Kommunismus und Existentialismus verträglich?

1 Antwort

Jean Paul Sartre war kurze Zeit Mitglied der Kommunistischen Partei in Frankreich, hat sich dann aber wieder getrennt. Diese Hinwendung Sartres zum Marxismus hat auch Camus und Sartre auseinander gebracht. Für Camus ist der Marxismus ein philosophisches Konstrukt, das Risse einer chaotischen Realität (die er das Absurde nannte) glätten will und das dem chaotischen Dasein eine innere Richtung (dialektische Materialismus) unterstellt. Wegen dieser Frage hat sich dann auch Sartre vom Marxismus getrennt, weil er letztlich doch die Unvereinbarkeit von Existentialismus und freiem Entwurf der Lebenspläne mit einem bindenden dialektischen Materialismus gesehen hat. Er blieb aber sozial engagiert, womit er von seinem Lehrmeister Nietzsche als Ur-Existentialist abgewischen ist. Ein Existentialist vertritt immer die Freiheit des Individuums gegen Zwangsauflagen der Gesellschaft - so auch später Foucault. Dabei ist Engagement für die Schwachen und Unterdrückten das eine, ein Marxismus mit seiner Diktatur des Proletariats das andere. Für den Existentialisten handeln immer einzelne Menschen und die Verantwortung dafür kann ihm niemand abnehmen, keine Partei und schon gar kein künstliches Konstrukt wie das Proletariat.

BartokM 
Fragesteller
 03.08.2015, 14:10

Somit sind Existentialismus und Marxismus nicht vereinbar?

Gilt das jetzt auch für Existentialismus und Kommunismus?

Mein Grund für deren Unvereinbarkeit scheidet somit aus?

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berkersheim  03.08.2015, 15:53
@BartokM

Also der Darstellung Existentialismus ist nur hinzuzufügen, das ein wesentlicher Grundzug des Individuums die Freiheit ist, extrem formuliert bei Sartre: Der Mensch ist zur Freiheit verdammt.

Im Marxismus ist der Mensch eigentlich kein freier Entscheider sondern immer "Mitschwimmer" in der sozialen Entwicklung, Teil einer Klasse und ihrer sozialen Performance. Die Geschichte wird nicht von Individuen geprägt sondern von Klassen. Gleichheit ist erst ein Endprodukt in der Utopie des Kommunismus. Vorher herrschen Auseinandersetzung und Ausbeutungsverhältnisse. (Nebenbei: In Platons Staat gibt es keine Gleichheit sondern klare "Klassen" in hierarchischer Ordnung).

Das Verhältnis Existentialismus - Kommunismus (als Utopie) kommt am besten im Sisyphos zu Ausdruck. Sisyphos kommt NIE oben an, gelangt NIE zum Kommunismus! Das Scheitern und die Revolte dagegen und der wiederholte Neubeginn sind das Lebensgefühl des Existentialismus. Die Erlösung, egal in welcher Utopie ist nach existentialistischer Auffassung purer Selbstbetrug.

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BartokM 
Fragesteller
 03.08.2015, 17:01
@berkersheim

Tolles Bsp mit Sisyphos. Hat mir ebenfalls im "Mythos des Sisyphos" gefallen!

Ja, das mit dem Staat bei Platon habe ich wohl vergessen ... . War es in der Politeia nicht so, dass zumindest in der Klasse des Volkes Gleichheit herrschen musste (z.B. in der Haushaltsführung) ?

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berkersheim  03.08.2015, 22:04
@BartokM

Den Begriff von Gleichheit, wie wir ihn heute verwenden, gab es in der Antike nicht. Sklaven waren immer ungleicher. In allen antiken Staatswesen gab es eine herrschende Klasse der Adeligen mit unterschiedlichen Privilegien. Außerdem durften selbst in Athen nur freie männliche Bürger an den Versammlungen teilnehmen.

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