Ist es durch den "Skineffekt" sinnvoll, ein Rohr zur Übertragung sehr hoher Wechselströme zu verwenden, statt ein massiven Leiters mit rundem Querschnitt?

5 Antworten

Der Skineffekt (d.h. an der Oberfläche fließender Strom) muss nur bei hochfrequenten Strömen (z.B. in der Funktechnik) berücksichtigt werden. Bei der normalen Netzfrequenz (Drehstrom aus dem Kraftwerk) fällt er kaum ins Gewicht. Da ist ein genügend grosser Querschnitt des Leiters für hohe Stromstärken wichtiger.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

PeterKremsner  09.08.2018, 20:11

Es kommt auf den Kabelquerschnitt an. 9mm in einem Kupferkabel beträgt auch bei 50Hz der Strom nur noch 37% des Gesamtstroms.

Es kommt bei solchen Sachen eben immer auf die Proportionen an, idR wird man bei 50Hz auch noch keine Welleneffekte wie Reflexionen auf Leitungen etc. betrachten. Freileitungen kommen aber bei 50Hz schon in die Größenordnungen von Lambda/4 und höher und von daher müssen auch in der Hochenergietechnik solche Welleneffekt ab gewissen Größenordnungen beachtet werden.

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Ralph1952  09.08.2018, 21:47
@PeterKremsner

Das ist genau genommen natürlich richtig, darum werden z.T. auch Leiter aus mehreren Drähten zusammengesetzt. Der Effekt macht sich aber bei hohen Frequenzen um ein Vielfaches stärker bemerkbar, da ist eine sog. HF-Litze aus vielen feinen Drähtchen unumgänglich.

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PeterKremsner  10.08.2018, 10:54
@Ralph1952

Ja er ist natürlich bei hohen Frequenzen stärker ausgeprägt, aber tritt bei allen Wechselstromführungen auf.

Ob der Skineffekt jetzt vernachlässigbar ist oder nicht, hängt aber eben nicht nur von der Frequenz ab sondern auch von den entsprechenden Dimensionen. So kann der Skineffekt auch schon bei 1Hz auftreten, auch wenn hier die Kabel schon echt dick sein müssen damit er in erscheinung tritt.

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Meinst du mit "hohe Wechselströme" hochfrequente Wechselströme?
Der Skineffekt bei 50 oder 100Hz kaum relevant. Und für tieffrequente, hohe Ströme (viel Ampère) muss primär die Querschnittsfläche stimmen. Rohre wären viel zu gross, auch wenn man ganz wenig Material sparen könnte.


PeterKremsner  09.08.2018, 20:07

Bei sehr hohen Strömen muss auch schon bei 50Hz auf den Skineffekt geachtet werden, dieser wird bei Kabel dadurch vermieden, dass hier mehrere dünne Leitungen in einem Kabel parallel geführt werden, ähnlich einer Hochfrequenzlitze.

Bei 50Hz beträgt der Strom 9mm im Kupfer nur noch 37%, also muss man idR ab ca 18mm Leitungsdurchmesser auch mit dem Skinneffekt rechnen.

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PeterKremsner  10.08.2018, 12:18
@atoemlein

Das kann ich dir nicht beantworten, ich weiß aber, dass der Aufbau von Überlandleitungen zum Teil diesem Effekt geschuldet ist.

Die Stabilität der Leitung wird ja durch ein Stahlseil im inneren gewährleistet und die Stromführung findet im Aluminium statt.

Das Stahlseil ist unter anderem darum im inneren weil durch den Skineffekt der Strom nach außen gedrückt wird und die Kabel so geringere Elektrische Verluste aufweisen als wenn der Stahl außen wäre und der Stromfluss in den Stahl gedrückt wird.

Bei Erdkabeln findet man auch oft die Anordnung, dass tragende Elemente im inneren der Leitung sind und der eigentliche Leiter drum herum ist.

Wassergekühlte Leitungen sind idR auch so ausgeführt, dass das Wasser durch den Leiter fließt und nicht drum herum, weil das das Verhältnis Verluste/Kabeldurchmesser besser macht.

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/72/Hochspannungskabel_400kV_Querschnitt.JPG/1024px-Hochspannungskabel_400kV_Querschnitt.JPG

Bei diesem Kabel kann man zB auch den Stahlkern in der Mitte sehen. Ich habe aber auch schon Kabel gesehen welche in Segmente unterteilt waren, wobei diese Segmente zueinander Isoliert waren und dann um einen Stahlkern gewickelt wurden.

Der Skineffekt ist auch einer der Gründe warum eine HGÜ relativ verlustfrei arbeitet und die Kabelquerschnitte bei dieser Übertragungsform bei gleichem Strom geringer gehalten werden können.

Es gibt dazu auch einige Paper und andere Artikel welche sich mit dem Skin und Proximityeffekt in Kabeln auseinander setzen, also der spielt auch durchaus bei 50Hz eine Rolle.

Ob man ihn nun beachtet oder nicht ist im Endeffekt aber auch immer eine Kostenfrage und bei Strömen bis einige kA ist es so ziemlich egal dass, das Leiter innere kaum mehr leitet, sofern die Kabelführung so nur auf kurze Distanzen erfolgt, wie zB in Schaltwerken. Für Langstreckenübertragung ist er aber durchaus zu beachten,weil er eine Anstieg der Verluste bedingt.

Ebenso hängt der Skineffekt ja auch stark von Leitergeometrie ab, bei Kupferschienen spielt er zB idR keine Rolle.

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Kabel mit mehr als 50mm² Durchmesser werden idR auch nicht mehr als Vollkabel ausgeführt. Meistens werden dann einzelne Leiter gegenseitig Isoliert und dann verseilt so wie es auch bei einer Hochfrequenzlitze gemacht wird.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hochfrequenzlitze

Durch diese Technik können auch größere Querschnitte bei 50Herz verwendet werden.

Eine andere Möglichkeit den Skinneffekt ab zu schwächen besteht darin statt einer runden Leitergeometrie zB einen rechteckigen Querschnitt zu verwenden, das wird gelegentlich bei Frequenzumrichtern für elektrische Antriebe verwendet.

Auch bei Freileitungskabel wird der tritt der Skineffekt auf und wird auch im Leiteraufbau berücksichtig. Diese Kabel werden aus Aluminium mit Stahlseele gefertigt. Durch den Skineffekt und den höheren Widerstand der Stahlseele fließt beinahe der gesamte Strom durch die Aluminiumhülle während die Stahlseele der Leitung die Stabilität gibt.

Im HF bereich gibt es auch Hohlkabel bzw direkt als Wellenleiter ausgeführte Hohlleiter welche ähnlich funktionieren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hohlleiter

Im gegensatz zum einfachen Hohlkabel ist aber ein Hohlleiter darauf ausgelegt, dass in ihm eine Elektromagentische Welle geführt wird, das wird durch die Reflexion der Welle an den Metallischen Wänden erreicht, allerdings kann man den Skineffekt auf ähnliche Vorgänge zurück führen.


latinlover68 
Fragesteller
 09.08.2018, 17:59

Super Antwort

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Barney123  09.08.2018, 18:11

Das was Du über Freileitungen schreibst, ist nur teilweise richtig. Aluminium ist ein besserer Leiter als Stahl, Stahlt nimmt die Zugkräfte auf. Der Oberflächeneffekt wird agber dadurch erreicht, dass bei Höchstspannungslieungen vier Seile im Abstand eines Quadrates benutzt werden.

Der Skineffekt spielt bei 50 bis 60 Hz praktisch keine Rolle. Ein Hohlleiter ist kein üblicher Leiter, er führt nur ein Funkfeld in seinem Inneren, das damit fast BVerlustfrei ist.

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PeterKremsner  09.08.2018, 20:02
@Barney123
Aluminium ist ein besserer Leiter als Stahl, Stahlt nimmt die Zugkräfte auf

Das habe ich geschrieben:

Durch den Skineffekt und den höheren Widerstand der Stahlseele fließt beinahe der gesamte Strom durch die Aluminiumhülle während die Stahlseele der Leitung die Stabilität gibt.
Der Oberflächeneffekt wird agber dadurch erreicht, dass bei Höchstspannungslieungen vier Seile im Abstand eines Quadrates benutzt werden.

Meines wissens nach hat die Anordnung in Bündelleitern andere Gründe. Es geht hier eher um die Vermeidung von Koronaentladungen, aus diesem Grund werden solche Bündelleiter auch erst bei Hochspannungsnetzen eingesetzt.

Mittelspannungsfreileitungen werden als Einzelleiter ausgeführt, weil es hier eben noch keine Probleme durch zu hohe Randfeldstärken gibt.

Das Bündeln der Leiter hat zwar einen Einfluss auf die Stromverteilung im Leiter, ist aber nicht der Grund warum man die Leitungen bündelt.

er Skineffekt spielt bei 50 bis 60 Hz praktisch keine Rolle.

Ab Leiterquerschnitten größer als 50mm² schon. Die Eindringtiefe ist bei 50 Herz ca 9mm somit spielt der Skineffekt ab 18mm Leitungsdurchmesser auch schon bei 50 Hz eine Rolle. Oder je nachdem was man erreichen will auch schon früher.

Ein Hohlleiter ist kein üblicher Leiter, er führt nur ein Funkfeld in seinem Inneren, das damit fast BVerlustfrei ist.

Ich habe nicht behauptet, dass ein Hohlleiter ein gewöhnlicher Leiter ist, auch wenn man ihn als solchen durchaus verwenden könnte.

Ich habe nur geschrieben, dass es im HF Bereich durchaus hole Leiter gibt und deren Einsatz ist unter anderem dem Skineffekt geschuldet.

Der Hohlleiter erreicht dadurch einen guten Wirkungsgrad weil der Strom nur im Metallrahmen fließt und daher auch nur hier Verluste bewirken kann. Lässt man das Metall ganz weg bekommt man beinahe komplett verlustlose Leiter, siehe Lichtwellenleiter.

Würde man den Hohlleiter auffüllen wie zB ein Koaxialkabel ergibt sich aber auch hier durch die Verluste im Metall die höheren Verluste dieser Wellenführung. Das ist ja zB auch der Grund warum im Hochleistungsbetrieb quasi nur Hohlleiter eingesetzt werden und keine Koaxkabel, der Innenleiter des Koaxkabels kann wegen den Skinneffekts nicht beliebig dick gemacht werden was eben zu hohen Verlusten im Innenleiter führt.

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michiwien22  09.08.2018, 20:41
@Barney123

Der Oberflächeneffekt wird agber dadurch erreicht, dass bei Höchstspannungslieungen vier Seile im Abstand eines Quadrates benutzt werden.

Das hat andere Gründe (Feldstärke, reaktive Leitungsbeläge)

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Nein das wird nicht gemacht. Der Skineffekt ist bei Frequenzen um 50 bis 60 Hz so gering, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Allerdings werden die Erregerleitungen in Generatoren hohl ausgeführt, jedoch um das Kühlmedium hindurchzuleiten und den generator zukühlen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

michiwien22  09.08.2018, 19:08

Bei 50 Hz und Kupfer etwa 1cm. Das ist nicht zu vernachlässigen, weshalb man Leiter in einzelne Drähte gruppiert.

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Barney123  09.08.2018, 21:23
@michiwien22

Du hast nicht ganz verstanden, wie der Skineffekt wirkt. Die einzelnen drähte bilden insgesamt schon ein gemensames elektrisches Feld, so dass die inneren drähte auch weniger am Leiten beteiligt sind, wenn auch nur minimal. Worauf beziehst Du deinen Zentimeter? die Stromdichte ist eine Funktion, die exponentiel zum Leiterinneren abnimmt. Was also soll die Angabe hier von einem Zentimeter bedeuten? Die wenigsten Drähte sind überhaupt so dick!

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michiwien22  09.08.2018, 22:15
@Barney123

Du sagtest, dass der Skin-Effekt keine Rolle bei 50Hz spielt.

Der Strom würde bei einem einzelnen Leiter weitgend in einer Schicht von ca 10mm fließen. Das kann man auch bei 50Hz und Durchmessern im Bereich von mehr als 10mm nicht mehr vernachlässigen und darauf wollte ich Dich hinweisen.

Der Zentimeter kommt aus der Formel für die Skintiefe und der Leitfähigkeit von Kupfer.

Da Einzelleiter zusätzlich verdrillt sind, wird der Skineffekt auch bei einem Bündel stark reduziert.

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PeterKremsner  10.08.2018, 11:44
@Barney123

Naja der Skineffekt hat nicht nur etwas mit dem Elektrischen Feld zu tun sondern ist eher ein Elektromagnetisches Problem. Kurz gesagt ist es aber so, dass das Elektromagnetische Feld nicht beliebig schnell in das Leiterinnere eindringen kann. Das ganze nennt sich dann Dispersionsrelation des Elektrischen Feldes im Leiter, wobei die Dispersionsgeschwindigkeit von der Leitfähigkeit und der Frequenz abhängt.

Für Kupfer ergibt das bei 50Hz eine Eindringtiefe von ca 9mm.

Die Eindringtiefe ist übringes definiert als die Tiefe im Leiter bei welcher die Stromdichte, aufgrund des Skineffekts, nur noch ca 37% beträgt.

Je nach Anforderung können aber der Abfall auf 37% schon zu viel sein, weswegen man hier auch durchaus als Richtwert sagen kann, dass der Skineffekt ab 1cm Kabeldicke einen merklichen Einfluss hat. Die Stromdichte in der Leitermitte würde dann ebenfalls nur noch etwa 60% der Randstromdichte sein.

Der Skineffekt gilt übrigens auch in ähnlicherweise für verdrillte Leitungen sofern der Übergangswiderstand zwischen den einzelnen Litzen klein ist, auch wenn er durch diese Leitungsführung abgeschwächt wird.

Eine Gegenmaßnahme zum Skineffekt ist das verdrillen der Leitungen also erst wenn die Leitungen praktisch zueinander isoliert sind, wie es zB bei der Hochfrequenzlitze der Fall ist.

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  1. im Kraftwerk sind es ja nur unter 100Hz... da isses wohl besser, wenn man massive Leiter nimmt....
  2. aber bei 1GHz kann man wohl Hohl-Rohre nehmen... :)
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Skin-Effekt
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung