Qualitativer Utilitarismus (John S. Mill)?

2 Antworten

Unterschied zwischen einem rein quantitativen Utilitarismus und einem qualitativem Utilitarismus

Beim rein quantitativen Utilitarismus kommt es für die Beurteilung allein auf die Quantität (die Menge/das Ausmaß) der Empfindungen von Lust/Freude (und von Schmerz/Leid) an.

Beim qualitativen Utilitarismus kommt es dagegen für die Beurteilung auch auf die Qualität der Empfindungen von Lust/Freude an. Bestimmte Arten von Lust/Freude werden als wünschenswerter und wertvoller als andere Arten beurteilt.

Ursprünglich (vertreten von Jeremy Bentham) wurde im Utilitarismus ausschließlich nach Quantität beurteilt, indem es auf die Menge/das Ausmaß an Empfindungen von Lust/Freude (und von Schmerz/Leid) ankommt und jede Art von Lust/Freude (und von Schmerz/Leid) dabei gleich viel zählt.

Nach Auffassung von John Stuart Mill können dagegen nicht nur quantitative Unterschiede (Menge/Ausmaß des Glücks/der Lust/der Freude) in der Beurteilung einer Handlung eine Rolle spielen, sondern auch qualitative Unterschiede (die Beschaffenheit), wobei bestimmte Arten von Glück/Lust/Freude als wünschenswerter und wertvoller beurteilt werden.

Neben körperlich-sinnlichen Lüsten/Freuden nennt Mill auch Tätigkeit des Verstandes, des Empfindens, der Vorstellungskraft/Phantasie und des moralischen Gefühls, z. B. wissenschaftliche Forschung, Beschäftigung mit schöner Musik und Literatur, schöpferisches und soziales Wirken. Höherrangig als z. B. Essen und Sex (die von ihm als angenehm anerkannt bleiben) ist nach Mills Meinung z. B. der Besuch und das Anhören eines schönen Konzerts, das Lesen eines guten Buches und die Anerkennung und innere Freude schöpferischer und sozialer Tätigkeiten.

Seiner Meinung nach ist es, wenn eine von zwei Freuden weit über andere gestellt wird (indem jemand sie auch beim Wissen, größere Unzufriedenheit zu verursachen, nicht gegen noch so viele andere Freuden eintauschen mag), berechtigt, jener Freude eine höhere Qualität zuzuschreiben. Wegen des großen Übertreffens an Qualität falle die Quantität im Vergleich dazu nur gering ins Gewicht. Es sei nun aber eine unbestreitbare Tatsache: diejenigen, die mit beiden gleichermaßen bekannt sind und für beide gleichermaßen empfänglich sind, der Lebensweise entschieden den Vorzug, an der auch die höheren Fähigkeiten (z.geben  B. Vernunftbegabung des Menschen) beteiligt sind.

John Stuart Mill beurteilt bei der Lust/Freude diejenige von zweien für wünschenswerter und wertvoller, die - ungeachtet des Gefühls, eine von beiden aus moralischen Gründen vorziehen zu müssen - von allen oder fast allen, die beide erfahren haben und gut urteilsfähig sind, entschieden bevorzugt wird. Wer aufgrund von Erfahrung die besten Vergleichsmöglichkeiten hat, entscheidet, indem er etwas bevorzugt, was wünschenswerter ist.

Bespiel für Anwendung eines qualitativen Utilitarismus

Es kann an eine Entscheidungssituation zwischen einer Handlungsmöglichkeit A gedacht Handlungsmöglichkeit B gedacht werden, bei der ein quantitativer und ein qualitativer Utilitarismus zu voneinander unterschiedlichen Beurteilungen führen.

Jemand kann in einem Restaurant bei einigem Warten noch einen leckeren Nachtisch (Dessert) bekommen oder rechtzeitig aufbrechen, um ein schönes Konzert/eine schöne Opernaufführung (oder eine andere hochwertige musikalische Veranstaltung) zu besuchen. Nach einem qualitativen Maßstab wäre aber die musikalische Veranstaltung überlegen.

Quantitativ sind das Essen und die musikalische Veranstaltung in der Menge der Lust/Freude gleich oder das Essen im Vergleich etwas überlegen. Nach einem quantitativen Utilitarismus wäre in dieser Situation das Essen des Nachtisch (Desserts) richtig oder zumindest nicht falsch. Nach einem quantitativen Utilitarismus wäre in dieser Situation der Besuch der musikalischen Veranstaltung richtig und das Essen des Nachtisch (Desserts) falsch.

Ein qualitativer Utilitarismus würde also dazu führen, von den Handlungsmöglichkeiten in der Situation nicht die Handlungsmöglichkeit „Nachtisch essen“, sondern die Handlungsmöglichkeit „Besuch einer hochwertigen musikalischen Veranstaltung" auszuführen.

Noch deutlicher als auf Seite https://www.getabstract.com/de/zusammenfassung/utilitarismus/6693 wird dir Mills Utilitarismus wohl auch hier niemand erklären können.

Mir erscheint Mills Utilitarismus als allzu einseitig gedacht (eben nur vom Standpunkt des Nutznießers einer Sache her).