Misstrauischer Hund mit fremden Menschen zusammenführen?

66trixie66  04.11.2023, 19:30

Geht es um einen bestimmten Menschen, an den er sich gewöhnen soll, also zB Deinen Partner?
Oder mehr allgemein, daß er sich daran gewöhnt, fremde Menschen zu treffen?

Selkara123 
Fragesteller
 04.11.2023, 19:35

Allgemein, ich hab ehrlich gesagt jedes Mal wenn irgendwer zu mir nach Hause kommt, der noch nie bei mir war, diesen Hintergedanken, wie das jetzt mit dem Hund wird und so

5 Antworten

Der Hund hat Angst und die Fremden kommen in seine Wohnung, also den Ort, an dem er sich sicher fühlen möchte.
Bellt er denn nur aus einer sicheren Ecke heraus oder greift er Gäste auch aktiv an, stellt er also eine Gefahr dar für Besucher?

Wie lange hast Du den Hund denn schon? Besteht die Hoffnung, daß sich das Problem im Laufe der Zeit durch Gewöhnung auf ein akzeptables Maß reduziert oder hat sich da seit Jahren nichts geändert?
Fürchtet er Männer und Frauen gleichermaßen oder sind vor allem Männer sein Problem?

Hunde aus dem Tierschutz, meist aus dem Ausland, reagieren sehr häufig zunächst mit Angst und seltsamen Verhaltensweisen. Und es kann durchaus ein bis zwei Jahre dauern, bis sie sich soweit sicher fühlen, daß sie nicht mehr so überreagieren.
Der Hund einer Freundin aus Rumänien war erstmal so panisch gegenüber Männern, daß er seine Besitzerin im ersten Jahr regelmäßig sogar draußen fast auf die Straße zerrte, wenn ihm ein Mann entgegen kam. Drinnen durften Männer ihn nichtmal anschauen, dann ließ er groß und klein unter sich vor Angst.
Das Gassigehen mit ihm hatte sich nach einem Jahr halbwegs normalisiert, aber die Angst vor fremden Männern blieb ihm. Wenn er drinnen mit einem Mann im Raum war, der ihn ansprach und der Hund keine Fluchtmöglichkeit hatte, pinkelte er bis zum Schluß manchmal ein.

Der Hund von anderen Freunden (aus Italien) war bei seiner Ankunft so scheu, daß Fremde, egal ob Mann oder Frau, sich ihm nicht mehr als 2-3 Meter nähern durften, dann flüchtete er.
Ich lag einige Tage nach seiner Ankunft bei meinen Freunden flach auf dem Boden wie der gekreuzigte Jesus, in beiden waagerecht ausgestreckten Händen Leckerlies. Obwohl das der verfressenste Hund war, den ich kenne, schaffte er es zunächst nicht, sich wenigstens der ausgestreckten Hand so weit zu nähern, um das Futter zu nehmen. Bei ca 50cm war für ihn Schluss, er konnte einfach nicht.
Der hat sich aber im Laufe von eineinhalb Jahren ca so gut sozialisiert, daß man ihn auch mit in den Urlaub nehmen konnte und Besuch kein Problem mehr war, obwohl er Fremden gegenüber immer zurückhaltend blieb.

Diese Tiere brauchen vor allem eins: Zeit!
Wenn Deiner also nicht bissig, sondern nur laut ist, wenn Gäste kommen, solltest Du ihm die Zeit einfach geben.
Achte darauf, daß der Hund immer die Möglichkeit hat, das Wohnzimmer zu verlassen und ins Schlafzimmer zu gehen, wenn ihn die Situation überfordert, ohne daß er dicht an den Gästen vorbei muss. Sprich mit Deinen Gästen, daß sie darauf achten sollen, möglichst nie so zwischen den Hund und die Zimmertür zu geraten, daß der Hund nicht flüchten kann.
Die Gäste sollen ihn weder ansprechen noch ihn anschauen (das ist besonders beängstigend!!), sondern ihn möglichst komplett ignorieren.
Wenn Dein Hund, wie die meisten Straßenhunde, verfressen ist, dann besorge vor dem Besuch Leckerlies und steck die schon an der Wohnungstür den Gästen zu.
Die Gäste sollen die Leckerlies dann beim Betreten des Wohnzimmers für den Hund deutlich sichtbar irgendwo auf den Fußboden legen. Der Hund soll deutlich sehen, daß die Gäste etwas Gutes mitgebracht haben, aber er muss es sich anfangs holen können, ohne den Gästen zu nahe zu kommen.
Er muss also in einem langsamen Prozess erlernen, daß Besuch bekommen auch etwas Positives mit sich bringt, nämlich Futter.
Später kann man dann beginnen, die Leckerlies immer näher an die Gäste zu legen, so daß er sich ihnen nähern muss, ohne schon direkt mit ihnen zu interagieren.
Erst im dritten Schritt ist es dan soweit, daß die Gäste versuchen, ihm die Leckerlies direkt anzubieten, anfangs aber mit lang ausgestreckte Arm und vor allem, ohne ihn direkt anzuschauen.

Wenn Dein Hund gerne spazieren geht, könntest Du auch gute Freunde bitten, zu Besuch zu kommen und dann erstmal zusammen mit Dir einen Spaziergang zu machen in einer für den Hund schönen Umgebung, also möglichst in der Natur.
Anschließend kehrt ihr zusammen in die Wohnung zurück und zwar so, daß Du die Tür aufschließt und die Gäste zuerst reingehen und sich im Wohnzimmer auf die Couch setzen. Dann betreten Dein Hund und Du die Wohnung. Er kann dann selbst entscheiden, in welchen Teil der Wohnung er gehen möchte, ins Wohnzimmer, wo die Gäste sind, oder lieber in einen anderen Teil der Wohnung.
Die Leute, die da sitzen, kennt er aber immerhin schon von einer positiven Interaktion. Und sie sind zwar in seiner Wohnung, aber diesmal kommt er rein, wenn sie schon da sind, evtl ändert das auch schon was.

Daas funktioniert allerdings alles natürlich nur, wenn der Hund keine Gefahr darstellt für Deine Bekannten, sie also nicht angreift, sondern nur akustisches Theater macht und aus der Entfernung droht, um sie sich vom Leibe zu halten.

Selkara123 
Fragesteller
 04.11.2023, 22:29

Vielen vielen Dank für diese ausführliche Antwort, hat mir auf jeden Fall weiter geholfen 😊

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Ich habe einen Angsthund. Er verhält sich bei fremden Menschen auch so (Anspannung, bellen und tiefes knurren) und er macht vor lauter Angst dann auch noch Pipi.

Bei ihm hilft es, wenn die Leute sich auf den Boden setzen, mit ihm reden und mit der Körpersprache einladend wirken. Ich gebe ihnen dann auch ein Stück seiner Lieblingsleckerlis, die sie ihm hinhalten können. Es dauert zwar immer eine Weile, aber bisher hat es jedes Mal funktioniert. Sobald er die Person dann kennengelernt hat, freut er sich wenn diese Person wieder zu Besuch kommt.

Leider kann ich Dir nicht garantieren, dass das auch auf Deinen Hund übertragbar ist, aber versuchen kannst Du es.

Selkara123 
Fragesteller
 04.11.2023, 19:55

Danke für die ausführliche Antwort, ist tatsächlich nh gute Idee. Probier ich 😀

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Misstrauen von Hunden ist begründet, wie du selber weißt.

Ein Trauma zu bewältigen dauert so lange, wie es dauerte eins zu werden. Solche Hunde brauchen felsenfeste Strukturen. Fütterung, Spaziergang, Ruhezeiten, der ganze Tagesablauf stets zur gleichen Zeit. Dies fördert u.a. Pawlowschen Reflex, der auch zur nervlichen Festigung beiträgt. An regelmäßige Abläufe gewöhnt sich ein Tier sowieso schnell, was es allgemein stabilisiert.

Bindung, Vertrauen zu den Bezugspersonen herzustellen ist vorrangig. Bezugspersonen sollten ihren Hund schützen, ihn aus unbequemen Situationen vorerst raushalten. Im zweiten Schritt mit Motivation und Ablenkung arbeiten, so bald der Hund kapiert, dass er in beängstigter Situation nicht allein steht.

Hilfreich sind Grundgehorsamkeitsübungen im Wohnraum, also im geschützten, ablenkungsfreiem Raum, die wenn sicher beherrscht, nach und nach (kleinschrittig) nach draußen verlagert werden.

Kommt der Hund in eine Situation, auf die er mit Misstrauen reagiert, stellt man sich vor ihm und klärt.

Als Hundehalter kann man seinem Hund nur soviel Vertrauen und Sicherheit vermitteln, so wie man selber sicher und gefestigt ist, und weiß, wie Hunde ticken.

Man braucht bei einem unsicherem Hund nicht auf Besucher verzichten. Kein Problem, den Hund aus der Schusslinie zu nehmen und in ein anderes Zimmer zu bringen. In diesem Zimmer befindet ein von ihm gern angenommenes Körbchen, Wasserschüssel, Kauzeugs usw. Es ist keine Strafmaßnahme für einen Hund, sondern Hilfe für ihn!

Es gibt Hunde, die dafür sehr dankbar sind. Es gibt Hunde, die stets bei Besuch dabei sein wollen, um aus sicherere Entfernung alles im Blick zu haben. Es gibt Hunde, die sich in den Mittelpunkt schieben und Gäste belästigen. Es gibt Hunde, die stets revierbezogen reagieren, weil sie nicht erzogen wurden. Es gibt Hunde, auf die von allem etwas zutrifft und manche Menschen einfach nicht mögen. Dann sage diesen Menschen, dass sie deinen Hund nicht anschauen sollen und ihn ignorieren. Für den Rest bist du zuständig.

Vielleicht kannst du aus meinem Schreiben etwas für dich verwenden. Wünsche dir viel Erfolg.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – berufliche sowie private Erfahrung
Selkara123 
Fragesteller
 05.11.2023, 09:35

Vielen vielen Dank für diese hilfreiche Antwort 😊

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Wende dich an die Orga, welche den Hund vermittelt hat. Wenn es eine gute Orga ist, hat sie Trainer an der Hand, die Erfahrung mit Angst-/Agressionshunden haben.

Eine normale Hundeschule wird dir nicht weiterhelfen können - du brauchst einen Spezialisten.

Selkara123 
Fragesteller
 04.11.2023, 19:28

Stimmt, danke 😊

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Elocin2910  04.11.2023, 22:43
@Selkara123

Aber sicher in seltensten Fällen hat eine Orga einen Trainer der solch eine gute Ausbildung durchlaufen hätte, als das er das RICHTIG versucht zu lösen, deshalb such Dir wirklich einen Spezialisten, am besten von TSD (Trainieren statt dominieren) oder vom Netzwerk der gewaltfrei arbeitenden Trainer.

Ich habe selbst eine Angsthündin und heute kann ich mit ihr sogar in Baumärkte oder so gehen, aber da steht Vertrauen zu Dir an aller erster Stelle, denn meine Hündin weiss, wenn mir etwas Angst macht, hinter „Mama“ ist es immer am sichersten, somit ist das auch der erste Weg den sie wählt.

Versucht sie jemand zu streicheln kommt sie sofort zu mir und stubst mich an um mir mitzuteilen, das sie „Hilfe“ braucht.

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Es ist eben nicht in Ordnung, dass ein ängstlicher Hund sich wehren würde, wenn ihm jemand zu nahe kommt!!

Solche Hunde sind ohne Ausnahme immer gefährliche Hunde und ja diese Hunde fallen natürlich durch einen Wesenstest.

Deshalb ist es eine riesige Schweinerei solche Hunde vom angeblichen "Tierschutz" an unfähige Leute zu vermitteln.

Leidtragende sind so gut wie immer andere, die für diese Konstellation nichts können.

Nicht der inkompetente Hundekäufer noch die Leute die solche Hunde heraus geben!

Lass deinen Hund konsequent einen Maulkorb tragen. Natürlich haben solche Hunde auch konsequent Leinenpflicht.

Solche Hunde sind nicht gesellschaftsfähig, gehören deshalb auch nicht in den öffentlichen Raum.

Mag hart klingen, doch nach Jahrzehntelanger Hundeerfahrung und der riesigen unkontrollierten Hundeschwemme bin ich wieder bei der Ansicht, dass solche Hunde konsequent getötet werden müssen.

Grundsätzlich fordere ich auch ein Einfuhrverbot für Hunde aus dem Ausland, die nicht aus seriöser FCI anerkannter Zucht stammen.

Dieser Irrsinn muss endlich ein Ende finden.

Selkara123 
Fragesteller
 05.11.2023, 14:50

okay, also mein Hund hat noch nie eine Gefahr für irgendwen dargestellt, soweit lasse ich es nicht mal kommen. Und ich bin der Meinung dass man mit viel Arbeit es auch schafft, dass der Hund ein ,,normales‘‘ Leben führen kann, ohne Angstzustände oder Probleme. Es wäre unverantwortlich so einen Hund ohne Leine zu führen oder ihn zu fremden Leuten einfach hinrasen zu lassen. Aber das mache ich auch nicht

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Selkara123 
Fragesteller
 05.11.2023, 20:38
@Goodnight

wenn ich meinen Hund halten kann, und ihn nicht auf fremde Leute einfach zusteuern lasse, stellt er keine Gefahr da. Und solang niemand fremdes während ich gassi gehe meinen hund bedrängt, passiert auch nichts

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Selkara123 
Fragesteller
 05.11.2023, 14:54

Und zu sagen dass man diese Hunde töten sollte ist absolut falsch. Die Hunde können nichts dafür, und man kann auch mit ihnen daran arbeiten. Ist genauso wie wenn man sagen würde, man sollte psychisch kranke Menschen die eine Gefahr darstellen umbringen anstatt das man ihnen hilft. Das ist einfach falsch

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