Kann mir jemand Parmenides' Theorie über den Urstoff der Welt erklären?

2 Antworten

Parmenides unterscheidet in seinem Lehrgedicht zwei Wege, den der Wahrheit und den des Irrtums.

Ein grundlegender Aussage bei ihm ist: nur Seiendes ist, Nichtseiendes ist nicht.

Dies stellt sich für ihn als eine Denknotwendigkeit aus (sonst entstünde ein Widerspruch). Offenbar zieht Parmenides Schlüsse von der Denkbarkeit des Seins auf seine Wirklichkeit.

Wer denkt und sagt, sagt etwas Bestimmtes. Nichtseiendes ist kein bestimmter Gegenstand als Objekt. Für Parmenides bedeutet Nichtseiendes zu denken und zu sagen offenbar, etwas zu denken und zu sagen, was nicht ist und daher überhaupt nichts zu denken und zu sagen. Denken richtet sich nach seinem Verständnis immer auf das Erfassen des Seienden.

Zum Weg des „ist nicht“ (B 2. 6 – 8): „Dieser Weg ist, so sage ich, ganz und gar unerkundbar; denn das, was nicht ist, kannst du weder denken/erkennen noch kannst du es sagen (denn das ist nicht durchführbar).“

Das Seiende ist unentstanden, unvergänglich, ganz, unbeweglich, ohne Ende/unteilbar, ohne Vergangenheit und Zukunft (das heißt: zeitlos), eines (eine Einheit), kontinuierlich und einer wohlgerundeten Kugel gleich.

Die Sinneswahrnehmung mit veränderlichen Dingen der Erfahrung bezieht sich auf eine erscheinende Welt. Diese veränderlichen Dinge zeigen sich in einer Weise, die mit den Bestimmungen des Seienden, wie Parmenides sie angibt, unvereinbar ist. Daher kann dies nicht sein, was sie an sich sind. Werden wäre ein Übergang vom Nichtsein zum Sein.

Nach der Darlegung des Wegs der Wahrheit, der von der Vernunft eingesehen werden kann, in einem ersten Teil unternimmt Parmenides in einem zweiten Teil einen hypothetischen (Annahmen darstellenden und unter der Voraussetzung, die Wirklichkeit sei etwas Veränderliches und Werdendes vorgetragenen) Erklärungsversuch für die Erscheinungswelt. Dieser bewegt sich im Bereich trügerischer, das heißt nicht zuverlässiger Meinungen.

Parmenides hat darin eine Kosmologie vorgelegt (nur ziemlich wenige Bruchstücke sind in der Überlieferung erhalten). Er vertritt nicht eine Theorie von einem Urstoff (wie z. B. Thales mit dem Wasser als Ursprung), sondern von zwei gegensätzlichen Elementen/Prinzipien, φάος (Licht, Feuer) und νύξ (Nacht, Dunkel).

Aus diesen leitet er eine Reihe von Gegensatzpaaren ab, die Grundbestimmungen der Dinge in der Erscheinungswelt darstellen sollen. Alle beobachtbaren Eigenschaften der Dinge versucht er aus der Mischung der ursprünglichen Elemente begreiflich zu machen.

Bücher können (neben dem Lesen des Textes und dem eigenen Nachdenken) beim Verstehen helfen, z. B.:

Christoph Rapp, Vorsokratiker. Originalausgabe, 2., überarbeitete Auflage. München : Beck, 2007 (Beck'sche Reihe : Denker ; 539), S. 91 – 133 (Parmenides´ Überwindung des Nicht-Seienden)

S. 130 - 131: „Über die Einzelheiten der wahrscheinlichen Welteinrichtung, die die Ansichten der Sterblichen erklären soll, weiß man nur sehr wenig (vgl. B8.53-59, B 9-19). Sicher ist nur, dass sie auf der Annahme zweier Prinzipien oder Elemente beruht: »Sie haben nämlich ihre Ansichten dahin festgelegt, zwei Formen zu benennen, von denen einmal eine (oder » nur die eine«? oder » nur eine einzige«=) zu nennen nicht erlaubt ist – darin sind nämlich alle in die Irre gegangen« (B8.53f.). Das eine Element sei das » leichte«, » ätherische« »Feuer« (oder »Licht«), das andere sei »dichte und schwere« »Nacht«. Beide Elemente seien mit sich selbst, aber nicht mit dem anderen identisch, also jeweils unvermischt. Alle möglichen Erscheinungen sollen nun durch diese Elemente bzw. durch ihre Mischung (vgl. Plutarch: 28B10) erklärt werden. »Aber nachdem alle Dinge als Licht und Nacht benannt worden sind …, ist alles zugleich voll von Licht und unsichtbarer Nacht, die beide gleich sind; denn nichts ist möglich, was unter keinem von beiden steht« (B9).

Aus diesem Ansatz wurde nun offenbar eine Beschreibung der Weltentstehung abgeleitet; alle Rekonstruktionsversuche dieser Theorie […] beruhen auf äußerst dürftigen Hinweisen in Fragment b12 und in einem Bericht des Aëtios (28A37): Im Ausgangszustand ist der Kosmos von einer festen Schale umgeben, in der Mitte dieses kugelförmigen Gebildes findet sich ein ebenfalls fester Kern. Unterhalb der festen Schale und rund um den Kern liegt jeweils ein kranzförmiges Gebilde aus Licht, auf das jeweils ein Kranz aus Nacht folgt. Dazwischen befinden sich aus Licht und Nacht gemischte Kränze, die den Anfang der Entstehung bilden und offenbar auch als Sitz der Göttin (Dikē/Anankē) bezeichnet werden. Über die Vorgänge, die zur Entstehung der Welt führen, ist wenig Zuverlässiges bekannt; von der Erde heißt es sie sei aus dem »herabfließenden Dichten« entstanden (vgl. A22). Im fertigen Zustand der Welt finde sich zuäußerst der Äther, gefolgt von dem als Himmel bezeichneten Feuerartigem, und als Drittes folge das Irdische (vgl. A37). Nach Berichten bei Diogenes Laërtios soll Parmenides dabei als Erster die Erde als kugelförmig bestimmt sowie den Morgenstern und den Abendstern identifiziert haben (Vgl. DK 28A und A44). Fragment B14 weist schließlich darauf hin, dass Parmenides das Licht des Mondes bereits als reflektiertes Sonnenlicht verstand: »… ein nachtleuchtendes, um die Erde irrendes, fremdes Licht.«“

S. 132: „Parmenides hatte die Voraussetzungen für das kosmologische Denken seiner Vorgänger untersucht und dabei entdeckt, dass kosmologische Theorien, die die Entstehung der Welt und die vielen Einzelphänomene darin zum Gegenstand haben, auf der falschen Voraussetzung beruhen, das, was ist, sei entstanden, diskontinuierlich, bewegt, vieles usw. Damit ist für ihn klar, dass Theorien über die Entstehung der Welt und ihrer Phänomene erstens nicht das, was ist, zum Gegenstand haben, und zweitens kein zuverlässiges Wissen erlangen können. Dennoch braucht er nicht darauf zu verzichten, irgendeine nachvollziehbare Ordnung der Welt der wahrnehmbaren Phänomene kenntlich zu machen; er muss nur, wenn er eine solche Erklärung gibt, klarstellen, dass dieser Versuch prinzipiell unzulänglich bleibt. Dies tut er, indem er von der kosmologischen Theorie sagt, sie sei »trügerisch«, nur »wahrscheinlich«, ohne »wahre Gewissheit« und die beiden Prinzipien seien von den Sterblichen nur »gesetzt« usw. Sein kosmologisches Modell ist hypothetisch, jedoch nicht in dem modernen Sinn, dass es jederzeit durch eine bessere Theorie für dieselbe Sache abgelöst werden könnte, sondern in dem Sinn, dass es von Voraussetzungen abhängig ist (»Entstehendes ist«, »Es gibt zwei Prinzipien« usw.), von denen zuvor gezeigt wurde, dass sie falsch sind.“

Ich denke, dass "Urstoff" der falsche Begriff ist, um Parmenides zu verstehen. Es geht hier um Kosmologie, darum, wie man sich die Welt vorzustellen hat. Eigentlich präsentiert er zwei Sichten, die ihm als möglich erscheinen: Die Sicht der Menschen, die wie Heraklit alles im Fluss sehen, in der Veränderung und Bewegung. Das ist, wie uns die Dinge erscheinen. Doch Veränderung kann in Wahrheit nicht bedeuten, dass SEIN in NICHTSEIN vergeht und wieder aus NICHTSEIN hervorkommt, das sieht nur die Vernunft.

Aus Sicht einer "höheren Wahrheit" macht er zum "SEIN" einige grundsätzliche Aussagen, die übrigens auch bei den Atomisten bis zu Epikur zu den Grundannahmen zählen. SEIN existiert vollkommen, zeitlos und ewig (und die Götter sind wie die Welt und Menschen Teil davon) und es gibt dazu kein NICHTSEIN als existent, aus dem SEIN hervorgehen könnte. SEIN ist weder vermehrbar noch verminderbar, nur wandelbar. SEIN hat nur Existenz, kein Ziel, Sinn oder Bestimmung. Das denken von NICHTSEIN als existent kommt von einer "dualistischen, polar operierenden Logig" von Gegensätzen wie Tag und Nacht, Gut und Böse, kurz und lang usw.. Doch der Gegensatz Tag - Nacht hat keine Existenz, es ist nur eine Perspektivänderung der Betrachtung, der die Grauzone zwischen der hellen und dunklen Seite außer acht lässt. In Wirklichkeit sind Tag und Nacht zwei Seiten eines Kontinuums. So erwähnt er erstmals, dass sich der Mond um die Erde bewegt und sein Licht von der Sonne erhält und wir je nach Perspektive Vollmond oder Halbmond sehen.