Kritischer denken, naivität ablegen und zu besseren Erkenntnissen kommen, aber wo anfangen?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hier passt gut der philosophische Satz: "Wer nichts weiß, muss alles glauben".

Eine gute Basis für eigenes kritisches Denken ist eine sehr gute Allgemeinbildung. Besonders wichtig sind dabei umfangreiche Grundlagenkenntnisse. Wenn Du die Grundlagen eines Themas wirklich 100%-ig verstanden hast, fällt es Dir leichter, eine neue Information dahingehend einzuordnen, ob sie stimmen kann - oder, in Zweifelsfällen, welches speziellen Aspekt der Information Du genauer hinterfragen solltet.

Wenn Du zum Beispiel Dein kritisches Denken in Bezug auf das, was Du in Deiner Steuererklärung angeben kannst, erweitern willst, solltest Du Dir die Mühe machen, mal eines oder zwei der Standardbücher über deutsches Steuerrecht komplett durchzulesen. Wenn Dir dann jemand erzählt, er habe über 10.000 Euro von der Steuer zurückbekommen, weil er sein Arbeitszimmer zu Hause absetzen konnte, dann kannst Du mit dem Grundlagenwissen über deutsches Steuerrecht sofort sagen: Entweder dieser Mensch arbeitet fast komplett von zu Hause aus (UND hat ein sehr hohes Einkommen und einen entsprechend hohen Steuersatz (wo 10.000 Euro im Verhältnis gar nicht so viel sind), UND hat außerdem extrem viel Geld für sein Arbeitszimmer ausgegeben (die 10.000 Euro, die er von der Steuer dafür zurückbekam, waren dagegen Kleinkram) - ODER: Der Kerl ist ein Betrüger!

Die Sache mit dem Erkennen zuverlässiger Quellen sehe ich kritisch. Es gibt zwar Quellen, denen man mehr misstrauen sollte als anderen, aber den eigenen Plausibilitätscheck nimmt Dir auch die beste Quelle nicht ab! Auf die Frage, wer oder was eine zuverlässige Quelle ist, würde ich mich an Deiner Stelle nie verlassen - zumindest nicht alleine darauf. Eine eigene inhaltliche Prüfung der Aussage ist in meinen Augen sicherer.

Den Bestätigungsfehler kannst Du am ehesten dadurch kleinhalten, das Du bei wichtigen Dingen, über die Du Dir eine Meinung bildest, ganz gezielt auch nach Informationen suchst, die Deiner bisherigen Meinung widersprechen. Dann hast Du wirklich verschiedene Sichtweisen, zwischen denen Du abwägen kannst.

Dhalwim 
Fragesteller
 18.12.2016, 21:43

@Dampfschiff

Also ihre Antwort gefällt mir bisher am besten von allen hier vorhandenen, das muss Ich ihnen lassen Sire.

(PS: Eines jedoch noch. Hier würde Ich etwas hinzufügen.

ODER: Der Kerl ist ein Betrüger!

ODER ein Lügner)!

LG Dhalwim :)

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Das "Baloney Detection Kit" nach Carl Sagan ist schon etwas älter, nicht die best strukturierteste Denkhilfe, aber ein Anfang:

Sich z.B. Fragen "Von wem bekomme ich die Information?" (ist derjenige in dem Feld wirklich kompetent, hat er eine Absicht/Agenda, verdient er Geld damit) oder "Kann ich die Information aus unabhängigen Quellen bestätigen"?

http://users.tpg.com.au/horsts/baloney.html

Generell hilft es sicher, sich eine wissenschaftliche Herangehensweise zuzulegen. Das ist aber so zeitinteniv, das man das nicht jeden Tag für alles machen kann. Man kann aber erkennen ob jemand der einem Informationen liefert diese Methode angewendet hat, er liefert z.B. vertrauenswürdige Quellen für seine Informationen mit.

Es gibt da noch die "less wrong" Bewegung die sich genau damit beschäftigt. Also z.B. "wie treffe ich entscheidungen" oder "welche üblichen Denkfehler machen wir". Der Blog ist etwas seltsam finde ich, die Ideen dahinter machen aber Sinn:

http://lesswrong.com/

Die Sceptic Society ist vertrauenswürdig in meinen Augen und bringt in ihrer Zeitschrift unterhaltsame und gleichzeitig informative Artikel zum Thema:

http://www.skeptic.com/

Bücher? "Schnelles Denken, langsames Denken" von Kahnemann erklärt ganz anschaulich wie wir Entscheidungen treffen und "Fallstricke: Die häufigsten Denkfehler in Alltag und Wissenschaft" von Frey und Frey das eher als Katalog beschreibt, was für Fehler wir machen sind gute Ausgangspunkte. Ich mag auch "Demon-Haunted World: Science as a Candle in the Dark" von Carl Sagan sehr. Das hat mehr auto-biographischen Stil ist aber sehr gut. Da kommt das oben erwähnte "unsinn detektions kit" her.

Bleibe Abschließend zu sagen: Immer schön den Kopf offen halten, aber nicht so offen, das einem das Gehirn rausfällt.

Viel Erfolg!

Hinterfrage einfach alles. Achte besonders auf folgende Dinge: 1. Wurden bei den präsentierten Daten eventuell Daten weggelassen? 2. Stimmt die zeitliche Aufeinanderfolge der Daten? 3. Werden Daten hinzugefügt, die eigentlich nichts mit dem Thema zu tun haben? (Das deutet auf versteckte Absichten hin) 4. Werden die Dinge von ihrer Wichtigkeit her korrekt dargestellt oder unwichtige Dinge groß herausgestellt, wichtige Dinge unter den Teppich gekehrt? 5. Sind Zeit und Ort angegeben (Spezialfall von weggelassenen Daten)? 6. Kommen die Daten aus der korrekten Quelle? (Damit meine ich nicht Zeitungen oder Mainstream-Medien, denn deren Daten erweisen sich fast immer als falsch.) 7. Wird das korrekte Ziel verfolgt?
Darüber hinaus berücksichtige ich bei Überlegungen nur Daten, die sich in meinem persönlichen Leben als wahr bestätigt haben. Alles andere lege ich unter der Rubrik „bisher unausgewertet/nicht bestätigt; eventuell einmal von Nutzen“ ab, egal ob sie von Einstein, Buddha oder Klaus Kleber kommen.

TheVVS  18.12.2016, 10:36

Klingt etwas kompliziert, wenn auch korrekt.. Ich hab es so für mich gelernt:

NUR seine eigene Wahrheit (=eigenes Wissen/Erkenntnis) leben
und alles was man "weis" ab sofort nur als neutrale Information betrachten.

..nach der "Formel":
Wissen  = Information + Erfahrung

(meint selbiges wie letzter Abschnitt von DetlefRuchatz)

Wurde die Information also bisher nicht geprüft/erfahren, bleibt sie Info und wird niemals Wissen/Erkenntnis.

Info:
"Mama behauptet, wenn Herd an, dann Platte heiß, und des macht aua"
Prüfung: Herd an, Platte angefasst
Erfahrung/Ergebnis: aua geschrien..
Wissen/Erkenntnis: Herd an, platte heiß, verbrennungsgefahr

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Bei Zeitungen oder Online-Artikeln hilft es, zu schauen, wer die Seite geschrieben hat. Da muß man manchmal etwas recherchieren - wem gehört die Zeitung? Ist sie unabhängig? Ist die Website von irgendeiner Firma oder einer 'Stiftung' gesponsert, und könnte das Einfluß auf die Informationen haben? Wann wurde die Zeitung zuletzt aktualisiert? Gibt es Quellenangaben für die Informationen in dem Artikel (z.B. wissenschaftliche Studien), und sagt die Studie wirklich dasselbe wie der Artikel?

Ich lese ein paar Zeitungen aus verschiedenen Ländern, und schaue gelegentlich auch in Zeitungen, die andere politische Meinungen vertreten als ich. 

Wenn man sich genauer zu einem Thema informieren will, sollte man zusätzlich auch Bücher lesen. Zum Beispiel haben wir zu Beginn des Syrien-Krieges ein paar Bücher zu der Geschichte des Nahen Ostens von Nahostexperten (Historikern, politischen Journalisten mit Expertenwissen über diese Region) gelesen. 

Leider kann man sich meiner Ansicht nach nicht auf jedem Gebiet genügend Wissen aneignen, um Fehlinformationen als solche zu durchschauen. Ich habe z.B. nicht genügend Ahnung von Naturwissenschaften, um ggü. einem Skeptiker schlüssig zu erklären, warum der Klimawandel vermutlich von Menschen beeinflusst wurde. Da verlasse ich mich einfach auf die Aussagen der Mehrheit der Wissenschaftler auf diesem Gebiet.

matmatmat  18.12.2016, 09:25

Ja, das ist ne wichtige Sache mit den Wissenschaftlern. Die machen ja den ganzen Tag nichts anderes als auf diesem einen Gebiet zu forschen. Das da mal einer ist mit einer wirren Meinung oder ein Fachfremder mit hohem Ansehen bezahlt wurde was zu sagen (z.B. ein Atomphysiker der was übers nicht stattfindende Artensterben sagt) kommt durchaus vor. Aber wenn sich 500 Professoren in 20 Ländern einig sind bedeutet das nicht, das es perfekt den Fakten entspricht, aber das es die beste Erklärungsidee ist, die der Menschheit eingefallen ist.

Vielleicht noch ein Buchtip: "Merchants of Doubt" (das man im Deutschen so dumm "Die machiavellis der Wissenschaft" übersetzt hat) von Oreskes & Conway. Erschreckend wie wir manipuliert wurden (Zigaretten verursachen keinen Krebs, es gibt kein Ozonloch) und werden (Der Klimawandel existiert nicht, der Klimawandel ist nicht Menschengemacht) und fürchterlich für die ehrlichen Wissenschaftler die da zwischen die Mühlen geraten. Wirklich gut geschrieben, hunderte von Quellenangaben...

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ARGB5  18.12.2016, 10:03
@matmatmat

Ist mir bewusst, daß die vorherrschende Meinung der Wissenschaftler auch nur der aktuelle Stand der Forschung ist und nicht unbedingt eine ewige Wahrheit. Aber der Buchtip klingt gut.

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