Lokativ Latein in anderen Deklinationsklassen?
Hola!
Ich wollte mal nachfragen, ob es in Latein "damals" noch einen "richtigen" Lokativ in allen Deklinationsklassen gegeben hatte.
Ich habe nur herausgefunden, dass es einen Lokativ in den A- und O-Deklinationsklassen im Singular gibt (Also Romae - In Rom; Corinthi - In Korinth, anscheinend irgendwie früher Romai und Corintoi) und halt noch die Überbleibsel wie domi, ruri und humi.
Kann es sein, dass man einfach ein "i" an Substantivstamm dranhängt, also in etwa so:
Ludi - In der Schule
Navi - Auf dem Schiff
Mari - Im Meer
Vielen Dank :)
2 Antworten
Hallo,
den Lokativ gab es im Indogermanischen und ist in späteren Sprachen in anderen Fällen aufgegangen.
Im Griechischen und Deutschen im Dativ, im Lateinischen im Ablativ.
Er war der Kasus der Orts- und Zeitangabe.
In einigen wenigen Fällen taucht er auch im Lateinischen und Griechischen mit eigener Endung -i auf, etwa in her-i, Romae (urspr. Roma-i), dom-i, grch.: oiko-i, zu Hause.
Es sind also Reste aus der Grammatik einer älteren Sprache, die uns hier begegnen.
Herzliche Grüße,
Willy
Im Indogermanischen wurde der Locativ für die o-Stämme im Sg. mit -oi und im Pl. mit -oisu gebildet, für die a-Stämme mit -āi und -āsu und für die Konsonantenstämme -ēi und -(i)su. Aber daraus folgt einmal nichts für die späteren Sprachen: Im Griechischen z.B. lassen sich die Dativ-Formen größtenteils auf indogermanische Locative zurückführen, die echten Dativ-Endungen -ei und -bʰios sind dagegen weggestorben.
Im Lateinisch ist der Locativ (≈Ort) zusammen mit dem Instrumental (≈Mittel) und dem Ablativ (≈Trennung) zu einem einzigen Fall verschmolzen, und das erklärt, warum der lateinische Ablativ mit so vielen Gesichtern erscheinen kann. Der Locativ hat sich in einzelnen Formeln wie z.B. domī bellīque ‘im Heim und auf dem Kriegszug', meae domī ‘bei mir zu Hause’ oder humī ‘am Boden’ erhalten, und generell in Städtenamen. Im Altlateinischen finden wir noch die Endungen -ai und -iī für die a- und o-Stämme, daraus wurde dann klassisch -ae und -i (beachte, das der Gen. Sg. der o-Stämme auch in den ältesten Inschriften nur -ī ist, also im Altlateinischen vom Locativ verschieden).
Der Plural-Locativ war immer gleich dem Dativ bzw. Ablativ. Die Endung -is ist sowieso ein bißchen rätselhaft und ist vermutlich eine Vermischung aus den idg. Endungen -bʰ(i)os für Dat/Abl und -su für den Locativ.
Aber letztlich wurden die Locativformen vollständig durch Ablative verdrängt. Interessanterweise stammen die heutigen italienischen Städtenamen manchmal von der Locativ-Form ab (Firenze←Florentiae).
Außerhalb der a/o-Stämme kommen Locative offenbar kaum vor: diē septumī ‘am siebenten Tag’, rūrī ‘am Land’, lūcī ‘bei Sonnenaufgang’, Karthāginī ‘in Karthago’, temperī (≈temporī) ‘zur rechten Zeit’, aber die scheinen analog nachgebildet und nicht ererbt zu sein; Plautus ist voll mit a/o-Locativen und hat keine für die anderen Stämme. Bei Städtenamen nimmt man dann den Ablativ für die Ortsangabe.
Die Quelle meiner Weisheit ist Weiss, A Historical and Comparative Grammar of Latin.
Also wird er nur noch bei Städten und diesen einzelnen Fällen, wie bei Domus benutzt?