Probleme mit Metrum

3 Antworten

Zunächst zu deiner Kommentarfrage, ob freie Rhythmen oder feste Metren besser sind: Lange Zeit galt es als dichterunwürdig, nicht korrekt zu metrisieren, aber die künstlerische Freiheit hat sich mittlerweile darüber hinweggesetzt. Beide Richtungen haben Befürworter und es gibt in beiden Richtungen gute und schlechte Gedichte. Aber: Du solltest (zumindest ist das meine Meinung) nicht eins wählen, weil du das andere nicht kannst, sondern aus Überzeugung, dass sich darin das, was du vermitteln willst, besser ausdrücken lässt. Ich denke dabei gerne an Picasso: der konnte durchaus realistisch malen, er hat sich nur irgendwann für seinen eigenen Stil entschieden, und so solltest du es auch machen. Ich bevorzuge das korrekte Metrum, weil ich die Herausforderung daran schätze und man durch bewusste (und als bewusst erkennbare!) Brüche zusätzliche Fokuspunkte setzen und Witze einbauen kann.

Wenn du präziser metrisieren lernen willst, solltest du dich vor allem mit der Betonung von Wörtern auseinandersetzen. Dabei hilft, allgemein Texte und besonders metrische Gedichte laut zu lesen und zu metrisieren (die Betonungen zu markieren, z.B. mit einem Punkt über der Silbe). Auch empfehle ich die Anschaffung eines Reimelexikons (das von Siegfried Rabe finde ich sehr gut), weil diese im Gegensatz zu Reimemaschinen im Internet auch die Betonungen beachten und nicht nur die Buchstabengleichheit. Reime sind zwar heutzutage für ein Gedicht ebensowenig erforderlich wie reine Metrik, gehören aber mMn genauso zum Handwerkszeug, das man kennen und dessen man sich nur aus eigener Entscheidung heraus entledigen sollte. Ansonsten versuche dich erstmal an den gängigsten Metren wie Jambus, Trochäus und Daktylus, ein anderes Metrum durchzuhalten erfordert genaue Betonungskenntnisse, die du nicht hast, wenn du diese nicht schaffst. Auch mit den Kadenzen solltest du dich befassen. Wenn du deine eigenen Gedichte überarbeitest, versuch die Betonungen speziell der zentralen Wörtern herauszufinden und ob die sich überhaupt für ein durchgängiges Metrum eignen, sonst musst du sie entweder herausstechen lassen oder dir eine andere Formulierung überlegen (hier ist ein Synonymduden hilfreich). Besonders einsilbige Wörter lassen sich oft betont oder unbetont verwenden, du kannst sie also verwenden, deinen Vers auszugleichen. Und sonst... üben, üben, üben. Schreib Gedichte, metrisiere sie und formuliere, bis sich der Vers fügt. Arbeite mit Kopien oder schreib verschiedene Versionen, dann kannst du einen Text, bei dem dir das Metrisieren nicht gelungen ist, noch immer als Prosa oder im freien Rhythmus verwenden.

Ich schreib auch seit längerem Gedichte und hab mich dabei bisher weder um Reime noch um Metrum gekümmert. Dennoch hab ich das Gefühl, dass sie so wie sie sind, optimal sind und auch recht gut klingen.

Mir ist das Wesentliche an den Gedichten, dass sie etwas rüber bringen, was in Prosa nicht gesagt werden kann. Nicht etwas mit Worten, sondern etwas zwischen den Worten. Und wenn ich dabei außer diesem Etwas noch auf Reime und Metren achten müßte, würde ich wahrscheinlich nichts zustande bringen. Ich schätze es schon, wenn jemand damit gut umgehen kann, aber für meine Intention ist es nichts.

Wenn ich mir meine Gedichte aufs Metrum hin anschaue, sind es meistens freie Rhythmen, aber auch nicht völlig beliebig. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Metrenwechsel oft gerade an wichtigen Stellen sind und die Aufmerksamkeit erhöhen.

Wenn du meinst, dass deine Gedichte nicht gut klingen, dann sag sie doch öfter mal vor dich her und variier sie dabei. Worte umstellen, ersetzen durch andere, oder ganz weglassen, wenn es geht. Es kann dann gut sein, dass du bessere und wohlklingendere Versionen findest. Ich mach das eigentlich meist schon lange bevor ich sie aufschreibe.

Da gibt's drei Möglichkeiten:

  • großer Fleiß und viel Probieren mit verschiedenen Wörtern,
  • Warten auf Inspiration von oben,
  • freie Rhythmen und zum Teufel mit der Metrik!
    Was kümmert die ein Originalgenie!
Philipp6666 
Fragesteller
 20.04.2013, 19:09

Was ist besser? Freie Rhythmen oder streng einhaltendes Metrum?

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Koschutnig  20.04.2013, 19:18
@Philipp6666

Brutal wandle ich da ein kurzes Gedicht von Erich Fried ab
(ich hoff', mir wird das vergeben):

Du sollst dich drein fügen
und nicht fragen
warum du das sollst
und du sollst nicht fragen
warum du nicht fragen sollst.

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Koschutnig  20.04.2013, 20:04
@Philipp6666

Da hab ich das Original aus der 1. in die 2. Person verändert - aber okay: Ganz recht erkannt!

Besser oder schlechter sind für deine Frage aber keine Antwort-Kriterien, denn die Zeiten des "Buchs von der Deutschen Poeterey" des Martin Opitz sind halt vorbei.

Die Qualität eines Gedichts wird nun nicht mehr anhand der Reinheit von Reimen und der Silbenzahl und Betonungsrichtigkeit im Verstakt gemessen

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