Ludwig XVI. und seine Hinrichtung

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Nach den Tuileriensturm am 10. August 1792 hat die Gesetzgebende Nationalversammlung (Assemblée nationale législative) Ludwig (Louis) XVI. zunächst vom Amt des Königs der Franzosen suspendiert.

Im August/September fanden (indireketes Wahlverfahren mit mehreren Stufen) Wahlen zu einem neuen Parlament statt. Dieses, der Nationalkonvent (Convention nationale), hatte nach Abschaffung des Königtums am 21. September 1792 und Ausrufung der Republik auch die Aufgabe, für die Republik eine neue Verfassung auszuarbeiten. Nicht die Nationalversammlung, sondern der Nationalkonvent hat mit einer Mehrheit Ludwig XVI. zum Tode verurteilt.

Zunächst wurde ein Prozeß geprüft und dafür Vorwürfe zuammengestellt. Dazu gehörte, seine entlassene und nach Koblenz emigrierte Leibwache weiterbezahlt zu haben. Am 20. November wurde in einem eingebauten „eisernen Schrank" (armoire de fer) in den Tuilerien Dokumente gefunden, die ihn zusätzlich belasteten. Ludwig XVI. hatte offenbar ein Doppelspiel betrieben, eine geheime Korrespondenz mit ausländischen Mächten und Emigranten geführt, geheime Verbindungen zu Personen gehabt, revolutionsfeindliche Presse finanziert.

Am 5. Dezember 1792 wurde Anklageerhebung beschlossen, am 11. Dezember begann der Prozeß.

Im Nationalkonvent gab es verschiedene Gruppierungen, die allerdings nicht so stark wie heutige Parteien eine feste Organsation und ein gemeinsames Programm hatten.

Girondisten waren 150 – 200 Ageordnete. Eine genaue Abgrenzung über einen Kern hinaus ist bei ihnen besonders schwierig, sie waren in den Meinungen keineswegs einheitlich und nicht sehr geschlossen. Eine Mehrheit von ihnen wollte keine Todestrafe, sondern hielt den politischen Sturz durch die Absetzung für gewichtig genug.

Zunächst etwa 100 Abgeordnete gehörten zur Bergpartei (Montagnards: ganz links oben im Sitzungssaal, auf dem „Berg“ [montagne]).

In der Mitte gab es viele, die sich zur Verfassung bekannten, keiner Gruppierung fest zugehörten und in Einzelfragen uneinheitlich und schwankend abstimmten, „Unabhängige (* Indépendants), „Ebene“ (Plaine) wegen der niedrigeren Sitzposition, „Bauch“ (Ventre), abfällig auch „Sumpf“ (Marais*) genannt; mehrheitlich Bürgerliche mit liberaler und patriotischer bzw. republikanischer Einstellung, Bekenntnis zur Revolution 1789 und Wunsch nach Einheit der Patrioten bzw. Republikaner. Ein knappes Ergebnis war nicht völliger Zufall. Die Frage polarisierte. Er wirkten verschiedene, auch entgegengesetzte Einflüsse ein.

Die Pariser Kommune und die sie tragende Volksmenge drängte auf Verurteilung. In der zugespitzen Situation konnte die Entscheidung leicht als eine für oder gegen die Revolution ausgelegt werden , eine Ablehnung der Todestrafe den Vorwurf auf sich ziehen, verkappter Monarchist/Royalist zu sein.

Andererseits war die Todesstrafe ein äußerster Schritt. Juristische (rechtliche), menschliche (humanitäte) und außenpolitische Gründe konnten zu einem Votum neigen lassen, das eine Todesstrafe vermied, auch wenn er für schuldig erklärt wurde. Nach der Verfassung von 1791 (Kapitel 2, Abschnitt 1, Artikel 2) war die Person des Königs unverletzlich und heilig. Ob die Vorwürfe unbedingt so schwerwiegend und eindeutig bewiesen waren, um allein die Todestrafe für gerechtfertigt zu halten, stand nicht über jeden Zweifel.

Es hatte mehrere Abstimmungen gegeben. Sie geschahen öffentlich nach namentlichem Aufruf.

Eine Mehrheit von 1 Stimme ist es allerdings nicht gewesen, die sich für Todesstrafe ausprach. Die Stimmenmehrheit für Todestrafe war größer.

Bei der Frage zur Straffestlegung hat eine Anzahl Abgeordneter ihre Abstimmung für die Todestrafe mit einem Votum verbunden, einen Aufschub/eine Aussetzung der Todestrafe in Betracht zu ziehen.

Anscheinend hat es in bezug auf diese Voten Unklarheiten bzw. Meinungsunterschiede gegeben, wie sie zu werten waren.

Bei den Stimmen für Todestrafe mit Aufschub sind verschiedene Motive möglich. Viele haben Bedenken wegen nachteiliger außenpolitischer Folgen geäußert. Frankreich führte zu diesen Zeitpunkt Krieg gegen Österreich (Habsburgermonarchie), Preußen und einige kleine deutsche Staaten. Vor allem das Verhältnis zu Großbritannien und zu Spanien (dessen König Karl IV. wie Ludwig XVI. aus der Familie der Bourbonen stammte) konnte sich bei Vollzug der Todestrafe verschlechtern. Der spanische Gesandte (Geschäftsträger in Paris) José de Ocariz übergab am 17. Januar 1793 nochmals eine Note mit den Wünschen und Bitten des spanischen Hofes. Es gab ein Angebot Spaniens, die französische Republik anzuerkennen und Vermittlung zwischen ihr und ihren deutschen Kriegsgegnern zu leisten, wenn das Leben Ludwigs XVI. geschont wurde. Ocariz erklärte, zu jeder ehrenvollen Bedingung bereit zu sein. Die Note wurde nicht offiziell verlesen.

Albrecht  23.08.2012, 09:36

Vielleicht wollten einige Abgordneten ein Stückchen lavieren. Bei Aufschub/Aussetzung konnte ein Hintergedanke sein, unter anderen Umständen und in einer anderen Stimmung werde eine Todestrafe nicht vollstreckt, sondern Gnade mit milderer Bestrafung gewährt.

Auf der anderen Seite konnte bei manchen Abgeordnete der Eindruck einer Unvermeidbareit einer Hinrichtung und einer Notwendigkeit einer Führung durch die Montagnards in den gegebenen Umständen entstehen.

Bei einer Abstimmung mit der ausdrücklichen Fragestellung einen Aufschubs/einer Aussetzung der Todestrafe am 19. Januar 1793 war die Mehrheit dann größer.

Eine am 20. Januar eingereichte Bitte Ludwigs um 3 Tage Verzögerung wurde abgelehnt und er am 21. Januar hingerichtet.

Ernst Schulin, Die Französische Revolution. 4., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2004 (Beck's historische Bibliothek), S. 214 – 215

S. 214: „Der Konvent sollte sich nun als Gerichtshof konstituieren. Die Girondisten waren aus juristischen, menschlichen und außenpolitischen Gründen eigentlich dafür, dem König «das letzte zu ersparen». Die Bergpartei argumentierte demgegenüber gar nicht juristisch, sondern rein politisch.“

„S. 214 – 215: „Da sich die Girondisten gegen diese Argumentation sperrten, wurden sei aus der Liste der Jakobiner gestrichen. Sie wagten von da an nur noch bewaffnet auszugehen. Der Konvent stand nun deutlich wegen dieser Prozeßfrage unter dem Druck der Pariser Straße.

Dies und Ludwigs wenig großartiges Verhalten – er berief sich gerne auf Unwissen, er neigte dazu, auch in kleinen Fällen seine Unterschrift nicht anzuerkennen, kosteten ihm das Leben. Wie man so gern, aber verkürzt sagt, wurde das Todesurteil mit einer Stimme Mehrheit gefällt. Genaugenommen war es so: am 15. Januar 1793 wurde über seine Schuld abgestimmt: von 719 bejahten sie 693. Am 16. Januar wurde 24 Stunden lang namentlich über die Strafe abgestimmt, mit der Abgabe von einzelnen Voten. Von 721 waren 387 für die Todesstrafe, 334 dagegen. 26 der Zustimmenden hatten sich aber für Aufschub ausgeprochen. Insofern waren also 361 für den sofortigen Strafvollzug, 360 sozusagen dagegen. Es wrde am 19. Januar wegen des Strafaufschubs noch einmal abgestimmt, und da waren 383 gegen, 310 für den Strafaufschub.“

Hans-Ulrich Thamer, Die Französische Revolution. Originalausgabe. 3. Auflage. München : Beck, 2009 (Beck'sche Reihe : C.-H.-Beck-Wissen ; 2347), S. 63 – 66

S. 64: „Der Konvent berief sich zwar weiterhin auf sein souveränes Recht, allein im Namen der Nation zu entscheiden, konnte in der Sache aber nicht umhin, doch den Prozeß gegen den König zu eröffnen und sich zum Gerichtshof zu erklären. Damit hatten sich die radikalen Kräfte in und außerhalb der Versammlung durchgesetzt. Die Girondisten hingegen, die den König hatten schonen wollen und die in der Absetzung nach dem 10. August schon genug Strafe sahen, konnten sich mit ihrer juristischen, menschlichen und außenpolitischen Argumentation nicht durchsetzen. Für gemäßigte Positionen war in einer Atmosphäre der kollektiven Ängste und Emotionen wenig Raum. Robespierre sah in der Verurteilung Ludwigs eine «Maßnahme des öffentlichen Wohls» und einen «Akt der Vorsehung». Die Haltung gegenüber dem abgesetzten König war für ihn eine Entscheidung für oder gegen die Revolution. Darum rief er in dem politischen Prozeß den Abgeordneten im Konvent am 3. Dezember zu: «Sie haben nicht ein Urteil für oder gegen einen Menschen zu fällen. […]. Ludwig muß sterben, weil es Not tut, daß das Vaterland lebe.» Da sich die Girondisten dieser Argumentation widersetzten, wurden sie aus dem Jakobinerklub ausgeschlossen. Die Bergpartei und die Mehrheit des Konvents beugten sich dem Druck der Straße.“

S. 65: „Dementsprechend entschied der Konvent in vier namentlichen Abstimmungen vom 15. bis 17. Januar 1793, daß Ludwig der «Verschwörung gegen die Freiheit» schuldig sei. Dies bejahten 673 Abgeordnete von 718. Zweitens müsse seine Verurteilung nicht durch eine weitere Abstimmung des Volkes ratifiziert werden. Drittens stimmten von 721 Abgeordneten 387 für die Todesstrafe, 334 waren dagegen. Viertens sollte das Urteil sofort vollstreckt werden (361 Ja-Stimmen, 360 Nein-Stimmen). Am 19. Januar wurde wegen des sofortigen Strafvollzugs noch einmal abgestimmt, 383 waren gegen, 310 für Strafaufschub.“

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Albrecht  23.08.2012, 09:37

Klaus Malettke, Die Bourbonen Band 2: Von Ludwig XV. bis zu Ludwig XVI. : 1715 - 1789/92. Stuttgart : Kohlhammer, 2008, S.264 – 267

S. 266 – 267: „Die entscheidenden Sitzungen des Nationalkonvents begannen am 14. dauerten bis zum 17. Januar 1793. Am 15. Januar votierte der Nationalkonvent auf die Frage, ob Ludwig Capet, vormals König der Franzosen, der Konspiration gegen die öffentliche Freiheit und gegen die allgemeine Sicherheit des Staates schuldig sei, mit 691 von 749 Stimmberechtigten, von denen 31 abwesend waren, und bei 27 Enthaltungen, mit «Ja». Bei der zweiten Frage, ob das Urteil des Nationalkonvents dem Volk zur Ratifikation vorgelegt werden sollte, stimmten 424 Abgeordnete mit «Nein» bei 287 Gegenstimmen und 12 Enthaltungen. Bei dieser zweiten Abstimmung hatte sich die Zahl der Abwesenden auf 28 reduziert. Über die dritte, letzte und entscheidende Frage wurde 36 Stunden, vom 16. Januar, 10 Uhr morgens bis zum nächstens Tag abends debattiert. Bei dieser Frage ging es darum, welche Strafe der ehemalige König der Franzosen zu erhalten habe. Für die unmittelbar nach der Verurteilung zu vollziehende Todesstrafe votierten 366 Abgeordnete, also mit einer Mehrheit von sechs Stimmen. Für die Todesstrafe mit Aufschub des Vollzugs hatten nur 34 gestimmt. 319 Abgeordnete hatten für eine Haft bis zum Ende des Krieges mit anschließender Verbannung votiert und nur zwei für eine Zuchthausstrafe. Am Ende der entscheidenden Sitzung verkündete deren Präsident: «Im Namen des Nationalkonvents erkläre ich, dass die Strafe, die dieser gegen Ludwig Capet fällt, die Todesstrafe ist.» Daraufhin verlasen die Verteidiger des Königs einen von diesem mit Ludwig Capet unterzeichneten und vom 16. Januar datierenden Brief, in denen dieser für den Fall, es zum Tode verurteilt werden würde, darum bat, ihm zu gestatten, an das Volk zu appellieren. Dies wurde jedoch vom Nationalkonvent abgelehnt. Unter denjenigen Deputierten, die für die Verurteilung zum Tode egtsimmt hatten, war auch Philippe Egalität, vormals Herzog von Orléans. Sein Votum hatte er mit farbloser Stimme wie folgt begründet: «Einzig von meiner Pflicht geleitet und überzeugt, daß alle diejenigen, die ein Attentat auf die Souveränität des Volkes verübt haben oder verüben sollten, den Tod verdienen, stimme ich für die Todesstrafe» Als Ludwig XVI. um 9 Uhr am Abend des 17. Januar 1793 von seinen Anwälten das Urteil erfuhr und auch die Liste der namentlichen Abstimmung zur Kenntnis erhielt, kommentierte er dies mit den Worten: «ich suche keinerlei Hoffnung, aber ich bin sehr betroffen, dass Herr von Orléans, mein Verwandter, für den Tod votiert hat […].» Als am folgenden Tag, dem 18. Januar, über die letzte Frage noch einmal namentlich abgestimmt wurde, weil einige Abgeordnete mit der Wertung ihrer Voten nicht einverstanden waren, stimmten diesmal nur 361, also exakt mit der für die absolute Mehrheit erforderlichen Stimmenzahl, für die ohne Verzug zu vollstreckende Todesstrafe. Hätte ein Abgeordneter mehr gegen die Todestrafe votiert, so hätte sich die Waagschaale zu Gunsten des Angeklagten geneigt.“

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Albrecht  23.08.2012, 09:39

Axel Kuhn, Die Französische Revolution. Stuttgart : Reclam, 1999 (Universal - Bibliothek ; Nr. 17017), S. 91:
„Am 11. Dezember begann vor dem Konvent der Prozeß gegen den König. Indem die Abgeordneten gleichzeitig zu Richtern wurden, hoben sie, ebenfalls im Vorgriff auf eine neue Verfassung, die Gewaltenteilung auf. Am 14. Januar 1793 wurde Ludwig XVI. fast einstimmig für schuldig erklärt, sich gegen die öffentliche Freiheit und die nationale Sicherheit verschworen zu haben. Mit knapper Mehrheit wurde er am 16. und 17. Januar in namentlicher Abstimmung zum Tode verurteilt; 387 Abgeordnete entschieden sich für, 334 gegen die Hinrichtung, 26 wollten eine Aussetzung des Todesurteils. Dies wurde am 18. Januar mit 380 zu 310 Stimmen abgelehnt.“

Jean Tulard, Frankreich im Zeitalter der Revolutionen 1789 – 1851. Aus dem Französischen übertragen von Arnulf Moser. Stuttgart : Deutsche Verlagsanstalt, 1989 (Geschichte Frankreichs ; Band 4), S. 109 – 111

S. 110: „Auf die Frage «Ist Ludwig Capet der Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und des Anschlags auf die nationale Sicherheit schuldig?» antwortete der Konvent einstimmig bei wenigen Enthaltungen mit «Ja». Eine nationale Volksabstimmung über das mögliche Urteil wurde mit 426 Stimmen gegen 278 verworfen. Welche Strafe sollte verhängt werden? Am 16. Januar begann um 8 Uhr abends die öffentliche Abstimmung durch namentlichen Aufruf zur Rednertribüne. Vergniaud stimmte für den Tod. Zögernde Abgeordnete resignierten angesichts des Geschreis auf den Tribünen. 721 Abgeordnete stimmten ab: 361 sprachen sich für den sofortigen Vollzug der Todesstrafe aus, 360 dagegen. Ludwigs Leben war also durch eine Mehrheit von einer (!) Stimme verwirkt, und die gehörte dem Herzog von Orléans, einem Vetter des Königs. Da 26 Volksvertreter sichfür ein aufgeschobenes Todesurteil ausgeprochen hatten, zählte man sie zu den 361 Abgeordneten hinzu. Damit ergab sich eine Mehrheit von 387 «Königsmördern». Brissot versuchte, die Hinrichtung hinauszuschieben. Der Antrag wurde jedoch in einer vierten Abstimmung mit 380 gegen 310 Stimmen abgelehnt.“

Albert Soboul, Die große Französische Revolution : ein Abriß ihrer Geschichte ; (1789-1799). 4. Auflage der durchgesehenen deutschen Ausgabe. [Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Joachim Heilmann und Dietfrid Krause-Vilmar]. Frankfurt am Main : Europäische Verlagsanstalt, 1983, S. 247 – 250

S. 249: „Das Urteil über den König wurde am 14. Januar 1793 zur Beratung gestellt. An diesem Tag legte der Konvent die drei Fragen fest, auf welche die Abgeordneten zu antworten hatten:

« Ist Louis Capet der Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und der Anschläge auf die nationale Sicherheit schuldig? Soll der gefällte Urteilsspruch der Nation zur Abstimmung gestellt werden? Welche Strafe soll Ludwig auferlegt werden?»

Die Schuld wurde einstimmig bis auf wenige Enthaltungen ausgesprochen. Die Abstimmung durch das Volk wurde mit 426 gegen 278 Stimmen abgelehnt. Die Gironde war geschlagen. Im Verlauf eines endlosen Wahlgangs mit namentlicher Abstimmung, die am 16. Januar abends begann und erst 24 Stunden später beendet war, entschieden sich 387 Abgeordnete gegenüber 334 für die Todesstrafe; 26 Abgeordnete stimmten für ein Todesurteil mit Vollstreckungsaussetzung. Am 18. Januar wurde über die Frage der Aussetzung abgestimmt: sie wurde mit 380 gegen 310 verworfen. Barère machte gegen die Girondisten geltend, daß die Aussetzung die inneren Auseinandersetzungen verlängern und die Revolution in einen geschwächten Zustand gegenüber dem äußeren Feind versetzen würde.“

S. 250: „Die Hinrichtung Ludwigs XVI. offenbarte die Unmöglichkeit der Politik der Ausflüchte, die von der Gironde bis dahin praktiziert worden war. Während des Prozeßablaufs hatten sie es nicht versäumt, außenpolitische Argumente ins Feld zu führen. «In unseren Debatten», hatte Brissot erklärt, «lassen wir Europa zu sehr außer acht.» Darauf hatte Robespierre am 28. Dezember 1792 geantwortet: «Der Sieg wird darüber entscheiden, ob Ihr Rebellen oder Wohltäter der Menschheit seid.» In ihren Anstrengungen für die Rettung des Königs dachten die Girondisten an eine Begrenzung des Konflikrs mit Europa. Daher neigten sie bewußt oder unbewußt zu einem Kompromiß mit der Aristokratie: eine inkonsequente Einstellung der Männer, die im November zum Propagandakrieg aufgerufen hatten. Durch den Tod des Königs blieb der Bergpartei kein anderer Ausweg für die Nation als der Sieg.

Lebas, der Abgeordnete des Pas-de-Calais, schrieb am 20. Januar 1793: «Jetzt sind wir auf dem Weg, die Brücken hinter uns zerstört; ob wir wollen oder nicht, wir müssen vorwärts gehen; und besonders für diesen Augenblick gilt der Satz: in Freiheit leben oder sterben.»“

David P. Jordan, The king's trial : the French Revolution vs. Louis XVI. 25th anniversary edition, with a new preface. Berkeley, California ; London : University of California Press, 2004, S. 161 - 207

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Albrecht  23.08.2012, 09:40

Albert Mathiez, Die Französische Revolution. Band 1: [Autorisierte Übertragung aus dem Französischen von Efraim Frisch]. Hamburg : Europäische Verlagsanstalt, 1950, S. 358 – 371

S. 368 - 369: „Doch die Gironde rechnete nicht allein mit Reden und Abstimmungen, und Ludwig XVI. zu retten. Der Minister des Auswärtigen, Lebrun, der zu ihnen gehörte, hatte den neutralen Mächten die Zusicherung gegeben, daß der Konvent sich milde und großherzig erweisen werde. Am 28. Dezember teilte er dem Konvent mit, es sei ihm gelungen, die mit Spanien eingeleiteten Verhandlungen zu einem guten Ende zu führen, wobei er sowohl dessen Neutralität als auch die Zurückziehen der beiderseitigen Truppen von der Grenze durchgesetzt habe. Er fügte hinzu, er verdanke dieses Ergebnis dem lebhaften interese des Königs von Spanien am Schicksal seines Vetters, des Exkönigs von Frankreich. Er übermittelte auch einen Brief des spanischen Geschäftsträgers Ocariz, der den Konvent aufforderte, Großmut zu üben, um den Frieden zu erhalten. Ein ungeschickter und schulmeisterlicher Brief an eine argwöhnische und stolze Volksvertretung. Er wurde auch ohne Debatte dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen.

Die englischen Liberalen Lansdowne, Fox und Sheridan, mit denen die Girondisten im Briefwechsel standen, forderten am 21. Dezember Pitt im englischen Unterhaus auf, zugunsten des Königs von Frankreich einzugreifen. Und zwei Tage später versuchte François Robert, ein Freund Dantons, dem Jakobinerklub die Meinung beizubringen, aß es die richtige Politik wäre, die Verurteilung Louis Capets auszusetzen.

Wir wissen heute aus den Memoiren Lameths, aus den Briefen des Agenten Pitts, Miles, aus der Bekundung Talons, aus den Memoiren Gogoys, daß die energischsten Anstrengungen gemacht wurden, auf der einen Seite die Unterstützung der europäischen Regierungen zu erhalten und auf der anderen, Stimmen für Ludwig XVI. zu kaufen. Talon hat 1803 vor einem Gericht des Konsulats ausgesagt: «Danton hatte es auf sich genommen, die ganze königliche Familie durch ein Verbannungsdekret zu retten. Jedoch, mit Ausnahme Spaniens, haben die auswärtigen Mächte die von Danton geforderten Geldopfer abgelehnt.»

Weder die Drohungen des Auslandes noch die Intrigen der Korruption vermochten die Mehrheit des Konvents zu beeinflußen. Robespierre stellte in einer großartigen, am 28. Dezember gehaltenen Rede die Gefahren dar, die dem Lande durch Anrufung des Volkes drohten. Wie denn, rief er aus, mitten im Krieg, da die Royalisten wieder Mut bekommen haben und im Westen bereits Verschwörungen anzetteln, wolle man die Urversammlungen anrufen? Wer wird zu diesen Urversammlungen kommen?“

S. 369 – 370: „Die Abstimmung begann am 14. Januar. Eine endlose Abstimmung, da sie unter Namensaufruf geschah, und jeden Deputierten anheimgestellt war, in aller Ausführlichkeit die Gründe für sein Votum zu entwickeln. In der Schuldfrage fiel sie, abgesehen von einigen Stimmenthaltungen, einstimmig aus. Betreffs Anrufung des Volkes unterlagen die Gironisten mit 287 gegen 424 Stimmen. Mehrere Dissidenten ihrer Partei, Carra, Boyer-Fonfrède, Condorcet, Daunou, Debry, Ducos, La Révellière, Mercier, Paine, stimmten mit dem Berg. Die Anhänger der Volksbefragung stammten aus den westlichen Departments. In der entscheidenden Abstimmung über die Strafe stimmten 361 Abgeordnete für den Tod ohne Vorbehalt, 26 ebenso für den Tod, jedoch mit dem Hinweis, einen Strafaufschub in Erwägung zu ziehen, 334 Stimmen waren für Zuchthaus, Gefängnis und für die bedingte Todesstrafe. Die absolute Mehrheit betrug 361 Stimmen. Die 26 Abgeordneten, die sich für Strafaufschub geäußert hatten, wurden gefragt, ob sie ihre Stimme für den Tod von der Erwägung des Aufschubs abhängig machten. Der deputierte Mailhe, der zuerst den Gedanken dieses Vorbehalts gefaßt hatte, wiederholte nur wörtlich seine Erklärung. Die anderen erklärten ihr Votum unabhängig von dem Vorbehalt. Dadurch stiegen die Stimmen für den Tod auf 387.

Man hatte Mailhe im Verdacht, daß er vom spanischen Minister Ocariz 30 000 fr. für seinen Zusatz bekommen und sich im stillen vorbehalten hätte, seinen Gedanken je nach der Wendung, die die Abstimmung nehmen würde, zu interpretieren. Von den Girondisten stimmten Vergniaud, Guadet, Buzot, Pétion, wie Mailhe, andere, darunter Ducos, Boyer-Fonfrède, Carra, Lasource, Debrym Isnard, Larevellière für den Tod schlechthin. Buzot, Condorcet, Brissot und Barbaroux beantragten mit Rücksicht auf die auswärtige Lage, die Vollstreckung des Urteils auszusetzen. Darauf erwiderte ihnen Barère, der Aufschub würde die Volksbefragung wieder zur Diskussion stellen, die Revolution vor dem Auslande schwächen und die Unstimmigkeit im Innern nur verlängern. Der Aufschub wurde mit 380 gegen 310 Stimmen verworfen.“

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Rusty1995 
Fragesteller
 23.08.2012, 12:17
@Albrecht

DH! Das Engagement und die Zeit, die du investiert hast, ist wirklich lobenswert! Danke dir...

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Hi, es ging darum, einen drohenden Krieg mit dem Ausland zu vermeiden. Bei Hinrichtung des Königs drohte Krieg (heutzutage würde es heißen, um Massenvernichtungswaffen nicht in falsche Hände gelangen zu lassen). Gruß Osmond Zitat: Am 16.01.1793 verurteilte der Nationalkonvent den Bürger Ludwig Capet - ehemals König Ludwig XVI. - mit einer knappen Mehrheit von nur 5 Stimmen zum Tode. Von den 721 Mitgliedern stimmten 366 für das Todesurteil. Die eigentlich vorgeschriebene 2/3 Mehrheit wurde von Robespierre mit dem Hinweis, dass der Prozess gegen den König nicht der Rachsucht entspringe, vom Tisch gefegt. Spaniens König lies erklären, das man die französische Republik anerkennen würde, wenn man das Leben Ludwig XVI. schonen würde. Brissot kam zu der Einsicht: "Wenn Ludwig hingerichtet wird, müsst ihr schon morgen den Krieg mit England dekretieren... Seit ihr zum Weltkrieg bereit?" Aber die Bergpartei setzte alles daran, das Urteil zu vollstrecken: "Man macht keine Republik mit Schonung, sondern mit wilder, unbeugsamer Härte..." Obwohl in der Minderheit setzten sie sich durch. Nicht die Überzeugung, sondern die Feigheit half der Gironde. Die Hinrichtung des Königs doch zu vermeiden, wurde mit einer Mehrheit von 380 : 310 Stimmen verworfen. Am 21.01.1793 wurde das Urteil vollstreckt.

Rusty1995 
Fragesteller
 22.08.2012, 19:58

Also war es eher Zufall? Nach meiner Quelle war es eine Stimme Unterschied...

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