Kann man seinen Vormund heiraten?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Antwort ist etwas ausführlicher geraten. Es genügt notfalls, das Fazit unten zu lesen. Freue mich natürlich über Rückmeldung, ob ich Dir weiterhelfen konnte :)

Ich finde, die Frage ist schon deshalb schwer zu beantworten, weil sie sich auf die Vergangenheit und demnach auf eine Rechtspraxis bezieht, die auf geltendes Recht nicht ohne weiteres anwendbar ist, sowohl im staatlichen wie kirchlichen Rechtsbereich.

Ich denke zudem, dass die Frage an sich solange hypothetisch bleibt, bis sich jemand findet, der Dir wissend sagen kann, ob es beispielsweise im Jahre 1939 überhaupt irgendwo eherechtliche Normen oder Gewohnheiten gab, die die Frage der Vormundschaft im Sinne deiner Frage behandeln. Und ob Du so jemanden hier findest, wage ich sehr zu bezweifeln. Das setzt schon fundiertes Spezialwissen voraus.

Dann geht meines Erachtens aus Deiner Frage nicht ganz klar hervor, ob Du eine Antwort hinsichtlich des staatlichen oder des kirchlichen Eherechts suchst. Beides klingt in deiner Fragestellung und den zugeordneten Tags an.

Ich kann Dir folgend nur ein paar Hinweise hinsichtlich des geltenden kirchlichen Eherechts anbieten. Vielleicht sind sie ja ausreichend für eine fiktive Weiterbearbeitung des der Geschichte zugrundeliegenden Stoffs.

a.)

Die Frage, ob eine nicht volljährige Person ihren gesetzlichen Vormund heiraten darf bzw. kann wird in keiner eherechtlichen Norm direkt behandelt. Das weist bereits darauf hin, dass der kirchliche Gesetzgeber hier keinen Regelungsbedarf sieht, vermutlich, weil das "Problem" überhaupt nicht virulent ist.

Es gibt also weder ein Ehehindernis noch ein Eheschließungsverbot hinsichtlich einer Eheschließung zwischen Mündel und Vormund.

  • Ein Ehehindernis macht eine Person rechtlich unfähig, eine Ehe zu schließen. Eine Eheschließung unter Beteiligung einer mit einem Ehehindernis behafteten Person ist also ungültig (und natürlich nicht erlaubt, wenn das Hindernis öffentlich ist).
  • Ein Eheschließungsverbot entsteht aus einem Umstand, der dafür ausschlaggebend ist, dass die Trauung unter dem gegebenen Umstand verboten ist. Sie darf nur auf Grundlage einer Erlaubnis des Ortsordinarius vorgenommen werden, außer im Notfall. Liegt diese Erlaubnis nicht vor, ist die Eheschließung dennoch gültig, sofern dem natürlich nichts anderes entgegen steht.

b.)

Der Begriff der Vormundschaft lässt sich nur im kirchlichen Personenstands- und Prozessrecht finden. Hierzu wird in c. 98 § 2 normiert:

"Eine minderjährige Person bleibt in der Ausübung ihrer Rechte der Gewalt der Eltern oder eines Vormunds unterstellt [...]; was die Bestellung eines Vormunds und dessen Gewalt betrifft, sind die Vorschriften des weltlichen Rechtes einzuhalten [...]."

c.)

In dem von Dir geschilderten Fall ist die ehewillige Person minderjährig. Jetzt ist die Frage, ob Volljährigkeit und Ehemündigkeit rechtlich auf dasselbe Alter festgelegt ist. Das ist nach geltendem deutschen Recht der Fall, in anderen Ländern kann die Ehemündigkeit deutlich niedriger angelegt sein. Hier spielen auch religiöse Vorstellungen und Rechtsnormen eine Rolle. Ein kurzer Vergleich:

Geltendes deutsches Recht:

  • Volljährig ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat.
  • Ehemündigkeit ohne Ausnahme bei 18 Jahren; die Ehemündigkeit entspricht also der Volljährigkeit. Eheschließungen unter Beteiligung minderjähriger sind ausnahmslos nichtig, da die Möglichkeit, ab 16 Jahren mit Zustimmung des Familiengerichts zu heiraten, seit 2017 entfallen ist.
  • Ehen, die minderjährig im Ausland geschlossen wurden, werden i.d.R. richterlich aufgelöst, es sei denn ausnahmsweise, wenn ein entsprechender Härtefall vorliegt.

Geltendes kirchliches Recht:

  • Fehlendes Mindestalter stellt ein Ehehindernis dar, über das der kirchliche Gesetzgeber quasi die Ehemündigkeit normiert. Gemäß c. 1083 § 1 CIC kann der Mann "vor Vollendung des sechzehnten, die Frau vor Vollendung des vierzehnten Lebensjahres keine gültige Ehe schließen." Im kirchlichen Recht ist also Ehemündigkeit niedriger angesetzt als Volljährigkeit. Wegen der zahlenmäßigen Festlegung handelt es sich um ein Ehehindernis kirchlichen Rechts, von dem theoretisch dispensiert werden kann. Aber der Kern dieser Norm ist naturrechtlich fundiert: Es geht um die psychische Ehefähigkeit, die bei Kindern und i.d.R. auch bei Jugendlichen nicht gegeben ist. Ein Dispens ist daher so gut wie ausgeschlossen.
  • "Es bleibt der Bischofskonferenz unbenommen, zur erlaubten Eheschließung ein höheres Alter festzulegen." (c. 1083 § 2 CIC). Davon hat die Deutsche Bischofskonferenz keinen Gebrauch machen müssen, weil das staatliche Recht ohnehin ein höheres Alter verlangt. Denn laut c. 1071 § 1 n. 2 CIC besteht ohnehin ein Eheschließungsverbot "bei der Eheschließung, die nach Vorschrift des weltlichen Gesetzes nicht anerkannt oder vorgenommen werden kann."

Fazit:

Die von Dir fingierte Eheschließung würde also gemäß geltendem staatlichen wie kirchlichen Recht in Deutschland an der Minderjährigkeit des Mündels scheitern. Die Frage nach dem Vormund-Verhältnis stellt sich hier also überhaupt nicht. Wäre es aber gemäß staatlichem Recht verboten, seinen Vormund zu heiraten, dürfte eine solche Trauung auf Grundlage des c. 1071 § 1 n. 2 CIC nur mit Erlaubnisvorbehalt vorgenommen werden. Aber ja, auch wenn unerlaubt: Die Eheschließung zwischen einem mindestens 14 (Mädchen) bzw. 16 Jahre alten Mündels und seinem Vormund wäre aus kirchenrechtlicher Sicht zumindest gültig.

Das Vormundschaftsverhältnis begründet auch schon deshalb kein eigenes Ehehindernis oder Eheschließungsverbot, weil dieses Verhältnis spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit erlischt. Dies ist aber für den kirchlichen Gesetzgeber irrelevant in eherechtlicher Hinsicht, da die Vormundschaft im Gegensatz zur Adoption rechtlich dem Verwandtschaftsverhältnis nicht nahekommt. Deshalb hat der kirchliche Gesetzgeber im Falle der Adoption ein Ehehindernis aufgestellt, das auch bei Volljährigkeit der adoptierten Person bestehen bleibt, im Falle der Vormundschaft aber geschwiegen.

Also: Eine ehemündige Person kann gemäß kirchlichem Recht ihren aktuellen oder ehemaligen Vormund heiraten. Und diese Eheschließung bedarf auch solange keiner besonderen Erlaubnis, solange sie durch das staatliche Recht anerkannt oder erlaubt ist.

Gabicolastra 
Fragesteller
 22.06.2022, 13:39

Wow danke wirklich 🤩😍🤩😍

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ich denke schon, wenn ich mich nicht täusche ist das sogar des öfteren passiert...

Gabicolastra 
Fragesteller
 21.06.2022, 14:59

Ja, ich frag mich halt vor allem ob es dann irgendwelche Schwierigkeiten gibt wegen Familienrecht, ob ein Vormund rein rechtlich ein Verwandter ist oder ob ein Vormund irgendwelches Recht verletzt oder so. Ist sehr schwierig 😅

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jalvi  21.06.2022, 15:11
@Gabicolastra

damals glaub ich nicht das da ein Problem war, die Kirche musste hald zustimmen und ich glaube während den Weltkriegen waren die um jede Frau die nicht ledig ist froh...

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So weit mir bekannt ist, geht das nicht. Der Hauptgrund dürfte das bestehende Abhängigkeitsgefälle sein.

Nach der Volljährigkeit und beendeter Vormundschaft dürfte das kein Problem mehr darstellen.

Im "Barbier von Sevilla" will ja der Vormund sein Mündel heiraten, aber letztere will nicht.....

Also, rechtlich ging es zumindest damals anscheinend.