Ist eine Mord- oder Totschlags-Verurteilung eines Verdächtigen immer dann sehr unwahrscheinlich, wenn es kein plausibles Motiv für die tat gibt?

4 Antworten

Die „schönste“ (mögliche) Motivationslage bringt nichts, wenn die Beweislage dürftig oder nicht gegeben ist. Eine Straftat muss als zweifelsfrei er-/bewiesen gelten; aufgrunddessen kann ein Täter rechtsgültig verurteilt werden, auch wenn u.U. kein Motiv (gesichert) vorhanden/bekannt ist. Immer wieder kommt es bspw vor, dass mehrere Personen evt ein Motiv gehabt hätten; relevant ist jedoch, wem die Tat mittels der vorhandenen/erhobenen Beweise zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Erweiterte Erklärung:

  1. Sowohl Mord, als auch Totschlag, sind vorsätzlich getätigte Tötungsdelikte.
  2. Um wg Mordes verurteilt zu werden, braucht es mind. 1 der Mordmerkmale. Ist keines dieser gegeben, gilt die Tat als Totschlag.
  3. Motivationslage: Es gibt u.A. immer wieder Tötungsdelikte, welche deshalb begangen wurden, weil der Täter „einfach mal jemanden töten“ wollte (= Vorsatz).
  4. Wird eine Tötung vorsätzlich getätigt, ist aufgrund des Vorsatzes ein subjektives Tatmerkmal vorhanden. Der Taterfolg ist ein objektives Tatmerkmal.
  5. Eine rechtsgültige Verurteilung setzt immer voraus, dass die Tat als zweifelsfrei er-/bewiesen gilt; in unseren demokratischen Rechtstaaten gilt stets der Grundsatz „in dubio pro reo“ = „im Zweifel für den Angeklagten“.
Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Bundeskriminalbeamter mit psych. Zusatzausbildung

Nein, ich habe verschiedentlich von Fällen gelesen, bei denen Menschen völlig grundlos umgebracht wurden und die Täter verurteilt wurden.

Das Motiv ist für eine Verurteilung bei einem Tötungsdelikt nicht maßgeblich; vielmehr ist es alleine die Beweislast. Sofern es Motive für die Tat gab, ist es Sache der Ermittler, dem nachzugehen und die entsprechende Beweisführung anzutreten. Nur ein Motiv ohne jeden Beweis ist irrelevant.

Motive können einen Ermittler sogar in die Irre führen, denn er versteift sich möglicherweise auf einen Verdächtigen, weil er ein Motiv zu erkennen glaubt (meinetwegen eine Beziehungstat), übersieht aber dabei den Serienmörder, der überhaupt kein erkennbares Motiv hat (weshalb deren Ergreifung oft so problematisch ist). Ted Bundy zum Beispiel war ein Mörder, der auf den ersten Blick offenbar seine Opfer wahllos tötete und kein Motiv erkennen ließ. Seine Verurteilung erfolgte lediglich aufgrund der erdrückenden Beweislast.

Eher umgekehrt. Jemanden "ohne Motiv" - also "einfach so" - umzubringen, wird vermutlich eher in eine Verurteilung wegen Mordes münden als ein Tötungsdelikt, das z.B. damit in Zusammenhang steht, dass der Ehemann seine Frau jahrelang gewalttätig behandelt hatte (bis er umgebracht wurde). Denn so ein Motiv stellt zwar keinen Freibrief dar, wohl aber einen mildernden Umstand.

"Kein plausibles Motiv zu haben" passt meiner Ansicht nach zu den "niedrigen Beweggründen".

https://de.wikipedia.org/wiki/Mord_(Deutschland)#Fallgruppe_1_%E2%80%93_Niedrige_Beweggr%C3%BCnde

Die Frau, die ihren Peiniger um die Ecke bringt, hat dagegen ein immerhin nachvollziehbares Motiv, was kein niedriger Beweggrund ist. Auch das wird vor Gericht landen, das Gericht wird dieses Motiv aber für die Frau (im positiven Sinne) berücksichtigen, so dass die Strafe geringer ausfällt.

Vielleicht meinst du aber die Frage danach, ob der Täter überführt werden kann. Denn das ist natürlich die Voraussetzung für eine (wie auch immer geartete) Verurteilung. Das ist natürlich ein anderer Punkt, da gilt, dass jemand, der "kein Motiv" hat, vermutlich weniger verdächtig ist als ein anderer, der ein Motiv hat. Aber wie schon geschrieben wurde, ein Motiv ohne Beweise bringt nicht wirklich was. Und nur, weil jemand anfangs unverdächtig war, heißt das ja nicht, dass er nicht der Täter sein kann.

Ein oder zwei Sätze mehr (zur Erklärung, was du genau wissen wolltest) hätten der Frage womöglich gut getan. :)