Nathan der Weise, Gesellschaftsutopie

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Nathans Weisheit bestand ja in seinem listigen Vorgehen. Ursprünglich gab es nur einen Ring, die beiden Kopien stellen identische religiöse Werte dar, von denen niemand wissen kann, ob es der ursprüngliche erste Ring war oder ist. So lautet Lessings/Nathans Botschaft, daß die Religionen nicht nach Wertmaßstäben der Menschen zu messen seien sondern gleichberechtigt nebeneinander stehen.

Ein kleiner Denkfehler: Nathan sagt nicht, dass keine Religion die wahre ist, sondern, dass man es nicht entscheiden kann. In der Ringparabel sind ja alle Ringe gleich wertvoll. Lessing sagt uns also, dass die drei monotheistischen Religion gleichwertig sind und wir uns nicht bekämpfen oder missionieren sollen.

Lessings Gesellschaftsutopie kann man im Frieden sehen, in der Glaubens- und Gewissensfreiheit und in der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz. Die Ringparabel zeigt, wie absurd es ist, gegen Menschen Krieg zu führen, nur weil sie einer anderen Religion angehören. Das Stück "Nathan der Weise" spielt ja zur Zeit der Kreuzzüge, als die abendländischen Christen versuchten, im Krieg gegen die Araber (Muslime) Palästina zu erobern.

Der Grundsatz, dass niemand wegen seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf (also auch im tiefsten Bayern Katholiken nicht gegenüber Muslimen bevorzugt werden dürfen), steht zwar im Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes, ist aber in den Zeiten Sarrazins und der sog. Islamkritik weit davon entfernt, real verwirklicht zu sein. Insofern ist Lessings Utopie immer noch spannend und heiß umstritten - 240 Jahre nachdem er sie aufgeschrieben hat.

Zur Gesellschaftsutopie: Lessing findet ein recht engstirniges orthodoxes Luthertum und als Herrschaftsform den Absolutimus vor. Seine Utopie ist, dass man den den Ideen der Aufklärung folgend die Menschenrechte und damit die Gleichberechtigung aller Menschen und ihrer Religionen anerkennen soll.