Kann eine Tasse sich nach dem Zerbrechen selbst wieder zusammen setzten?

10 Antworten

Tut mir leid, dass soviele Antwortgeber Thermodynamik, Entropie, Quantenphysik und Wahrscheinlichkeit bemühen und zum Teil zu falschen Schlüssen kommen.

Beim Zerbrechen der Tasse entsteht keine Entropie, sondern Scherben.

Wenn eine Tasse herunterfällt und zerbricht, wird die innere Struktur der Materie auseinandergebrochen. Du kannst die Stücke noch so sorgfältig zusammensetzen; sie werden nicht zusammenhalten (ohne Leim) Wenn sie nicht einmal zusammenhalten, wenn Du sie zusammensetzt, werden sie es auch NIE machen aus Zufall.

Dazu sagt ein Teilgebiet der Physik , die Thermodynamik, tatsächlich etwas aus. Genauer gesagt, geht es um den 2. Hauptsatz der Thermodynamik und der sagt aus, dass  Zeit niemals rückwärts laufen kann.

Bei dem Zerbrechen der Tasse entsteht Entropie, die in diesem Fall als Maß für die Unordnung betrachtet werden kann. Würde sich die Tasse von alleine wieder zusammensetzen, würde die Entropie wieder abnehmen. Der 2. HS sagt aber aus, dass einmal im Universum entstandene Entropie nie wieder vernichtet werden kann.

tmattm  14.08.2017, 13:16

Wenn du theoretische Thermodynamik/statistische Physik machst, dann siehst du, dass die Entropiezunahme nur Wahrscheinlichkeitsrechnung ist. Entropiezunahme passiert, weil sie viel, viel, viel Wahscheinlicher ist, aber mit einer winzig, winzig kleinen Wahrscheinlichkeit ist auch der Übergang in eine entropisch niedrigere Teilchenanordnung möglich.

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Hamburger02  14.08.2017, 13:44
@tmattm

Dieser Fehlschluss kommt nur innerhalb der statistischen Thermodynamik zustande, die Entropie ausschließlich als Wahrscheinlichkeit sieht und die auch nur innerhalb deterministischer Systeme nahe des thermodynamischen Gleichgewichtes gilt.

Entropie ist aber weit mehr als bloße Statistik. In der klassischen (makroskopischen) Thermodynamik galt der 2. HS noch als Erfahrungssatz und die Irreversibilität, die daraus folgt galt in der klassischen Physik nur als Näherungslösung, die der Grobkörnigkeit des Universums geschuldet sei. Hier konnte entsprechend der statistischen Thermodynamik rein theoretisch im unwahrscheinlichsten Fall die Entropie auch mal abnehmen, auch wenn das bislang in der Praxis noch kein einziges Mal beobachtet wurde.

In der nichtlinearen modernen Thermodynamik, die Ilya Prigogine mit der Theorie Dissipativer Strukturen geschaffen hat und für die er 1977 den Nobelpreis erhielt, siehts dann nochmal anders aus.  Da konnte er zeigen, dass die statistische Herleitung der Entropie durch Ludwig Boltzmann nicht immer gilt und dass das Gesetz der großen Zahl lokal aufgehoben sein kann. Dadurch bekommt die Entropie einen naturgesetzlichen Charakter und er zeigt, dass fernab des thermodynamischen Gleichgewichtes die konventionelle statistische Betrachtung bzw. die Betrachtung von Ordnung und Unordnung wenig sinnvoll ist. Da macht es mehr Sinn, Entropie als Maß für die bereits erfolgte Dissipation von Exergie zu betrachten ist. Innerhalb dieser neuen Betrachtung ist eine Abnahme von Entropie auch prinzipiell (theoretisch) unmöglich.

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RobertIQ 
Fragesteller
 15.08.2017, 02:44
@Hamburger02

Danke. Ich interessiere mich sehr für Physik und vor allem für unwahrscheinliche oder seltsame Phänome.

Dein Kommentar hat mir wirklich weiter geholfen.

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ulrich1919  18.08.2017, 19:59

Bei dem Zerbrechen der Tasse entsteht Entropie

Beim Zerbrechen der Tasse entsteht keine Entropie, sondern Scherben.

Das soll kein fauler Witz sein, sondern Entropie-Aenderungen hängen mit Wärme zusammen: dS = dQ / T 
  Und das Zerspringen von spröden Materalien (Keramik, Glas) geht kaum mit Wärme-Übergang daher. 

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Hamburger02  18.08.2017, 22:02
@ulrich1919

Da muss ich dich leider enttäuschen.

Du beziehst dich auf die Grundlagenvorlesung Thermodynamik, da wird im Zusammenhang mit Wärmetransport eine einfache Form des 2. HS gelehrt und für die mit der Wärme transportierte Entropie gilt in der Tat dS = dQ/T

Die Entropieänderung eines geschlossenen Systems, als das ich die Tasse betrachte, besteht aber tatsächlich aus zwei Teilen: aus der mit der Wärme über die Systemgrenze transportierten Entropie sowie aus der im Inneren des Systems erzeugten Entropie. In dieser erweiterten Form lautet der 2. HS:
dS = dSq_q + dS_irr = dQ/T + dS_irr
Die erzeugte Entropie dS_irr ist niemals negativ, dS_irr ≧ 0

Die bei einem Prozess erzeugte Entropie dS_irr kann als Maß für die Irreversibilität betrachtet werden.

Bei einem irreversiblen Prozess wird zugeführte Arbeit nicht durch eine Volumenänderung aufgenommen, sondern erhöht die innere Energie durch Erzeugung von Entropie. Die als Arbeit zugeführte Energie wird dissipiert.

Zur quantitativen Erfassung der im Inneren eines Systems dissipierten Energie wird die Dissipationsenergie Ψ definiert (wobei statt ψ häufig auch W_diss oder W_d geschrieben wird) und es gilt:
dψ = T dS_irr

Bei der zerspringenden Tasse wird die kinetische Energie beim Aufprall vollständig dissipiert und es gilt hier:
dψ = T dS_irr = d E_kin = dW = dU

Oder praktischer formuliert:
Die kinetische Energie beim Aufprall der Tasse wird ihr als Arbeit zugeführt, die (nahezu) vollständig dissipiert wird und durch das Zerbrechen erhöht sich die innere Energie der Tasse, sie erwärmt sich an den Bruchstellen.
Der 2. HS in dieser Form sagt auch aus, dass je höher die Tasse fällt, umso mehr nimmt ihre innere Energie durch Dissipation zu und das geht nur, wenn es mehr Bruchstellen gibt, sie zerfällt in mehr und kleinere Scherben.

Wie gesagt, dS_irr ist ein Maß für die Irreversibilität. Je höher dS_irr, umso mehr Scherben müssen entstehen und das ist auch durchaus plausibel: je mehr Scherben entstehen, umso schwieriger wird es, die Tasse wieder zusammenzusetzen.

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ulrich1919  19.08.2017, 18:47
@Hamburger02

Die als Arbeit zugeführte Energie wird dissipiert.

Schön, aber was heißt ,,dissipiert"  konkret? In nutzlose Wärme verwandelt?

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Hamburger02  19.08.2017, 20:30
@ulrich1919

Genau. Dissipieren bedeutet auf Deutsch "entwerten" oder "zerstreuen". Am Ende kommt nutzlose Wärme dabei raus.

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Theoretisch ja - steht nicht im Widerspruch zum Wissen der Physik.

Aber gemäß den Gesetzen der Thermodynamik wäre es extrem unwahscheinlich. Es wäre mit großer Sicherheit (über 99%) im gesamten Universum seit dem Urknall noch kein einziges Mal passiert. Aber prinzipiell eben möglich und wenn Du lange genug (Zig Trillionen Jahre) wartest, dann könnte es einmal passieren.

Aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik über die Irreversibilität von Prozessen folgt, dass die Entropie (also die Unordnung) eines Systems mit der Zeit zunimmt.

Und da Zeit nicht umkehrbar ist, gibt es keine Möglichkeit, dass sich die Tasse ohne Einwirkung von außen (Mensch, Kleber) je wieder in ihren Urzustand versetzen kann.

Auch ein Rührei verschwindet nicht von alleine wieder in der (zerbrochenen) Eierschale.

Die Tasse (oder Du) müsste/st den Zustand aller Atome des Universums zu dem Zeitpunkt kennen, als die Tasse noch unzerstört war.

Sollte das Phänomen aber mal beobachtet werden, wüssten wir, dass unsere Physik nicht stimmen würde.

Das Phänomen heißt: "crazy video tricks"

Physik braucht man um die Tasse herunter zu fallen und es mit Kamera aufzunehmen. OK - Informatik ist hier auch sehr wichtig.

Bruchmechanik soll man auch nicht vernachlässigen.


Entropie ist auch sehr wichtig - kann man dann auch mit anderen Techniken ca. ausrechnen - wie viele Teilen dann erstehen - OK Wahrscheinlichkeitsrechnung muss man schon beherrschen.

Sehr interessante Aufgabe für eine Diplomarbeit.