnen. Nur wenn beide Seiten fortwährend mit der Entwicklung der anderen Partei Schritt halten können, bleiben die Dynamik und der status quo erhalten.

Dass z. B. Wirt-Parasit-Beziehungen eher einer Roten-Königin-Dynamik als einem arms race folgen, belegen insbesondere Beispiele verschiedener Krankheitserreger. Bei einem Zustand des arms race würde man erwarten, dass sich im Lauf der Zeit ein Gleichgewichtszustand entwickelt, hin zu einer eher kommensalen Beziehung. Der Erreger sollte im Lauf der Zeit also immer weiter an Virulenz (das ist die Fähigkeit eines Erregers eine Krankheit auslösen zu können) verlieren, quasi immer "harmloser" werden. Tatsächlich aber zeigen viele Daten, dass Erreger in der Regel ihre Virulenz beibehalten, d. h. immerfort neue Wege finden, um das Immunsystem des Wirts zu umgehen. Ein Beispiel dafür ist z. B. die Myxomatose beim Kaninchen. Das ist eine hochansteckende Viruserkrankung, deren ursprüngliches Reservoir südamerikanische Hasentiere waren. In Australien wurde die Krankheit bewusst ausgebreitet, um dort die Wildkaninchenplage einzudämmen. Auch nach Europa gelangte der Erreger. Dort führte der Ausbruch dazu, dass in der Ursprungsheimat (iberische Halbinsel) das Kaninchen zu einer vom Aussterben bedrohten Art wurde, mit der Folge, dass auch der Pardelluchs, der sich überwiegend von Kaninchen ernährt, beinahe ausstarb.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Diskutieren kann man das immer, man kennt ja Arten, deren Veränderungen extrem langsam geschieht, sodass sie phänotypisch nahezu konstant durch die Jahrmillionen kamen. Voraussetzung für so eine langsame Veränderung ist einerseits eine hohe Generationendauer, andererseits (und vor allem) eine sehr lange nahezu unveränderte Umgebung. Ist zudem der Raubfeinddruck praktisch nicht vorhanden, besteht kaum ein Anlass zur Veränderung. Man denke an den Eishai.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lehrer für u.a. Biologie